DRK-Arzt bewertet Erste-Hilfe-Tipps: Was hilft bei kleinen Unfällen?
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Jeder kennt irgendein Hausmittel, das bei Erkältung angeblich Abhilfe schafft – wie die berühmte heiße Milch mit Honig. Bei Wunden sollte man aber vorsichtig mit überlieferten Tipps sein, rät Prof. Peter Sefrin, Bundesarzt beim Deutschen Roten Kreuz (DRK).
© Quelle: Karl-Josef Hildenbrand/dpa
Beinahe täglich sind wir mit kleineren Wunden oder Verletzungen konfrontiert: ein Insektenstich hier, ein Schnitt bei der Küchenarbeit da. Für alle kleineren Wehwehchen gibt es Hausmittel. Doch nicht alle helfen – im Gegenteil. Prof. Peter Sefrin, Bundesarzt beim Deutschen Roten Kreuz (DRK), bewertet für das RND bekannte Erste-Hilfe-Tipps.
Eiswürfel auf verbrühte Haut?
„Bloß nicht!“, mahnt Sefrin. „Sonst kann es an dieser Stelle sogar zu Erfrierungen kommen.“ Überhaupt sei Kühlung nur dann sinnvoll, wenn es sich um kleinflächige Verbrennungen handelt – also wenn eine Fläche betroffen ist, die kleiner als die Handinnenfläche ist. In diesem Fall empfiehlt Sefrin, die betroffene Haut unter fließendem Wasser zu kühlen, und das auch nur in den ersten Minuten nach dem Unfall. „Bei größeren Verbrennungen kann Kälteeinwirkung zu einer Unterkühlung führen“, sagt er. In dem Fall sollte man den Rettungsdienst alarmieren. „Die Schmerzen kann man nur durch Medikamente lindern.“ Auch von kühlenden Gels und Brandsalben soll man die Finger lassen: „Das kann kontraproduktiv sein.“ Denn nur ein medizinischer Experte kann erkennen, bei welchen Wunden sich welches Mittel eignet.
Quark auf Sonnenbrand?
„Das schadet sicher nicht, empfehlen würde ich es aber auch nicht“, sagt Sefrin. Auf jeden Fall bringt Quark, genauso wie die ebenfalls beliebten Gurkenscheiben, eine angenehme Kühlung. Das lässt sich aber auch einfacher erreichen – etwa mit einem nassen Umschlag, den man auf die gerötete Haut legt. Nach Angaben der Stiftung Gesundheitswissen können daneben auch wasserhaltige Lotionen und Gels für Linderung sorgen. Außerdem wichtig: viel trinken!
Eiskalte Hände in heißem Wasser aufwärmen?
Autsch – das tut weh! „Wenn sich die Blutgefäße durch die Wärmeeinwirkung auf einmal weit stellen, kann das arge Schmerzen verursachen“, sagt Sefrin. Daher sollte man zunächst kühles Wasser über starre Hände laufen lassen und die Temperatur vorsichtig steigern. Der wichtigste Tipp bei kalten Gliedern lautet zunächst aber: Die Durchblutung durch Bewegung (z. B. Hampelmänner, Armkreisen) steigern. Ansonsten rät das DRK grundsätzlich, unterkühlte Personen an einen warmen Ort zu bringen und vorsichtig aufzuwärmen. Heiße, gezuckerte Getränke sind empfehlenswert, aber kein Alkohol. Bilden sich später an unterkühlten Körperteilen Blasen, sollte man diese keinesfalls öffnen.
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Prof. Dr. Peter Sefrin, Bundesarzt beim Deutschen Roten Kreuz (DRK)
© Quelle: Clemens Bilan/DRK
Kopf in den Nacken legen bei Nasenbluten?
Diese Reaktion ist zwar nachvollziehbar, kann aber unschöne Folgen haben. „Dabei schluckt man viel Blut, und das kann zu Übelkeit und Erbrechen führen“, sagt Sefrin. Stattdessen empfiehlt er, die Nase in dem Bereich, in dem kein Knochen mehr ist, zusammenzudrücken und das Blut nach vorne ablaufen zu lassen. Zusätzlich kann man einen kalten Waschlappen in den Nacken legen. Durch einen Reflex ziehen sich dann die Blutgefäße in der Nase zusammen. Normalerweise sollte die Blutung dadurch rasch zum Stillstand kommen. Hält sie länger als 20 Minuten an, sollte man sich zum Arzt bringen lassen oder den Rettungsdienst rufen.
Zwiebel auf Bienen- und Wespenstiche?
Ein traditionelles Hausmittel sieht vor, eine aufgeschnittene Zwiebel auf den Stich zu legen. Der Saft soll Schmerzen und Juckreiz lindern. Prof. Sefrin hält den Tipp allerdings für fragwürdig. „Bei einem Bienenstich sollte man zuerst den Stachel vorsichtig mit einer Pinzette entfernen. Wer da gleich eine Zwiebel draufpackt, drückt ihn noch tiefer in die Haut.“ Ein Wespenstich ist in dieser Hinsicht unproblematischer, da kein Stachel in der Wunde bleibt. Wichtig ist in beiden Fällen, das betroffene Hautareal zu kühlen. „Dazu kann eine Zwiebel beitragen“, sagt Sefrin. „Ein kalter Waschlappen tut es aber genauso.“ Zwiebelsaft wirkt zwar antibakteriell. Eine Desinfektion sei bei einer so kleinen Wunde wie einem Stich aber gar nicht nötig, erklärt der Arzt.
Bei Vergiftung Erbrechen auslösen?
Der klassische Ratschlag bei Vergiftungen lautet: Finger in den Hals und Erbrechen auslösen! Inzwischen raten Experten dringend davon ab. Möglicherweise kommt es dadurch zu zusätzlichen Verätzungen, außerdem kann Erbrochenes angeatmet werden und in die Lunge gelangen. „Man darf auch keine Milch trinken!“, betont Sefrin. Milch ist nämlich kein „Gegengift“, sondern kann sogar bewirken, dass der Körper schädliche Substanzen noch rascher aufnimmt. Der Arzt rät dazu, sich als Erstes bei einer Giftzentrale zu erkundigen, wie giftig die verzehrten oder verschluckten Substanzen sind. Hier erfährt man auch, ob Hilfe nötig ist. Kontakt: Giftinformationszentrum-Nord in Göttingen.
Honig auf kleine Wunden?
Davon hält Sefrin wenig. „Honig wird zwar manchmal bei großen, chronischen Wunden eingesetzt, wenn alle anderen Maßnahmen nicht gefruchtet haben.“ Für den Hausgebrauch eigne sich die Methode aber nicht. Grundsätzlich sollten Laien an Hautverletzungen wenig herumdoktern, also nicht auf eigene Faust Salben oder Tinkturen auftragen. Auch von einer Desinfektion rät Sefrin ab: Desinfektionsmittel seien nur für die unverletzte Haut konzipiert. Bei einer Anwendung in Wunden würden körpereigene Immunzellen abgetötet, was zu einer Infektionsgefahr führe. „Eine Desinfektion ist somit kein Mittel der Ersten Hilfe in Laienhand“, erklärt der Arzt. Ist eine Schürfwunde stark verschmutzt, kann man sie unter fließendem Leitungswasser vorsichtig säubern. „Reiben und Tupfen sollte man aber vermeiden, da dadurch Keime in die Wunde eingedrückt werden.“ Anschließend wird die Verletzung mit einer keimfreien Auflage versorgt. Wichtig: Bei stark verschmutzten Wunden sollte man den Impfstatus überprüfen, da Tetanuserreger einwandern könnten.
Eisspray bei Sportverletzungen?
Im Fernsehen wirkt das Spray wie ein Wunder: Ein-, zweimal drückt der Mannschaftsarzt auf die Dose – und schon ist der verletzte Sportler wieder fit. Sefrin rät allerdings zur Vorsicht. „Eisspray wirkt wie eine Lokalanästhesie. Die Schmerzen sind also erst mal weg.“ Wer dann weitermacht, als sei nichts geschehen, verletzt sich möglicherweise noch schwerer. Daher hat sich bei Sportverletzungen die „PECH-Regel“ durchgesetzt: Pause, Eis, Compression, Hochlagern. Eiswürfel oder Kühlpads sollten auch in diesem Fall nicht direkt auf der Haut liegen, da es sonst zu Gewebeschädigungen kommen kann. Also besser in ein Tuch oder in einen Waschlappen packen.
Ein Glas Wasser gegen Schwindelattacken?
„Mir ist nicht klar, was das bewirken soll“, sagt Sefrin. Ein Allheilmittel ist Wasser trinken jedenfalls nicht. Welche Reaktion bei Schwindel die richtige ist, hängt von der Ursache der Beschwerden ab. Tritt eine Schwindelattacke zum Beispiel gleich nach dem Aufstehen auf, spricht das für Kreislaufprobleme wegen eines niedrigen Blutdrucks. „In dem Fall ist am besten, sich wieder hinzulegen und die Beine hochzulagern.“ Dadurch kann das Blut wieder zum Herzen zurückfließen. Ein morgendliches Glas Sekt ist übrigens kein gutes Hausmittel, um den Kreislauf auf Trab zu bringen: Nach Angaben der Deutschen Herzstiftung kommt es meist erst ab 20 Gramm Alkohol (Frauen) beziehungsweise 30 Gramm Alkohol (Männer) zu einer Blutdrucksteigerung. Das entspricht zwei beziehungsweise drei Gläsern Sekt – also Mengen, die bestimmt nicht empfehlenswert sind.