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„Natürlich ist das Virus mal wieder schneller“

Wieso kommt die angepasste Omikron-Impfung so spät – und schützt sie dann überhaupt gegen BA.5?

Die große Stärke von mRNA-Impfstoffen: Im Labor lassen sich die Bestandteile einfacher als bisher auf neue Varianten hin anpassen.

Die große Stärke von mRNA-Impfstoffen: Im Labor lassen sich die Bestandteile einfacher als bisher auf neue Varianten hin anpassen.

Seit die erste Omikron-Linie im Januar begann, durch die ganze Welt zu kursieren, tüfteln die Impfstoffhersteller Biontech und Moderna in ihren Laboren an besser auf neue Varianten angepasste Impfstoffe. Dass das notwendig werden würde, hatte Biontech-Chef Ugur Sahin schon früh erkannt. „Die Variantenanpassung wird eine neue Wissenschaft sein“, prognostizierte er bereits zu einem Zeitpunkt, als die erste Impfkampagne in Deutschland gerade erst ins Rollen kam.

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Es war das große Versprechen der neuen mRNA-Technologie: Innerhalb von sechs Wochen sei so eine Anpassung grundsätzlich möglich. Erste Chargen eines neuen und besser schützenden Impfstoffs könnten innerhalb von 100 Tagen ausgeliefert werden, hieß es damals. Moderna gab ein ähnliches Zeitfenster an.

Inzwischen ist Juni 2022. Bund und Länder rechnen mit ersten Impfstofflieferungen frühestens im September. Und das Virus hat sich weiter verändert: Die Omikron-Linie BA.1 wurde von BA.2 abgelöst. Zudem treibt der noch übertragbarere Subtyp BA.5 die Ansteckungen hierzulande nach oben. Wo bleibt der angepasste Impfstoff – und nützt er angesichts neuer Varianten überhaupt noch?

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Wieso dauert die Impfstoffanpassung so lange?

Dass die angepassten Impfstoffe weiter auf sich warten lassen, hat unter anderem mit dem Zulassungsprozedere zu tun. Rein technisch haben die Hersteller Moderna und Biontech zwar schon Anfang des Jahres damit begonnen, eine neue auf Omikron gepolte Impfstoffversion zu entwickeln. Bei mRNA-Impfstoffen wird dafür ein Genabschnitt, der die Bauanleitung für das Spikeprotein darstellt, gegen einen neuen Abschnitt für das Spikeprotein der neuen Variante ausgetauscht. Das klappt relativ schnell. „Grundsätzlich ist es möglich, die mRNA-Sequenz zügig innerhalb weniger Tage anzupassen“, betont der Impfstoff-Hersteller Biontech in einem Statement.

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Mit Experimenten im Labor allein ist es aber nicht getan. „Was bisher am meisten Zeit für Biontech in Anspruch nahm, sind zusätzliche klinische Studien, in denen es vor allem um die Frage ging, ob der angepasste Impfstoff mono- oder bivalent sein sollte“, erklärt das Unternehmen. Das heißt also: Zum einen müssen die Hersteller entscheiden, ob sie Auffrischimpfungen anbieten, die speziell gegen Omikron-Linien wirken - oder aber gleich gegen mehrere Varianten auf einmal. Damit der Impfstoff produziert und an Deutschland ausgeliefert werden kann, braucht es zum anderen, ähnlich wie bei der ersten Corona-Impfkampagne, große vergleichende klinische Studien.

So wird garantiert, dass das Mittel sicher und verträglich ist – und wirksamer als bisherige Impfstoffe. Die Variantenimpfstoffe werden also momentan bereits an zahlreichen Freiwilligen getestet und die Ergebnisse mit dem ursprünglichen Mittel verglichen, wie der Verband für Arzneimittelforschung (vfa) auf seiner Homepage erläutert. Teilweise machen dieselben Probandinnen und Probanden mit wie bei den ersten Zulassungsstudien 2020, gab Biontech Ende Januar bekannt.

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Und auch danach wird noch nicht produziert. Sind ausreichend und vielversprechende Daten vorhanden, legen die Hersteller diese der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) vor. Sie beantragen eine Genehmigung für ihre Variantenimpfstoffe. Dann prüft die Behörde, die EU-Kommission genehmigt das Mittel schließlich final, wenn alles passt. Und erst dann produzieren die Hersteller im großen Stil ihre neuen Variantenimpfstoffe. Immerhin: Bei mRNA-Vakzinen sei die Umstellung dem vfa zufolge einfach, weil sich am Herstellungsverfahren fast nichts ändere. Vonseiten Biontech selbst heißt es, die Produktionsanlagen könnten so umgestellt werden, dass erste Impfstoffe binnen drei Monaten verfügbar wären.

Wie weit sind Biontech und Moderna?

Die Europäische Arzneimittelagentur EMA rechnet bis September mit der Zulassung erster auf Omikron angepasster Impfstoffe. Biontech hat klinische Studien angeschoben, bislang aber noch keine Ergebnisse zum Stand der Dinge und zu seinem angepassten Variantenimpfstoff öffentlich gemacht. Erste Infos könnte es am 28. Juni geben, wenn die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA zu einem Meeting zusammenkommt. Moderna hat Anfang Juni erste Zwischenergebnisse aus der klinischen Phase II/III veröffentlicht – allerdings noch keine Originaldaten. Die Auffrischungsdosis enthält sowohl eine Spike-mRNA des ursprünglichen Impfstoffs als auch eine neue an die Omikron-Variante BA.1 angepasste.

Diese Kombination erzeugte dem US-Pharmakonzern zufolge bei Menschen ohne Anzeichen einer früheren Corona-Infektion 1,75-mal so viele neutralisierende Antikörper gegen Omikron wie der bestehende Impfstoff. Moderna gab in einer Pressemitteilung an, die Zwischenanalyse und die Daten den Aufsichtsbehörden „in den kommenden Wochen“ zur Überprüfung vorzulegen.

Schützen die auf Omikron angepassten Impfstoffe gegen BA.5?

Gesundheitsbehörden rechnen damit, dass sich in den kommenden Wochen deutschlandweit die Virusvariante BA.5 durchsetzt. Auch wenn immungesunde Geboosterte in der Regel noch gut geschützt bleiben vor Krankheit und Tod: Diese Omikron-Linie ist bekannt dafür, den Immunschutz noch einmal deutlicher zu umgehen als BA.1 und BA.2. Vor allem Menschen, die noch nicht dreifach geimpft sind, über 70-Jährige und Menschen mit Immunschwäche sind erneut gefährdeter für schweres Covid-19.

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Natürlich ist das Virus mal wieder schneller als die Impfstoffentwicklung.

Carsten Watzl,

Immunologe

Als die Impfstoffhersteller ihre angepassten Impfstoffe entwickelten, gab es diese Mutante allerdings noch nicht. Moderna und Biontech haben bislang auch noch keine Daten dazu veröffentlicht, wie gut der aktualisierte Impfstoff gegen BA.5 wirkt. Fachleute hoffen aber trotzdem auf Vorteile für besonders Gefährdete. „Natürlich ist das Virus mal wieder schneller als die Impfstoffentwicklung“, sagt Carsten Watzl, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie. „Aber der Unterschied zwischen BA.1 und BA.5 ist deutlich kleiner als der Unterschied zwischen dem Originalimpfstoff und BA.5.“

Daher habe auch ein an BA.1 angepasster Impfstoff noch viel Sinn. „Er stimuliert gerade die Immunzellen, die sowohl die Ursprungsvarianten als auch Omikron erkennen können. Daher wird durch angepasste Impfstoffe die Immunität variantenunabhängiger und kann auch vor zukünftigen Varianten einen Schutz bieten.“ Ähnlich sieht das Andreas Radbruch, wissenschaftlicher Leiter am Deutschen Rheuma-Forschungszentrum Berlin: „Noch besser wäre einer, der auch die Virusvariante BA.5 berücksichtigt, aber auch der BA.1-Impfstoff ist da schon besser als der Originalimpfstoff.“

Schützen die neuen Impfstoffe auch vor einer Corona-Infektion?

Der Schutz vor schwerem Covid-19 bleibt auch bei den Originalimpfstoffen noch hoch, auch gegen BA.5. Weniger gut schützt die Impfung bislang allerdings vor einer Infektion. Mehrere Studien zeigen, dass dafür relevante Antikörper bereits nach drei Monaten signifikant zurückgehen. Können die angepassten Impfstoffe da zukünftig womöglich besser vor einer Ansteckung schützen? In einer Pressekonferenz teilte Moderna mit, man könne noch nicht sagen, ob der angepasste Impfstoff einen dauerhafteren Immunschutz gegen Infektion biete als der bisherige. Biontech äußerte sich noch nicht.

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Da der neue Impfstoff prinzipiell gleich arbeite wie der alte, sei keine Verbesserung zu erwarten, sagt Corona-Experte Radbruch. „Der Schutz vor Infektion wird ähnlich gering und kurzfristig sein.“ Auch Watzl verspricht sich von der zweiten angepassten Boosterdosis keinen Durchbruch, erwartet aber trotzdem Vorteile. Auf lange Sicht könnten Impfungen, Auffrischungen und Corona-Infektionen in Kombination den besten Schutz bieten. Dabei ist von der sogenannten hybriden Immunität die Rede. „Geimpfte Personen mit einer Durchbruchsinfektion, die die vierte Impfung mit dem an Omikron angepassten Impfstoff erhalten haben, zeigen sehr hohe neutralisierende Antikörper gegen Omikron und sind daher auch wahrscheinlich sehr gut vor der Infektion und der Weitergabe des Virus geschützt“, erläutert der Immunologe.

Vierte Corona-Dosis: Warten oder jetzt schon boostern lassen?

Bund und Länder rechnen nicht vor September mit auf Omikron angepassten Impfstoffen – auch sie müssen auf grünes Licht seitens der EMA warten. Zudem hat die Ständige Impfkommission (Stiko) angekündigt, zum Herbst ihre Impfempfehlung zu aktualisieren. Aktuell steigen aber bereits die Infektionszahlen. Es wird wieder wahrscheinlicher, sich mit Corona anzustecken, gerade auch, weil die letzte Auffrischungsdosis bei vielen Menschen inzwischen Monate zurückliegt.

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Weil über 70-Jährige und Menschen mit Immunschwäche das höchste Risiko für schweres Covid-19 tragen, auch nach dreifacher Impfung, empfiehlt die Stiko ihnen deshalb, bereits jetzt den Schutz mit einem zweiten Booster mit dem Originalimpfstoff zu erhöhen. Studien haben gezeigt, dass das Level neutralisierender Antikörper damit wieder deutlich anstieg. Geimpft wird mit den mRNA-Mitteln von Biontech oder Moderna – frühestens drei Monate nach der letzten verabreichten Dosis. Auch Menschen in Pflegeheimen und medizinisches Personal sollten sich ein viertes Mal impfen lassen. Eine Empfehlung für alle gibt es in Deutschland bislang nicht.

Wo kann ich mich informieren?

Anlaufstelle für Erst-, Zweit-, Dritt- und Viertimpfungen kann der Hausarzt oder die Hausärztin sein. Auch mobile Impfteams, Betriebsärztinnen und Betriebsärzte, Einrichtungen des öffentlichen Gesundheitsdienstes, Krankenhäuser, Impfzentren und Apotheken können gegen Covid-19 impfen.

Beraten lassen kann man sich auch bei der kostenlosen Hotline 116 117 der Kassenärztlichen Bundesvereinigung. Auch die Internetportale der Kommunen, Kreise und Bundesländer bieten Informationen. Eine weitere Anlaufstelle ist das vom Bundesgesundheits­ministerium betriebene Portal zusammengegencorona.de. Dort gibt es zum Beispiel eine interaktive Deutschland-Karte, in der man Links, Telefonnummern sowie konkrete Impfangebote findet.

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