Corona-Impfung: Vier Gründe, warum Geimpfte weiter vorsichtig sein sollten

Ein Mann zieht eine Spritze mit dem Corona-Impfstoff von Biontech/Pfizer auf.

Ein Mann zieht eine Spritze mit dem Corona-Impfstoff von Biontech/Pfizer auf.

Immer mehr Menschen in Deutschland sind inzwischen vollständig gegen Covid-19 geimpft. Das bedeutet, sie haben zwei Dosen eines zugelassenen Corona-Impfstoffs erhalten – oder im Fall des Vakzins von Johnson & Johnson eine Dosis. Der komplette Impfschutz entfaltet sich in der Regel erst zwei Wochen nach der letzten Impfung.

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Hierzulande haben laut Corona-Impfdashboard knapp 60 Prozent der Bürgerinnen und Bürger ihre Impfserie abgeschlossen – und gelten damit als vollständig geimpft. Und trotzdem empfiehlt das Robert Koch-Institut, „weiterhin dringend“, unabhängig vom Impf-, Genesenen- oder Teststatus das grundsätzliche Infektionsrisiko und das eigene unbeabsichtigte Verbreitungspotential von Sars-CoV-2 zu reduzieren.

In seinem wöchentlichen Lagebericht vom 26. August appelliert das RKI: „Deshalb sollten alle Menschen weiterhin die AHA+L-Regeln (Abstand, Hygiene, Alltag mit Maske und Lüften, Anmerkung der Redaktion) einhalten, unnötige enge Kontakte reduzieren und Situationen, bei denen sogenannte Super-Spreading-Events auftreten können, möglichst meiden.“

Geimpfte sollten demnach also angesichts des zunehmenden Infektionsgeschehens weiterhin vorsichtig sein. Denn die Gefahr des Coronavirus ist mit den Impfungen nur teilweise gebannt. Vier Gründe, warum Geimpfte jetzt nicht leichtfertig werden sollten:

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1. Es kann zu Impfdurchbrüchen kommen

Die Impfung schützt nicht zu 100 Prozent vor einer Ansteckung. Jedes Immunsystem reagiert anders auf Impfungen. Entsprechend kann es zu unterschiedlichen Immunreaktionen kommen. Medizinerinnen und Mediziner unterscheiden zwischen „High-Respondern” und „Low-Respondern”, also Menschen, die gut beziehungsweise schlecht auf eine Immunisierung reagieren. Wie die Immunantworten auf die Impfungen ausfallen, lässt sich im Vorfeld nicht vorhersagen.

Es kann also sein, dass Menschen vollständig gegen Covid-19 geimpft sind, sie sich aber bei einem Kontakt mit Sars-CoV-2 trotzdem infizieren und unter Umständen Symptome entwickeln. Die Rede ist dann von sogenannten Impfdurchbrüchen. Seit Anfang Februar verzeichnete das Robert Koch-Institut (RKI) in Deutschland insgesamt 18.333 solcher Infektionen nach vollständiger Impfung.

Man kann im Einzelfall auch noch an Covid-19 erkranken. Ein Blick in den wöchentlichen Lagebericht der Behörde vom 26. August zeigt: Von den insgesamt 101.990 seit dem 1. Februar hospitalisierten Covid-19-Fällen lassen sich 1220 wahrscheinlich auf einen Impfdurchbruch zurückführen. Bei den 10.189 Intensivpatientinnen und -patienten im selben Zeitraum waren 102 vermutlich vollständig geimpft und trotzdem schwer erkrankt. Bei den 21.865 dokumentierten Todesfällen war in 367 Fällen ein Impfdurchbruch der mögliche Grund.

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Aus den Zahlen lässt sich schlussfolgern, dass nur verhältnismäßig wenige Infektionen bei vollständig Geimpften schwer verlaufen. Aber sie können eben noch vorkommen. In der Regel scheinen die Durchbruchsinfektionen aber bislang glücklicherweise mit milderen Krankheitsverläufen einherzugehen.

Wir wussten von Anfang an, dass die Impfung nicht zu 100 Prozent wirksam ist.

Prof. Carsten Watzl, Immunologe am Leibniz-Institut für Arbeitsforschung der Technischen Universität Dortmund

Daten zu asymptomatischen Impfdurchbrüchen fehlen aber beispielsweise noch: „Solche Infektionen würden sich nur per Zufall detektieren lassen, weil sich Geimpfte kaum testen lassen”, sagte Prof. Carsten Watzl, Immunologe am Leibniz-Institut für Arbeitsforschung der Technischen Universität Dortmund. Und selbst bei symptomatischen Infektionen gebe es sicherlich noch eine Dunkelziffer: „Bei Geimpften besteht die Wahrscheinlichkeit, dass sie Symptome nicht mit Corona in Verbindung bringen, deswegen keinen Arzt aufsuchen und sich nicht testen lassen.”

Dass es bei vollständig Geimpften überhaupt zu Durchbruchsinfektionen kommt, findet der Immunologe nicht verwunderlich. „Wir wussten von Anfang an, dass die Impfung nicht zu 100 Prozent wirksam ist: Selbst in den Zulassungsstudien hatten sich vollständig Geimpfte infiziert”, machte er deutlich. Je mehr Menschen in Deutschland sich impfen lassen, desto häufiger würden auch Impfdurchbrüche auftreten.

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Vor allem bei älteren Menschen, die auch vergleichsweise häufiger schwer an Covid-19 erkranken, kommt es scheinbar zu Durchbruchsinfektionen. Den Anteil der Impfdurchbrüche unter allen symptomatischen Covid-19-Fällen, die seit dem 1. Februar gemeldet wurden, gibt das RKI in der Altersgruppe der über 60-Jährigen mit 2,6 Prozent an. Bei den 18- bis 59-Jährigen liegt der Wert hingegen bei 1,8 Prozent, bei den Zwölf- bis 17-Jährigen bei 0,17 Prozent.

Die Prozentzahlen verdeutlichen aber auch, dass Impfdurchbrüche in Deutschland bislang nur selten vorgekommen sind. Das heißt, das Risiko für Geimpfte, sich erneut mit dem Coronavirus zu infizieren und eventuell zu erkranken, ist gering – aber eben nicht gleich Null.

2. Die Impfung ist kein garantierter Langzeitschutz

Vollständig geimpft und dann lebenslänglich vor dem Coronavirus geschützt sein – das wäre ideal. Inzwischen legen allerdings mehrere internationale Studien nahe, dass die Schutzwirkung der Impfungen mit der Zeit nachlassen kann.

Jüngste Erkenntnisse zum Schutz vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus lieferte eine Untersuchung des King’s College London. Die Forschenden hatten Testergebnisse von mehr als 1,2 Millionen Probandinnen und Probanden ausgewertet, die zwischen Dezember 2020 und Juli 2021 geimpft worden waren. Als Referenzpunkt nahmen sie die in ihrer Studie ermittelte Schutzwirkung einen Monat nach der zweiten Impfdosis, die bei Biontech bei 88 Prozent und bei Astrazeneca bei 77 Prozent gelegen hat.

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Das Team aus Forschenden kam zu dem Ergebnis, dass der Schutz vor einer Infektion bereits einige Monate nach der vollständigen Impfung etwas nachlässt. Beim Biontech-Impfstoff habe er innerhalb der nächsten vier Monate um 14 Prozentpunkte auf 74 Prozent abgenommen, beim Astrazeneca-Vakzin waren es 10 Prozentpunkte innerhalb von drei Monaten. Der Schutz vor einer Ansteckung lag dann bei 67 Prozent.

Entscheidend dürfte allerdings auch die Dauer des Schutzes vor einem schweren Krankheitsverlauf sein. Der Impfstoffforscher Prof. Leif Erik Sander von der Berliner Charité verweist in diesem Zusammenhang auf eine noch nicht begutachtete Studie aus Israel. Diese verdeutliche ebenfalls, dass die Wirksamkeit der Impfung mit der Zeit schwindet. Aber: Der Schutz vor einer schweren Erkrankung bleibe „sehr hoch”, wenngleich er bei Älteren und zuerst Geimpften etwas nachlasse, schrieb Sander auf Twitter.

Ein Grund, warum die Wirksamkeit der Impfungen mit der Zeit abnimmt, könnten die sinkenden neutralisierenden Antikörperspiegel sein, über die Expertinnen und Experten zuletzt vermehrt berichtet hatten. Allerdings ist die Aussagekraft dieser Titer begrenzt, denn sie sind nicht die einzigen Bestandteile des Immunsystems.

Die Impfung regt auch die Bildung von T- und B-Zellen an, die Teil des immunologischen Gedächtnisses sind und ebenfalls zur Abwehr des Coronavirus beitragen können. Insofern sind sinkende Antikörper-Konzentrationen nicht unbedingt ein Hinweis auf einen nachlassenden Immunschutz. Trotzdem sollten sich Geimpfte bewusst sein, dass die ursprünglich zu erwartende Wirkung der Impfungen nicht ewig anhält.

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3. Das Virus mutiert weiter

Das Coronavirus verändert sich mit der Zeit durch Mutationen. Und das kann auch den Impfschutz herabsetzen. Zurzeit ist in Deutschland die Delta-Variante dominant, die Alpha abgelöst hat. 99,3 Prozent aller Neuinfektionen gehen auf die in Indien entdeckte Mutante zurück, die deutlich ansteckender ist als ihre Vorgänger. Ihre höhere Übertragbarkeit führt dazu, dass sie sich, insbesondere in der ungeimpften Bevölkerung, schnell verbreitet.

Die Virusvariante hat hierzulande die vierte Welle ins Rollen gebracht: Die Sieben-Tage-Inzidenz, die die Zahl der Corona-Fälle pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen angibt, steigt täglich. Am Freitagmorgen lag sie bei 70,3 (Vortag: 66,0; Vorwoche: 48,8).

Mit der Verbreitung der Delta-Variante kam schnell die Sorge auf, dass die Impfstoffe nahezu unwirksam werden könnten. Erste Ergebnisse klinischer Studien deuten darauf hin, dass die aktuell zugelassenen Vakzine tatsächlich etwas besser vor Infektionen mit der Alpha-Variante geschützt haben, die zuvor das Infektionsgeschehen in Deutschland dominierte. Aber auch Ansteckungen mit Delta können sie verhindern – nach einer vollständigen Impfserie. Eine Dosis allein reicht also nicht gegen die Mutante aus.

Das gilt womöglich auch für den Corona-Wirkstoff von Johnson & Johnson, der bisher als Einmalimpfstoff verwendet wird. Eine Laborstudie von Ende Juli, die noch von unabhängigen Expertinnen und Experten begutachtet werden muss, hatte eine deutlich schwächere Schutzwirkung gegen die Virusvariante nach einer einmaligen Dosis des Vektorvakzins festgestellt, verglichen mit den Wirkstoffen von Biontech/Pfizer und Moderna.

„Die Impfung mit Ad26.COV2.S (dem Impfstoff von Johnson & Johnson, Anmerkung der Redaktion) sorgte für IC50-Titer gegen die Beta-, Delta-, Delta-plus- und Lambda-Varianten, die um das Fünf- bis Siebenfache abnahmen, was zu mittleren neutralisierenden Antikörpertitern von 33, 30, 41 beziehungsweise 36 gegen Viren mit den Beta-, Delta-, Delta-plus- und Lambda-Varianten-Spikes führte”, schrieb das Forscherteam um Nathaniel Landau von der Grossman School of Medicine in New York.

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Wahrscheinlich müssen sich Johnson-&-Johnson-Geimpfte also noch ein weiteres Mal impfen lassen, um einen ausreichenden Schutz gegen Delta vorweisen zu können. Auch bei den anderen Impfstoffen könnte ein Booster noch notwendig werden.

Denn es steht fest, dass das Coronavirus weiter mutieren wird. Pfizer-Chef Albert Bourla hält es sogar für „wahrscheinlich”, dass eines Tages eine impfstoffresistente Variante des Coronavirus entsteht. Das sagte er im Interview mit dem US-Nachrichtensender Fox News. Virologe Christian Drosten widerspricht. Er glaubt nicht, dass in nächster Zeit eine impfstoffresistente Mutante Probleme bereiten wird.

Nichtsdestotrotz könnte die aktuelle Lage in Deutschland, also die ungleichen Anteile an Geimpften und Ungeimpften, aber für das Virus einen Vorteil bieten. „Eine Situation, in der die Bevölkerung nur teilweise geimpft ist, birgt leider eine spezielle Gefahr, weil sich das Virus in der ungeimpften Gruppe vermehrt, wobei es zufällig immer wieder zu geringfügigen Änderungen des Virus kommt”, sagte Prof. Mirko Trilling, Virologe am Universitätsklinikum Essen, Mitte Juli dem Mitteldeutschen Rundfunk.

Das heißt, das Virus kann bei hoher Inzidenz in der Bevölkerung noch besser mutieren und Wege finden, das Immunsystem zu überlisten. Dann könnte im schlimmsten Fall auch für Geimpfte das Infektions- und Erkrankungsrisiko wieder größer werden. „Dass es in einem Impfprogramm zu solchen Phasen partiellen Schutzes kommt, lässt sich nicht vermeiden, da man nicht alle Menschen gleichzeitig impfen kann”, so Trilling. Er rief dazu auf, sich möglichst vollständig und zügig zu impfen, um die Mutationsgefahr zu reduzieren. „Wir haben es aber in der Hand, wie lange diese Phase andauert.”

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4. Auch Geimpfte können noch infektiös sein

Geimpfte sind zwar vor einer Infektion mit dem Coronavirus sowie einer schweren Erkrankung weitgehend geschützt. Trotzdem können sie sich in seltenen Fällen mit dem Erreger anstecken. Das RKI schreibt hierzu auf seiner Internetseite: „Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Person trotz vollständiger Impfung PCR-positiv wird, ist bereits niedrig, aber nicht Null. (...) Es muss jedoch davon ausgegangen werden, dass einige Menschen nach Kontakt mit Sars-CoV-2 trotz Impfung (asymptomatisch) PCR-positiv werden und dabei auch infektiöse Viren ausscheiden.” Das heißt: Auch Geimpfte können noch infektiös sein, also andere anstecken.

Umso wichtiger ist es deshalb, dass auch sie versuchen, Infektionen zu vermeiden – um folglich sich selbst und die (noch nicht geimpften) Mitmenschen zu schützen. So kann gleichzeitig das Infektionsgeschehen abgeflacht werden.

RND mit Material der dpa

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