“Fleisch ist dumm und hässlich”

Der Schmuckdesigner André Kröger hat Reis zum Thema seiner Kollektion gemacht. Telse Bus kreierte für die Präsentation ein Foodset aus gepoppten Reischips.

Der Schmuckdesigner André Kröger hat Reis zum Thema seiner Kollektion gemacht. Telse Bus kreierte für die Präsentation ein Foodset aus gepoppten Reischips.

Frau Bus, Sie inszenieren Essen. Das machen Millionen Menschen jeden Tag auf Instagram und Co. Was ist das Besondere an Ihrer Arbeit?

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Ich übersetze Geschichten in Kulinarik. Da ich ursprünglich aus der Kunst komme, habe ich eine künstlerische Herangehensweise an die Kulinarik. Ich arbeite nicht auf Basis von Rezepten, sondern eher strukturell auf Basis verschiedener Konsistenzen, Aromen und Farben. Hinter den ganzen Fotos von Restaurantbesuchen oder heimatlichen Herdkünsten steckt in der Regel keine transformatorische Leistung. Da geht es nur darum, zu zeigen, was man Tolles isst oder gekocht hat. Mich hingegen interessiert das Assoziative am Essen, die Verbindung aus Sinnen und Verstand: Wie schmeckt Liebe, wie Hass? Das finde ich spannend.

Wie schmecken denn Liebe und Hass?

Ich übersetze immer sowohl visuell als auch haptisch und texturell. Liebe wäre eine weiche, warme Konsistenz mit was Prickelndem drin. Bei Hass muss einem der Bissen ja im Halse stecken bleiben, es muss schwierig sein zu schlucken.

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“Aromen sind die Pixel, mit denen ich male”

Sie haben Kunst studiert. Sind Nahrungsmittel für Sie das, was für andere Künstler Farben sind?

Ja, ich sage immer: Aromen sind die Pixel, mit denen ich male.

Essen zu arrangieren, um damit Geschichten zu erzählen – ist das in Zeiten, in denen wir über Lebensmittelüberschuss einerseits und Hungersnöte andererseits diskutieren, nicht ziemlich dekadent?

Nein, denn es wird meist alles gegessen, entweder von Gästen oder vom Team. Ich arbeite eigentlich nur vegetarisch, meist sogar nur pflanzlich, es stirbt kein Tier, und der anfallende Müll wäre dann entweder für den Kompost oder die Biotonne.

Sie haben unter dem Begriff Organic Glamour ein Foodkonzept entwickelt, das Grundlage für Ihre Arbeit ist.

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Ich hatte mal eine Cateringfirma. Wir waren oft international unterwegs, haben auf großen Events Essen inszeniert, immer mit sehr luxuriösen Produkten. Aber je prominenter die Veranstaltung war, umso weniger wollten die Menschen beim Essen beobachtet werden, womöglich sogar fotografiert werden. Man konnte eigentlich immer ein Drittel der Speisen entsorgen, die waren nur Deko. Vor allem hat mich dabei gestört, dass dafür Tiere gestorben sind und Köche viel Arbeit investiert haben. Das musste anders gehen. Daraus ist die Organic Glamour Food Collection entstanden. Ich habe mich intensiv mit pflanzlichen Produkten beschäftigt und war sofort fasziniert von ihrer Vielfältigkeit und ihrer Schönheit. Dagegen ist Fleisch wirklich dumm und hässlich. Um ein Steak appetitlich zu fotografieren, muss man im Gegensatz zu Gemüse, Getreide oder Salat viel faken und beim Garen sehr auf Zack sein, damit es gut aussieht.

Kreative Kulinarikerin: Telse Bus.

Kreative Kulinarikerin: Telse Bus.

Ist das ein Plädoyer dafür, gänzlich auf Fleisch zu verzichten?

Ach, ich bin gegen jede Form von Monokulturen und Bevormundungen. Verführung mit Schönheit und Humor ist doch besser. Ich glaube, wir leben in einer Zeit, in der wir unsere Foodkultur neu interpretieren sollten. Wir haben so viel naturwissenschaftliches Wissen und brauchen keine Fleischfabriken, um uns zu ernähren. Wir könnten mithilfe moderner Technik Produkte zubereiten, was man früher nicht konnte und nicht kannte. Die moderne Nordic Cuisine beispielsweise bereitet Speisen aus Produkten ihrer Natur mithilfe moderner Küchengeräte und Wissen zu. Das ist für mich die Formel für eine moderne Foodkultur.

“Man kann auch ohne Schuldgefühle mal Fleisch essen, nur nicht jeden Tag”

Was halten Sie von dem Trend in der gehobenen Küche, geschmacklich exzellente Gerichte genussfeindlich zu inszenieren, um politische Botschaften damit zu verbinden?

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Das berührt emotional. Wichtig ist, die Zusammenhänge aus unserer Nahrung, unserem Lebensstil und deren Folgen zu erkennen. Dazu braucht es Wissen um Herkunft und Verarbeitung von Lebensmitteln. Wenn ich Billigfleisch sehe, habe ich automatisch Bilder von Massentierhaltung im Kopf und es überkommt mich ein Gefühl von Schuld. Ja, wir machen uns damit schuldig an der Welt. Aber man kann auch ohne Schuldgefühle mal Fleisch essen, nur nicht jeden Tag und eben dann aus vernünftiger Aufzucht. Aber vor allem sollte man mehr mit Aromen wie Kräutern und Gewürzen arbeiten, diese ans Gemüse kleben, dann braucht man kaum noch so was wie Fleisch, denn Schmecken hat mit Tieren nicht unbedingt was zu tun.

Jeder kennt das Sprichwort “Das Auge isst mit”. Im Food-Porn-Zeitalter isst oftmals nur noch das Auge. Wir sind geradezu übersättigt von Bildern von Lebensmitteln. Schadet die permanente Visualisierung von Essen nicht unserem Verhältnis dazu?

Wir leben tatsächlich in einer Zeit visueller Adipositas. Dennoch ist nicht die Bilderflut das Problem, sondern die Tatsache, dass wir aus dem Blick verlieren, wie Nahrung produziert wird. Als ich Kind war, hatten wir einen Nutzgarten. Da wurde Spargel gestochen, und wir aßen erntefrische Karotten und Erdbeeren. Heute kreieren Eltern aus Karotten Comicfiguren, damit ihre Kinder sie essen. Was soll das denn dem Kind erzählen? Es fehlt die gesamte Geschichte, der Geruch von Erde an den Händen.

Das Abbilden von Essen hat eine lange Tradition. Im Barock etwa waren die Stillleben mit allerhand Symbolik aufgeladen. Welche Botschaften enthalten Ihre Kreationen?

Authentizität und eine emotionale Übersetzung eines Themas. Ich habe mal für eine Geschichte im Magazin der “Süddeutschen Zeitung” mit Künstlern geredet und ihre Geschichten dann in Käseplatten übersetzt. Die Regisseurin Doris Dörrie zum Beispiel erzählte von ihrer Liebe zu Japan und wie sie sich immer freut, wenn sie den Fujiyama vom Flieger aus sieht. Aus Roquefort, Schafskäse, rotem Cheddar und Salzkirschen formte ich eine japanische Landschaft mit dem Fujiyama in der Mitte. Es war eine Art kulinarisches Porträtzeichnen.

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