Covid-19: Wird es einen Impfstoff für alle Menschen geben?
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Eine Spritze.
© Quelle: Friso Gentsch/dpa
Die Ausbreitung des Coronavirus hat einen globalen Wettlauf in Gang gesetzt: Welches Land schafft es zuerst, einen Impfstoff gegen den Sars-CoV-2-Erreger zu entwickeln? Optimistische Prognosen stellen eine effektive Immunisierung in zwölf bis 18 Monaten in Aussicht. Sollte der medizinische Durchbruch im kommenden Jahr wirklich gelingen, steht eine der wichtigsten Fragen allerdings noch aus: Wie gelingt es, einen Impfstoff für die ganze Welt herzustellen, der auf alle Länder gleichmäßig verteilt wird?
Produktionsengpässe könnten drohen
Welche Produktionsanlagen benötigt werden, sei abhängig davon, welche Art von Impfstoff gegen das Coronavirus am besten wirkt, schreibt die Wissenschaftsjournalistin Roxanne Khamsi im Nature-Magazin. “Aber wenn Milliarden von Menschen einen neuartigen Impfstoff gegen das Coronavirus benötigen und die Firmen gleichzeitig die üblichen Impfstoff-Dosen gegen Grippe, Masern, Mumps, Röteln und andere Krankheiten herstellen, könnte es zu einem Produktionsengpass kommen”, warnt David Heymann, Spezialist für Infektionskrankheiten an der London School of Hygiene and Tropical Medicine.
Zudem könnte die Gefahr bestehen, dass reiche Länder Impfstoff-Vorräte anlegen und so keine gerechte Verteilung mehr möglich ist. Deshalb arbeitet die Weltgesundheitsorganisation derzeit an einem Plan zur gerechten Verteilung von Impfstoffen. “Im Fall einer Pandemie ist es das Letzte, was wir wollen, dass Impfstoffe ausschließlich den Ländern zur Verfügung stehen, die sie selbst herstellen, und somit nicht universell verfügbar sind", sagt Wirtschaftswissenschaftlerin Mariana Mazzucato, die das University College London Institut für Innovation und öffentliche Zwecke leitet.
Curevac will jährlich bis zu 400 Millionen Impfdosen herstellen
Die erste Möglichkeit, einen Corona-Impfstoff herzustellen, ist inaktivierte Formen von Sars-CoV-2 zu verwenden. Für die Produktion könnten die entsprechenden Einrichtungen jedoch eine Biosicherheitsstufe-3-Zertifizierung benötigen. Nur wenige Unternehmen haben eine solche Zertifizierung, deshalb ist diese Impfstoff-Herstellung mit der Zeit immer mehr in den Hintergrund gerückt.
Vielversprechender könnte dagegen die Variante sein, RNA- oder DNA-Sequenzen in den menschlichen Körper zu injizieren, die unsere Zellen dazu veranlassen, eines der Sars-CoV-2-Proteine zu produzieren. Auf diese Methode setzt unter anderem das deutsche Unternehmen Curevac, das zuletzt verkündete, “pro Jahr zwischen 200 und 400 Millionen Impfdosen” gegen das Coronavirus herstellen zu wollen.
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Das deutsche Unternehmen Curevac will RNA- oder DNA-Sequenzen nutzen, damit im menschlichen Körper Sars-CoV-2-Proteine hergestellt werden.
© Quelle: Sebastian Gollnow/dpa
Subunit-Impfstoffen könnten Inhaltsstoffe ausgehen
Finanzielle Unterstützung erhielt die Firma auch von der Coalition for Epidemic Preparedness Innovations (CEPI) aus Oslo. Diese wurde 2017 in Davos ins Leben gerufen, um Impfstoffe gegen Epidemien zu entwickeln. “Dank der finanziellen Mittel von CEPI sind wir in der Lage, die Bekämpfung von derartigen Gesundheitsgefahren noch besser unterstützen zu können”, sagte Mariola Fotin-Mleczek, Chief Technology Officer bei Curevac.
Eine dritte Methode wären so genannte “Subunit-Impfstoffe”. Diese bestehen aus einem Sars-CoV-2-Protein und meist einem Adjuvant – also einem Molekül, das die Immunantwort des Körpers verstärkt. “Diese Impfstoffe könnten Inhaltsstoffe erfordern, die während einer Pandemie knapp werden könnten, wie zum Beispiel spezifische Lipide”, sagt Jaap Venema, Chief Science Officer der US Pharmacopeia (USP). Die Nichtregierungsorganisation in Rockville (Maryland) hilft bei der Festlegung von Qualitätsstandards für Arzneimittel.
Pflanzliche Impfstoff-Herstellung ist stärker reglementiert
Auch Pflanzen könnten zur Herstellung eines Impfstoffes genutzt werden. Die Firma British American Tobacco hatte im April verkündet, Impfstoffe mithilfe einer schnell wachsende Tabakpflanzen-Technologie herzustellen. Diese Methode biete gegenüber herkömmlichen Impfstoffherstellungs-Technologien den Vorteil, dass Tabakpflanzen keine Krankheitserreger aufnehmen können, die auf den Menschen übertragbar sind.
Venema gab jedoch zu bedenken, dass Impfstoffe auf pflanzlicher Basis zusätzliche regulatorische Hürden überwinden müssen. Dadurch könnte der Herstellungsprozess nur geringfügig beschleunigt werden.
Zwei Milliarden US-Dollar für Corona-Impfstoff
Hinzu kommen für alle Impfstoff-Herstellungen hohe finanzielle Kosten. Laut CEPI werden rund zwei Milliarden US-Dollar benötigt, um die Entwicklung eines Impfstoffs gegen Covid-19 zu fördern. Es könnten aber noch mehr Gelder notwendig sein, um Unternehmen dabei zu helfen, ihre Produktionen zu erweitern und zu vergrößern, sagte CEPI-Chef Richard Hatchett gegenüber STAT.
Zum Problem könnte auch die gerechte Verteilung des Impfstoffes werden. “In den meisten Ländern wurden Gesetze erlassen, die es der Regierung erlauben, Hersteller zum Verkauf im Inland zu zwingen, und ich sehe keine Veränderung”, sagte Amesh Adalja vom Johns Hopkins Center für Gesundheitssicherheit in Baltimore gegenüber dem Fachmagazin Nature.
In ihrem Artikel bezieht sich Roxanne Khamsi auch auf Angaben der CEPI, die darauf verweist, dass es keine Einigung über Grundsätze und Regeln für ein faires Verteilungssystem gibt. Es gebe auch keine globale Einheit, die die Herstellung von Impfstoffen weltweit organisiert und dafür bezahlt.