Arbeiten trotz positiven Tests

Österreich schafft Corona-Isolationspflicht ab: Sollte Deutschland nachziehen?

Eine Frau sitzt im Bett in ihrer Wohnung: Corona-Infizierte müssen sich in Deutschland fünf Tage lang in Isolation begeben.

Eine Frau sitzt im Bett in ihrer Wohnung: Corona-Infizierte müssen sich in Deutschland fünf Tage lang in Isolation begeben.

„Verkehrsbeschränkungen“ – so nennt Österreich seine neuen Corona-Regelungen. Gemeint ist damit vor allem eines: das Ende der Isolationspflicht nach einem positiven Corona-Test. Wer sich mit dem Virus infiziert, muss sich ab sofort nicht mehr tagelang zu Hause abschotten. Stattdessen dürfen Infizierte, die sich nicht krank fühlen, das Haus verlassen. Allerdings müssen sie eine FFP2-Maske tragen – außer sie halten sich draußen auf und halten zu anderen einen Abstand von zwei Metern ein. Wer sich krank fühlt, solle hingegen zu Hause bleiben, appellierte der österreichische Gesundheitsminister, Johannes Rauch (Grüne).

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Auch Arbeiten soll mit positivem Test möglich sein. Aber nur in Berufen, in denen eine Maske getragen werden kann. Für einen Besuch im Krankenhaus sowie in Pflege-, Behinderten- und Kureinrichtungen braucht es hingegen weiter einen negativen Test. Die Entscheidung, die Isolationspflicht abzuschaffen, sei gerade mit Blick auf die psychischen und sozialen Folgen der Corona-Krise gefallen, sagte Rauch.

Österreich ist nicht das einzige Land, das Infizierten mehr Freiheiten erlaubt. Dänemark, Norwegen, Großbritannien, Spanien und die Schweiz haben ebenfalls die Isolationspflicht aufgehoben. Und was ist mit Deutschland? Wäre ein Ende der Isolationspflicht auch hierzulande denkbar? Ein Überblick.

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Was gilt für Corona-Infizierte in Deutschland?

In Deutschland müssen sich Corona-Infizierte nach wie vor zu Hause isolieren. Die Dauer der Isolation ist auf fünf Tage begrenzt. Danach, so empfiehlt es das Robert Koch-Institut, sollte ein Antigenschnelltest durchgeführt werden, um sicherzustellen, dass sich das Virus nicht mehr nachweisen lässt. Ist der Test noch positiv, sollte die Isolation vorsichtshalber so lange fortgesetzt werden, bis das Ergebnis negativ ist. Es handelt sich hierbei um eine dringende Empfehlung, und keine Pflicht.

Eine Ausnahme stellen Beschäftigte im Gesundheitswesen, in Alten- und Pflegeheimen sowie in der ambulanten Pflege dar. Sie sind dazu verpflichtet, einen negativen Antigenschnelltest oder PCR-Test vorzuweisen, um die Isolation verlassen zu können. Dieser sollte frühestens am fünften Tag der Isolation durchgeführt werden, wenn zuvor 48 Stunden Symptomfreiheit bestand.

Wie steht die Bundesregierung zu einem Ende der Isolationspflicht?

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat ein Ende der Isolationspflicht ausgeschlossen. „Es gibt im Moment epidemiologisch keine Gründe für die Aufhebung der Isolationspflicht“, sagte er vergangene Woche in der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“. Pro Tag würden zurzeit rund 100 Menschen im Zusammenhang mit Covid-19 versterben. Müssten sich Infizierte nun nicht mehr isolieren, sei zu erwarten, dass die Fallzahlen weiter steigen – und damit auch die Todesfälle. Ebenso sei mit mehr Long-Covid-Fällen zu rechnen, also Spätfolgen nach einer Corona-Infektion. „Also muss man vorsichtig sein“, sagte der Minister. Auch die Grünen wollen die Isolationspflicht beibehalten.

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Doch nicht alle Koalitionspartner sind der gleichen Meinung wie Lauterbach. Der Wunsch, die Isolationspflicht aufzuheben, wächst vor allem unter den Mitgliedern der FDP. „Die Isolierungsdauer von Patienten mit Covid-19 sollte nicht mehr von staatlicher Seite fixiert sein“, sagte etwa der Gesundheitsexperte der Partei, Andrew Ullmann. „So können wir zu einer gewissen Normalität und Unaufgeregtheit zurückkehren.“ Er schlug vor, dass die Isolationsdauer künftig eine medizinische und individuelle Entscheidung sein soll. Eigenverantwortung statt Pflicht.

Für wie angemessen halten Corona-Expertinnen und -Experten die Isolationspflicht?

Auch unter Corona-Fachleuten herrscht bei diesem Thema Uneinigkeit. Der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Gassen, sprach sich für ein Ende der Isolationspflicht aus, um aktuelle Personalengpässe in den Kliniken zu entschärfen. Denn viele Mitarbeitende im Gesundheitswesen fallen zurzeit aus, weil sie sich mit dem Coronavirus infiziert haben und in Isolation müssen. Gassens Vorschlag: „Wer krank ist, bleibt zu Hause. Wer sich gesund fühlt, geht zur Arbeit. So halten wir es mit anderen Infektionskrankheiten wie der Grippe auch“, sagte er vergangene Woche der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. „Wir müssen zurück zur Normalität.“

Der Bonner Virologe Hendrik Streeck hält die Isolationspflicht ebenfalls für wenig sinnvoll. Sie könne nur noch „sehr wenig erreichen“, sagte er im Gespräch mit dem Fernsehsender N-TV. „Wir sind eben nicht mehr in der Phase des Containments, also nicht mehr in der Phase des Eindämmens von Infektionen.“ Man müsse nicht mehr versuchen, jede Infektion zu verhindern, sondern Ziel müsse sein, die vulnerablen Gruppen zu schützen.

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Streeck, der Mitglied des Corona-Expertenrats der Bundesregierung ist, sieht dafür eine vierte Impfung als beste Lösung an. Diese empfiehlt die Ständige Impfkommission zurzeit allen über 70-Jährigen, Bewohnerinnen und Bewohnern sowie Beschäftigten von Pflegeeinrichtungen und immungeschwächten Menschen.

Doch es gibt auch mahnende Stimmen: den Epidemiologen Timo Ulrichs von der Berliner Akkon-Hochschule für Humanwissenschaften zum Beispiel. Er bezeichnete die Forderung von Kassenärzte-Chef Gassen als „fahrlässig“. Die Isolationspflicht aufheben zu wollen, sei das falsche Signal und öffne dem Coronavirus Tür und Tor. „Damit wären wir für die Herbst- und Wintersaison noch schlechter aufgestellt als ohnehin schon“, sagte Ulrichs dem Nachrichtenmagazin „Focus“. „Die jetzige Isolationsdauer sollte unbedingt beibehalten werden, damit wir wenigstens über diesen Weg die Virusausbreitung einigermaßen kontrollieren werden.“

Wenn wir jetzt sagen, dass jeder wiederkommen kann, wenn er sich gut fühlt, werden wir auch mehr Infektionen bei Patienten oder Mitarbeitenden in den Kliniken sehen.

Stefan Kluge, Direktor der Klinik für Intensivmedizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf

Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, warf Gassen „Opportunismus“ vor. „Die Isolation schützt. Denn so wird verhindert, dass sich andere anstecken.“ Er verwies auf Long- und Post-Covid. Unterstützung erhält Brysch vom Vorsitzenden des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery. „Die Aufhebung von Quarantäneregeln aus Arbeitsmarktgründen ist aus ärztlicher Sicht nicht zu vertreten“, sagte er der „Rheinischen Post“ (Online/Print Montag). „Unsere Aufgabe ist es, Menschen vor Krankheit, Leid und Tod zu bewahren.“

Ein Ende der Isolationspflicht könnte vor allem die Kliniken noch stärker belasten. „Wenn wir jetzt sagen, dass jeder wiederkommen kann, wenn er sich gut fühlt, werden wir auch mehr Infektionen bei Patienten oder Mitarbeitenden in den Kliniken sehen“, ist Stefan Kluge überzeugt. Der Direktor der Klinik für Intensivmedizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf könnte sich aber eine berufsspezifische Isolationspflicht vorstellen.

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Die Idee dahinter: „Wer außerhalb des Gesundheitssystems beispielsweise im Freien arbeitet und kaum engen Kontakt zu anderen Menschen hat, der könnte theoretisch auch mit einem positiven Test arbeiten, wenn er sich gut fühlt“, erläuterte Kluge gegenüber dem Science Media Center. In anderen Berufen, wo Menschen eng zusammenarbeiten – zum Beispiel in Großraumbüros – oder mit Risikopersonen zu tun haben wie in Krankenhäusern oder Pflegeheimen, bleibt eine Isolationspflicht hingegen unverzichtbar.

mit Material der dpa

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