Die dritte Boosterdosis: Wie lange hält der Impfschutz – und braucht es die Auffrischung wirklich?

Acht Fragen und Antworten zum Immunschutz, Altersgruppen­unterschieden – und den Impfstoffen der nächsten Generation.

Acht Fragen und Antworten zum Immunschutz, Altersgruppen­unterschieden – und den Impfstoffen der nächsten Generation.

Zweimal werden Menschen bislang mit den mRNA-Impfstoffen von Biontech/Pfizer oder Moderna für den vollen Schutz geimpft. Auch bei Astrazeneca sind zwei Impfdosen erforderlich, nur bei Johnson & Johnson ist es eine. Wie wichtig die vollständige Impfung ist, zeigt die aktuelle Datenlage zur Delta-Variante: Nur danach kann ein ausreichender Schutz vor Covid-19 durch die Impfung garantiert werden.

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Inzwischen mehren sich jedoch Studien, die darauf hindeuten, dass der impfinduzierte Immunschutz bei bestimmten Gruppen wie vor allem immungeschwächten Menschen, Hochbetagten und Pflegebedürftigen mit der Zeit nachlassen könnte. Eine Möglichkeit zur Auffrischung ist die sogenannte Booster-Impfung, also das Verabreichen einer dritten Dosis. Neun Fragen und Antworten zum Vorhaben der Impfkampagne, Forschungsstand und auch Wissenslücken.

1) Für wen soll die Booster-Impfung angeboten werden?

Bayern beginnt bereits mit Auffrischungsimpfungen für Ältere und Pflegebedürftige. Dies gilt vor allem für über 80-Jährige, Bewohner und Bewohnerinnen von Pflegeheimen, Menschen mit Immunschwäche-Erkrankungen oder Immunsuppression und Pflegebedürftige, die zu Hause leben. In Thüringen sollen ab September bis zu 51.000 Pflegebedürftige in den Einrichtungen eine dritte Impfung bekommen. Und auch in Berlin ist geplant, 200.000 Menschen ab September eine Corona-Auffrischungsimpfung zu ermöglichen – ebenfalls zunächst für Hochbetagte, Pflegebedürftige sowie Immungeschwächte.

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Wie sieht es aber mit dem Rest der Bevölkerung aus? Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) erwägt, allen Bürgerinnen und Bürgern eine Corona-Auffrischimpfung anzubieten. Nach den Booster-Impfungen in den Pflegeeinrichtungen und für besonders gefährdete Menschen könnten sich diejenigen noch einmal impfen lassen, die bislang nur Vektorimpfstoffe – dazu zählt etwa Astrazeneca – bekommen hätten. „In einem zweiten Schritt können wir dann darüber nachdenken, auch allen anderen eine Auffrischimpfung anzubieten”, sagte Spahn dem RND. „Eine Booster-Impfung ist von den Zulassungen gedeckt, sie verstärkt und verlängert den Impfschutz.” Auch sei Impfstoff ausreichend vorhanden.

2) Was sagen Corona-Experten zu den geplanten Booster-Impfungen?

Eine offizielle Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko) steht bislang noch aus. Ihr fehlen nach eigener Darstellung die dafür notwendigen Daten. Für die meisten Geimpften wird nach Überzeugung des Virologen Christian Drosten im Herbst keine Auffrischungsimpfung gegen das Coronavirus nötig sein. „Die Schutzwirkung der Corona-Vakzinen ist viel besser als beispielsweise bei den Influenza-Impfstoffen”, sagte er der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Auch das baldige Aufkommen einer neuen Virusvariante, die gegen die verfügbaren Impfstoffe resistent ist, erwartet er nicht.

Grundsätzlich ist Expertinnen und Experten zufolge eine Auffrischungs­impfung vor allem für „Low-Responder” sinnvoll, also für Menschen, die auf die vorherigen Corona-Impfungen nur geringfügig reagiert haben. „Die Wahrscheinlichkeit, dass unter den Hochbetagten oder in der Priogruppe eins Menschen sind, die weniger gut gegen Delta geschützt sind, ist relativ groß”, sagte Prof. Christine Falk, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, Anfang Juli dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Deshalb rät die Immunologin, lieber auf Nummer sicher zu gehen, und Personen aus diesen Gruppen ein drittes Mal zu impfen.

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Anders sehen das beispielsweise die Gesundheitsbehörden in den USA. Sie haben empfohlen, dass alle Amerikaner und Amerikanerinnen acht Monate nach ihrer zweiten Impfung mit dem Vakzin von Biontech und Pfizer oder Moderna eine weitere Dosis verabreicht bekommen. Es sei „sehr klar”, dass der Schutz der Vakzine gegen eine Infektion mit dem Coronavirus mit der Zeit abnehme, hieß es. Eine Auffrischungsimpfung sei besonders mit Blick auf die ansteckendere Delta-Variante angeraten.

Indem einige reichere Länder Impfungen horten, verspotten sie das Konzept der Impfgerechtigkeit.

Matshidiso Moeti

Afrika-Direktorin der WHO

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) kritisierte hingegen die Einführung von Auffrischungsimpfungen im großen Stil. Die Booster-Impfungen in einigen Ländern gefährdeten das Versprechen einer besseren Zukunft für Afrika, erklärte etwa Afrika-Direktorin Matshidiso Moeti. „Indem einige reichere Länder Impfungen horten, verspotten sie das Konzept der Impfgerechtigkeit.”

3) Wie lange hält der Immunschutz?

Das ist die gegenwärtig große Frage der Wissenschaft – und sie ist noch nicht eindeutig zu beantworten. Forschende wissen noch nicht genau, welche Komponenten des Immunsystems wirklich dafür verantwortlich sind, vor einer Infektion beziehungsweise Erkrankung zu schützen. Es gibt auch nicht den einen Wert, der das bei den zugelassenen Impfstoffen anzeigt. Deshalb hat ein Bluttest auf Antikörper auch keine Aussagekraft zum Immunschutz.

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Das hat zwei Gründe: Zum einen ist nach wie vor unklar, zu welchem Grad die Titer neutralisierender Antikörper mit einem Schutz vor einer Reinfektion oder einer schweren Covid-19-Erkrankung korrelieren. Zum anderen ist ungewiss, inwiefern eine Reihe weiterer Mechanismen, die für eine gezielte Abwehr sorgen können, nach der Impfung aktiviert werden – etwa durch B-Gedächtnis­zellen und T-Killer-Zellen. Das Gute: Selbst wenn die Titer abnehmen, komplett ungeschützt werden Geimpfte wohl vorerst nicht mehr gegen den Erreger sein.

Die mRNA-Impfstoffe sind die ersten, die seit vergangenem Sommer klinischen Studien unterzogen worden sind. Das ist also auch der früheste Startpunkt für Untersuchungen. Nach einem Jahr ließ sich in ersten größeren Studien zeigen, dass die T-Zell-Antwort noch solide ausfällt und auch weiterhin neutralisierende Antikörper gebildet werden. Impfstoff­expertinnen und -experten gehen deshalb davon aus, dass zumindest bei den Jüngeren ein Immun­schutz länger anhalten könnte.

Die Frage ist eben nur, wie stark er dann noch für wie lange bei welcher Virusvariante ausfällt – und bei wem. Vor wenigen Wochen zeigte sich der Hersteller Biontech/Pfizer beispielsweise noch zuversichtlich, dass mit einem Langzeit­schutz zu rechnen sei. Inzwischen ist hingegen die Rede davon, dass von einem Rückgang der Schutzwirkung des Vakzins nach einem halben Jahr auszugehen ist. „Wie anhand der vom israelischen Gesundheits­ministerium erhobenen Daten aus der praktischen Anwendung bereits deutlich wurde, sinkt die Schutz­wirkung des Impfstoffs gegenüber Infektionen und symptomatischen Erkrankungen sechs Monate nach der zweiten Impfung“, hieß es Anfang Juli in einer gemeinsamen Mitteilung.

Inzwischen hat Biontech erste Daten für die Zulassung einer Auffrischungsimpfung gegen das Coronavirus bei der US-Arzneimittelbehörde FDA eingereicht. In den kommenden Wochen sollten die Daten einer Phase-1-Studie auch bei der Europäischen Arzneimittelagentur EMA und weiteren Behörden eingereicht werden. Die Teilnehmer hätten acht bis neun Monate nach der zweiten Dosis eine Auffrischungsimpfung erhalten, hieß es. Im Vergleich zu einer zweifachen Impfung hätten bei den Menschen mit Auffrischungsimpfung „signifikant höhere neutralisierende Antikörpertiter” nachgewiesen werden können.

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4) Und wie sieht es bei den Genesenen aus?

Erste Hinweise zum Immun­schutz bei Covid-19 liefern auch Untersuchungen mit Genesenen. Mindestens sechs Monate nach Symptombeginn war in mehreren Studien noch eine ausreichend hohe Anzahl an relevanten Antikörpern bei ihnen vorhanden, in einer neueren sogar elf Monate danach. Jedoch ließ sich bei einigen Untersuchungen auch zeigen, dass mit der Zeit wohl weniger dieser Antikörper vorhanden sind, insbesondere bei Personen mit milder oder asymp­toma­tischer Infektion.

Das RKI resümiert dazu in seinem Steckbrief zum Coronavirus: „Auch wenn diese Ergebnisse keine protektive Immunität beweisen, legt der Nachweis potenter neutralisierender Antikörper einen Schutz vor schweren Krankheitsverläufen mit erhöhter Überlebenswahrscheinlichkeit nahe.“ Eine „Auffrischung“ wird bei Genesenen quasi schon angeboten, um Reinfektionen zu vermeiden.

Um einen ausreichenden Immun­schutz zu garantieren, empfiehlt die Ständige Impf­kommission (Stiko) Genesenen nach symptomatischer Infektion eine Impfstoff­dosis sechs Monate nach akuter Erkrankung. Auch vier Wochen nach Infektion ist eine Impfung inzwischen aber möglich – insbesondere nach gesichert asymptomatischer Infektion.

5) Was ist überhaupt ein Booster?

Der Booster­effekt ist quasi eine Erinnerung für bestimmte Teile des Immun­systems. Durch den erneuten Kontakt mit dem Antigen können Gedächtniszellen und Antikörper dann wieder schneller reagieren, um den Erreger zu erkennen und zu neutralisieren. Ausgelöst werden kann der Effekt durch eine erneute Infektion – oder eben eine Auffrischungs­impfung. Bei Covid-19 kommen da mehrere Strategien infrage:

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Die dritte Dosis: Entweder das bereits zugelassene Mittel wird noch einmal verimpft. Oder der Hersteller selbst entwickelt eine abgewandelte Folgeimpfung, angepasst auf das vorab verabreichte Mittel. Daran arbeiten die großen Impfstoffhersteller sowieso schon seit Monaten unter Hochdruck. Der Vorteil dabei: Es kann auf neue Virus­varianten reagiert werden. Aber das braucht Zeit und Flexibilität – zumal regelmäßig neue Mutationen und Virus­linien entstehen.

Die Kombi­-Impfung: In Deutschland ist ein Mix zwischen Vektor­impfstoff und mRNA-Vakzin bereits Praxis. Wer beispielsweise Astrazeneca erhalten hat, kann sich beim zweiten Impftermin auch mit Biontech oder Moderna impfen lassen – wie von der Ständigen Impf­kommission empfohlen. Dass das Verfahren in dieser Kombination wirksam, sicher und verträglich ist, haben mehrere Studien inzwischen zeigen können. So ein heterologes Impfschema ist auch bei einer Auffrischung denkbar.

6) Was haben neue Varianten mit Auffrischungen zutun?

Die Delta-Variante dominiert hierzulande und vermindert den Impfschutz vor einer Infektion. Ein Schutz vor schwerem Covid-19 ist bei den zugelassenen Impfstoffen zwar noch ausreichend, wenngleich vermehrt mit Impfdurchbrüchen zu rechnen ist. Auch wenn der Impfschutz gegen Erkrankung über die Zeit hinweg noch ausreichend ausfallen sollte, planen Politik und Wissenschaft deshalb mit unterschiedlichen Strategien, um die Impfstoffe auf neue Varianten anpassen zu können oder wahlweise den Immunschutz mit bestehenden Impfstoffen aufzufrischen – zumal in mehreren Studien bereits sinkende Anti­körper­spiegel bei Geimpften registriert werden.

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7) Braucht es für die Auffrischung eine neue Zulassung?

Für die Boosterimpfungen mit den derzeit verfügbaren mRNA-Impfstoffen reichen die im Rahmen der Zulassung geprüften Daten aus. Geht es aber um abgeänderte und auf neue Varianten angepasste Impfstoffe, müssen vorab ebenfalls umfangreiche klinische Studien durchlaufen werden. Die Daten werden dann auch erneut von den europäischen Zulassungs­behörden einer Prüfung unterzogen. Es handelt sich dabei nicht um eine komplette Neuzulassung. Um mehr Flexibilität zu gewährleisten, hat die Kommission nach eigenen Angaben das Regulierungs­verfahren geändert, um die Zulassungen zu beschleunigen.

Der Datenbedarf werde beispielsweise reduziert, Daten könnten auch nachträglich ergänzt werden. „Angepasste Impfstoffe müssen jedoch weiterhin die Datenanforderungen der EMA gemäß ihren neuen Leitlinien erfüllen, und die EMA führt eine fortlaufende Überprüfung durch“, heißt es auf der Homepage der Europäischen Kommission. Der Impfstoff­hersteller Biontech/Pfizer hat bereits angekündigt, die Zulassung einer dritten Impfung in Europa beantragen zu wollen.

8) Ist die dritte Impfung mit den vorherigen Corona-Impfstoffen unbedenklich?

Bisher fehlen die Daten, ob – bei Notwendigkeit einer Auffrischimpfung – diese mit einem anderen Impfstofftyp vorteilhaft ist. Die Beantwortung dieser Fragen hängt laut Robert Koch-Institut von verschiedenen Faktoren ab, wie der Dauer des Impfschutzes nach primärer Impfserie, der Wirkweise des Impfstoffs, möglicher Immunitätsentwicklung gegen Impfstoffkomponenten oder der Wirksamkeit gegen neue Virusmutationen.

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Man könne aber sagen, dass aus immunologischer Sicht nach aktuellem Kenntnisstand nichts dagegen spreche, zu einem späteren Zeitpunkt mit einem anderen Covid-19-Impfstoff geimpft zu werden. Sei es, um einen mit der Zeit nachlassenden Impfschutz aufzufrischen oder um einen bestehenden, eventuell aber begrenzten Impfschutz zu verbessern – etwa wegen neuer Virusvarianten.

mit dpa

Wir haben diesen Artikel am 20. August 2021 aktualisiert.

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