Die meisten Corona-Maßnahmen enden: Ist das sinnvoll?
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Über das Wochenende fallen in nahezu ganz Deutschland so gut wie alle Corona-Maßnahmen. Nur Mecklenburg-Vorpommern und Hamburg machen Gebrauch von der Hotspotregelung.
© Quelle: Frank Rumpenhorst/dpa
Keine Maske, keine 3G-Regel, keine Beschränkung bei Großveranstaltungen: Ab Sonntag fallen in fast allen Bundesländern fast alle Corona-Maßnahmen. Lediglich ein sogenannter Basisschutz bleibt dann bestehen, der Maskenpflicht im Nahverkehr und in medizinischen Einrichtungen wie Krankenhäusern einschließt. Ebenfalls sind einige Testnachweise weiterhin vorgesehen, etwa für Schulen oder Pflegeheime. Gleichzeitig ist die Inzidenz immer noch sehr hoch.
„Ich hätte mir gewünscht, dass die strengeren Regelungen zumindest noch bis Ostern gelten“, sagte Oliver Witzke, Direktor der Klinik für Infektiologie am Uniklinikum Essen, der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“ (WAZ) am Freitag. Ausgerechnet jetzt die Maskenpflicht in vielen Bereichen aufzugeben sei aus seiner Sicht „unverständlich“.
Ländermehrheit verzichtet auf Großteil der Corona-Maßnahmen
Masken in Supermärkten, Schulen, 3G- oder 2G-Zugangsregeln – am Wochenende läuft die bundesrechtliche Grundlage für diese Corona-Maßnahmen aus.
© Quelle: dpa
Kritisch sieht Witzke auch Massenveranstaltungen wie das Bundesligaspiel in Dortmund, bei dem am Samstag mehr als 80.000 Menschen auf engem Raum zusammenkommen: „Statistisch sind unter den Zuschauern 600 bis 1000 positiv. Danach werden wir sicherlich Hunderte Infizierte zusätzlich haben, quasi mit Vorankündigung.“
Ärztekammer: „Es wird keine Atempause geben“
Der Bremer Epidemiologe Hajo Zeeb fürchtet eine Überlastung der Intensivstationen durch Personalmangel. Vielerorts werde das Personal knapp, weil 20 bis 25 Prozent der Beschäftigten coronabedingt ausfielen. „Das ist ein Problem und das wird sich mit den Lockerungen noch verschärfen“, sagte Zeeb am Mittwoch dem Evangelischen Pressedienst (epd). Er rechne damit, dass die Welle frühestens Ende April abflauen werde. „Aber einen erneuten Anstieg im Herbst und Winter kann man als sicher annehmen.“
Das Robert Koch-Institut geht in seinem Wochenbericht davon aus, dass der Höhepunkt der aktuellen Corona-Welle wahrscheinlich erreicht oder sogar schon überschritten ist. Der weitere Pandemieverlauf hänge aber nach wie vor davon ab, ob sich größere Teile der Bevölkerung auch bei Lockerungen staatlich angeordneter Maßnahmen weiterhin umsichtig und rücksichtsvoll verhielten.
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„Es wird keine Atempause geben“
Die Vorstandsvorsitzende der Landeskrankenhausgesellschaft Thüringen, Gundula Werner, verwies ebenfalls auf die hohe Belastung der Kliniken mit Blick auf viele Personalausfälle wegen Quarantäne oder Krankheit. „Eine rasant zunehmende Corona-Belegung in dieser Pandemiewelle trifft nun auf deutlich weniger vorhandenes Personal in den Kliniken“, erklärte Werner. „Corona hat auch bei den Beschäftigten in den Kliniken Spuren hinterlassen.“
Corona-Experten warnen vor steigenden Todeszahlen
Bereits am Dienstag hatte Christian Drosten in der vorerst letzten regulären Folge des Podcasts „Coronavirus-Update“ düstere Prognosen getroffen: Er gehe davon aus, dass sich demnächst die Intensivstationen stärker füllen und mehr Todesfälle zu verzeichnen sein werden – möglicherweise bis etwa Mitte Mai. Denn man erkenne einen linearen Anstieg bei den Krankenhauseinweisungen und eine Verlagerung zu höheren Altersgruppen, erklärte er.
Die Frankfurter Virologin Sandra Ciesek fügte hinzu, wenn die Infektionszahlen stiegen, sei es „natürlich schlecht, wenn man dann noch zusätzlich Maßnahmen aufhebt und damit das noch ankurbelt“. Sie empfahl ausdrücklich, auch weiterhin Masken zu tragen – etwa in Situationen, in denen es eng wird und in schlecht belüfteten Innenräumen.
Bevölkerung und Politik verunsichert
Die Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland blickt einer Umfrage zufolge mit Sorge auf das Ende vieler Corona-Schutzmaßnahmen am Wochenende. 58 Prozent der Befragten zeigten sich besorgt über das Auslaufen der Maskenpflicht an den meisten Orten oder der 2G- und 3G-Maßnahmen, wie aus der am Freitag veröffentlichten Erhebung des Instituts YouGov hervorgeht.
Schon der Beschluss der Bundesregierung, die meisten Corona-Regeln aufzuheben, war in den Ländern auf breiten Protest gestoßen. Nach einer Übergangsfrist bis zum 2. April können sie weitergehende Beschränkungen mit mehr Maskenpflichten und Zugangsregeln nur noch verhängen, wenn das Landesparlament für Hotspots eine kritische Lage feststellt. Bisher machen nur Mecklenburg-Vorpommern und Hamburg Gebrauch von dieser Regelung.
RND/ml/dpa/epd