Hohe Risiken und wenig Geld: Als Impfhelfer in Nigeria

Während Nigeria versucht, 55 Millionen seiner 206 Millionen Einwohner in den nächsten zwei Monaten vollständig zu impfen, riskieren Mitarbeiter des Gesundheitswesens in einigen Teilen des Landes ihr Leben, um die Landbevölkerung zu erreichen.

Während Nigeria versucht, 55 Millionen seiner 206 Millionen Einwohner in den nächsten zwei Monaten vollständig zu impfen, riskieren Mitarbeiter des Gesundheitswesens in einigen Teilen des Landes ihr Leben, um die Landbevölkerung zu erreichen.

Kuje. Yumusa Bawa befestigt eine Kiste mit Covid-19-Impfstoff auf seinem Motorrad, die bevorstehende Fahrt wird holperig sein. Aber der unebene und steinige Weg - eine Straße, „die dich müde macht“, wie Bawa sagt - ist die geringste Sorge des Nigerianers, der in einem Gesundheitszentrum in Kuje südwestlich der Hauptstadt Abuja arbeitet. Viel schlimmer sind nach seinen Angaben die häufigen Entführungen durch bewaffnete Banden entlang der Route.

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Die Hürden für eine schnelle Impfstoffverteilung sind hoch

Aber solche Touren, wie der 39-Jährige sie absolviert, sind unabdingbar, will Afrikas bevölkerungsreichstes Land sein ehrgeiziges Ziel erreichen, in den nächsten zwei Monaten 55 Millionen seiner 206 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner gegen Covid zu impfen. Das Auftauchen der Omikron-Variante hat unterstrichen, wie wichtig es ist, mehr Menschen die nötigen Spritzen zu geben, um weitere neue Mutationen des Coronavirus zu verhindern. Aber Nigeria hat einen weiten Weg vor sich: Bislang sind nur 3,78 Millionen Einwohner vollständig geimpft.

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Umso wichtiger ist es, direkt zu den Dorfbewohnern zu gehen, um jedwede Vorbehalte zu überwinden, die sie haben mögen, wie Bawa sagt. „Wenn du sie in ihrem Zuhause triffst, gibt es kein Problem. Jeder wird den Impfstoff nehmen.“

Doch es gibt mehr Hürden, als das Zögern mancher Einwohnerinnen und Einwohner und die Gewalt durch bewaffnete Gruppen in nordwestlichen und mittleren Teilen des Landes, welche in diesem Jahr bereits hunderte Menschen getötet und Tausende entführt haben, um Lösegeld zu erpressen. Behörden versichern zwar, dass Nigeria in der Lage sei, genügend im Westen produzierte Impfstoffe für alle zu beschaffen. Aber Mitarbeitende in Gesundheitseinrichtungen in ländlichen Gebieten strampeln sich ab, zumeist, weil sich nötige Geldzahlungen von der Regierung verzögern.

Verzögerte Bezahlungen und lange Arbeitstage gehören zur Normalität

Im Sabo-Gesundheitszentrum in Kuje, einer Stadt mit 300.000 Einwohnern, arbeiten Bawa und drei Kollegen in heruntergekommenen Gebäuden mit abgenutzter Büroeinrichtung. In den vergangenen drei Monaten haben nur zwei von ihnen Lohn von der Regierung erhalten, umgerechnet ungefähr 21 Euro. Das reicht kaum aus, Benzin für Bawas privates Motorrad zu kaufen - „das wir benutzen, um herumzufahren und sie (die Einwohner) zu informieren, dass wir zu einem bestimmten Zeitpunkt kommen“, sagt der Mann, während er die Hand eines 75-Jährigen hält, bevor er ihm die Spritze verpasst.

An einem guten Tag kann Bawa etwa 20 Menschen impfen, aber gewöhnlich sind es fünf oder weniger. Viele ländliche Einwohner sind arm und verbringen die meiste Zeit auf Bauernhöfen in entlegenen Gebieten anstatt daheim in ihren Dörfern. Das bedeutet oft lange Arbeitstage für Bawa und seine Mitarbeiter, zusätzlich zu dem Risiko von Gewalt und dem wochenlangen Warten auf klägliche Entlohnung.

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Verzögerte Bezahlung bleibe - abgesehen von der Bedrohung durch Banden - ein „großes Problem für uns“, sagt der Regierungsbeamte Dr. Rilwanu Mohammed, der für die Impfkampagne in Nigerias nordöstlichen Staat Bauchi zuständig ist. „Sie bezahlen erst, wenn die Leute ihre Arbeit abgeschlossen haben, und es gibt kein Geld, um sich von einem Punkt zum anderen zu bewegen.“

Andere kritisieren, dass die Regierung nicht genügend Geld dafür aufwende, die Bevölkerung über Corona zu informieren und darüber, wie wichtig es sei, sich impfen zu lassen. „Offen gesagt, hier in der Gegend weiß niemand etwas über den Impfstoff“, sagt Omorogbe Omorogiuwa im Staat Adamawa im nordöstlichen Nigeria. „Niemand sagt, dass du gehen und ihn nehmen sollst. Tasächlich herrscht die Annahme, dass es (die Pandemie) vorbei ist.“

Falschinformationen bremsen die Impfkampagne zusätzlich

Dr. Faisal Shuaib ist Geschäftsführer der nationalen Behörde für die Entwicklung medizinischer Grundversorgung, die Nigerias Impfprogramm überwacht. Er sagt, dass „armselige Planung und Koordination“ es erschwerten, ländliche Gebiete mit Vakzinen zu versorgen. Hinzu kommt, dass Nigeria ein zutiefst religiöses Land ist und manche religiöse Führungspersonen falsche Informationen über das Virus und die Impfstoffe verbreiten. Behörden hätten sie angesprochen, um zu erreichen, dass ihre Millionen Gefolgsleute mit Fakten versorgt würden, sagt Shuaib.

Seit dem 1. Dezember ist staatlichen Beschäftigten vorgeschrieben, sich impfen zu lassen oder ein nicht länger als drei Tage altes Negativ-Testergebnis vorzulegen. Aber Adewunnmi Emopruwa, ein Stratege der Beraterfirma Gatefield in Abuja, meint, dass sich die Regierung statt Impfzwängen stärker darauf konzentrieren sollte, für die Impfstoffe zu werben, die Menschen davon zu überzeugen, dass sie sicher und wirksam seien, wie er sagt. Auch Musa Ahmed, ein Impfbeamter in Kuje, sagt, dass „soziale Mobilisierung nicht stattgefunden hat ... und das ist es, warum manche Leute den Impfstoff weiter anzweifeln“.

Und so ist denn ein großer Teil der nigerianischen Bevölkerung ungeimpft und trägt ein „sehr hohes“ Risiko, dem Virus ausgesetzt zu sein, wie es Dr. Richard Mihigo im Regionalbüro Afrika der Weltgesundheitsorganisation WHO formuliert. Und damit bestehe die Gefahr weiterer Virusmutationen.

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Nigerias Krankheitskontrollbehörde (CDC) hatte am 1. Dezember mitgeteilt, dass die Omikron-Variante bei drei Reisenden entdeckt worden sei - die ersten in Westafrika ausgemachten Fälle, nachdem Wissenschaftler in Südafrika das mutierte Virus identifiziert hatten.

Bitrus Maiyaki zählt zu den Gesundheitsarbeitern im Staat Kaduna, der das Risiko eingeht, trotz Gewalt Impfstoff in ländliche Gebiete zu bringen. „Wir haben unser Leben aufgegeben, um die Aktivitäten der Regierung zu unterstützen“, sagte der 41-Jährige der AP in einem Telefoninterview. „Und wir wollen Leben retten. Wir haben einen Eid geleistet, unserem Vaterland zu dienen.“

RND/AP

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