Corona in Deutschland: Müssen Risikogruppen besser geschützt werden?
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Gerade ältere Menschen haben ein hohes Risiko, schwer an Covid-19 zu erkranken.
© Quelle: Manu Fernandez/AP/dpa
Berlin. Mit einem Teillockdown will Deutschland ab dem 2. November der zunehmenden Ausbreitung des Coronavirus entgegenwirken. Scharfe Kritik an diesem Vorgehen üben der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, sowie die beiden Virologen Prof. Hendrik Streeck und Prof. Jonas Schmidt-Chanasit. Nur wenige Stunden vor Bekanntgabe der Einigungen von Bund und Ländern präsentierten sie ein Positionspapier zur Strategieanpassung im Umgang mit der Corona-Pandemie.
Darin fordern sie unter anderem Maßnahmen, die in erster Linie Bevölkerungsgruppen mit hohem Erkrankungsrisiko schützen sollen. So könnten schweren Krankheitsverläufe vorgebeugt und die Auslastung der Intensivbetten reguliert werden. Doch wie soll dieser Schutz gewährleistet werden?
Risikogruppen bezieht sich nicht nur auf Alter
In dem Positionspapier der KBV werden vier Vorgehensweisen aufgeschlüsselt, die Risikogruppen schützen sollen:
- Besucher in Seniorenheimen, Pflegeheimen und Kliniken erhalten nur nach negativem Antigen-Schnelltest Zugang.
- Das Personal in den Einrichtungen wird regelmäßig auf Corona getestet.
- Besucher und Personal müssen in den Einrichtungen FFP2-Masken tragen.
- Nachbarschaftshilfen für Personen aus Risikogruppen sollen etabliert und Personen in Selbstisolation unterstützt werden.
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Die Vorschläge von Gassen, Streeck und Schmidt-Chanasit konzentrieren sich demnach vor allem auf den Schutz von älteren Menschen. Weitgehend unberücksichtigt bleiben Personen mit Übergewicht, Diabetes, Krebs, chronischen Nieren-, Lungen-, Herz- und Lebererkrankungen, die nach Angaben des Robert-Koch-Instituts ebenfalls ein hohes Risiko für schwere Krankheitsverläufe haben.
Auch die Idee, Besucher von Seniorenheimen, Pflegeheimen und Kliniken mithilfe von Antigentests auf Corona zu testen, ist derzeit noch eine Herausforderung. Denn die Schnelltests sind noch nicht flächendeckend verfügbar. Berücksichtigt werden muss auch, dass die Tests gerade in den Anfangstagen und im späteren Verlauf der Infektion weniger zuverlässig sind als die PCR-Methode.
Lauterbach: Konzept nicht falsch, aber auch keine Lösung
Die Virologin Isabella Eckerle von der Universität Genf kritisiert in einem Twitter-Beitrag zudem, dass es „völlig unrealistisch“ sei, Risikogruppen zu isolieren. „Wie schützt man eine schwangere Mutter mit Schulkindern? Einen Krebspatienten, der arbeiten muss? Eine Krankenschwester mit Diabetes? Einen jungen Übergewichtigen? Bei hoher Viruszirkulation funktioniert kein Schutz mehr!“
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Auch Karl Lauterbach bemängelt das Konzept der KBV: „Es beantwortet nicht die Frage, wie man bei der Dynamik der zweiten Welle kompletten Lockdown in Kürze verhindern will. Wenn man dem Konzept gefolgt wäre, hätte man nur entscheidende Zeit verloren.“ Das Positionspapier sei zwar nicht falsch, aber auch keine Lösung, schrieb der SPD-Gesundheitsexperte auf Twitter.
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Fehlt ein Bekenntnis zum Schutz von Risikogruppen?
Lauterbach moniert zudem, dass es eine „gefährliche Illusion“ sei zu glauben, dass der Schutz von Risikogruppen die Ausbreitung des Coronavirus in Deutschland beherrschbar mache. Risikogruppen würden nur 40 Prozent der Bevölkerung ausmachen.
In Hinblick auf den neu beschlossenen Maßnahmenkatalog von Bund und Ländern fehlt dem Epidemiologen Gérard Krause hingegen ein klares Bekenntnis zum Schutz von Menschen mit höherem Erkrankungsrisiko. Es gebe einige Punkte, die sicherlich vernünftig und positiv seien, das Fehlen dieses Aspekts bereite ihm aber Sorgen, sagte der Wissenschaftler vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig der Deutschen Presse-Agentur.
Zum Schutz von Risikogruppen rät Krause: „Man kann sich überlegen, dass das Personal zunächst im Pflegebereich gestärkt wird. Man kann sich überlegen, dass das Personal ausreichend mit FFP2-Masken ausgestattet und gezielt im Umgang mit Covid-19 geschult wird. Man kann sich überlegen, die Besuchsregelung so auszugestalten, dass Personen im hohen Alter trotzdem noch Besuch bekommen können.“
mit dpa