Corona-Fallzahlen in nur einer Woche halbieren? Diese Berechnungen zeigen, wie das geht
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Ein Blick auf das Covid-19-Dashboard des Robert-Koch-Instituts.
© Quelle: imago images/Rüdiger Wölk
Die Reproduktionszahl gilt als wichtige Kennziffer, um den Verlauf der Corona-Pandemie zu beurteilen. Den bundesweiten Sieben-Tage-R-Wert bezifferte das Robert-Koch-Institut (RKI) am Montagabend mit 0,95. Das bedeutet, dass 100 Infizierte rechnerisch 95 weitere Menschen anstecken. Nach Einschätzung von Virologen ist dieser Wert aber noch zu hoch, um die Ausbreitung von Sars-CoV-2 in Deutschland unter Kontrolle zu bringen.
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Drosten: R-Wert von 0,7 anstreben
Sowohl die Physikerin Viola Priesemann vom Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation, als auch Virologe Christian Drosten von der Berliner Charité – beide sind Befürworter der No-Covid-Strategie – empfehlen, die Reproduktionszahl auf 0,7 zu senken. Dann würden sich die Infektionszahlen innerhalb einer Woche halbieren. Zum Vergleich: Bei einem R-Wert von 0,9 beträgt die Halbierungszeit rund einen Monat.
„Diese Rechnung geht davon aus, dass man eine sogenannte Generationszeit von 3,5 Tagen hat“, erklärt Mathematiker Jan Fuhrmann vom Forschungszentrum Jülich. „Die Generationszeit ist die durchschnittliche Zeit, die vergeht zwischen angesteckt werden und jemand anderen anstecken.“
Eine Beispielrechnung:
Heute infizieren sich 100 Menschen mit dem Coronavirus. Die Generationszeit wird zur besseren Verdeutlichung auf vier Tage aufgerundet und ein R-Wert von 0,7 zugrunde gelegt. Dann ergibt sich folgendes Infektionsszenario.
Zeitpunkt | Zahl der Neuinfektionen |
---|---|
Tag 0 | 100 Neuinfektionen |
Tag 4 | 70 Neuinfektionen |
Tag 8 | 49 Neuinfektionen |
Die 100 Personen an Tag 0 stecken vier Tage später 70 andere Menschen an. Diese infizieren wiederum noch mal vier Tage später 49 andere Menschen. Das bedeutet, innerhalb einer Woche können die Infektionszahlen halbiert werden.
Bei einem R-Wert von 0,9 dauert es hingegen deutlich länger, um die Infektionszahlen zu halbieren:
Zeitpunkt | Zahl der Neuinfektionen |
---|---|
Tag 0 | 100 Neuinfektionen |
Tag 4 | 90 Neuinfektionen |
Tag 8 | 81 Neuinfektionen |
Tag 12 | ~ 73 Neuinfektionen |
Tag 16 | ~ 66 Neuinfektionen |
Tag 20 | ~ 59 Neuinfektionen |
Tag 24 | ~ 53 Neuinfektionen |
Tag 28 | ~ 48 Neuinfektionen |
Beiden Szenarien basieren auf folgender Formel:
Neuinfektionen in % von Tag 0 = Zahl der ursprünglich Infizierten × (R-Wert)^n.
Das „n“ beschreibt die Anzahl der Generationsintervalle. Den Rechenbeispielen liegt die Formel 100 × (R-Wert)^n zugrunde. Wenn also der R-Wert bei 0,7 und die Zahl der ursprünglich Infizierten bei 100 liegt, und man wissen möchte, wie viele Infektionen nach vier Tagen – also einem Generationsintervall – auftreten, lautet die Rechnung: 100 × (0,7)¹.
„Auf diese Art und Weise lässt sich statt der gemeldeten Fälle eher die Zahl der tatsächlichen Neuinfektionen näherungsweise berechnen – angenommen, man weiß, wie viele Menschen sich heute infizieren beziehungsweise bereits infiziert haben“, sagt Fuhrmann. Bis sich die tatsächlichen Neuinfektionen in den gemeldeten Fällen niederschlagen, dauert es wiederum einige Zeit. Diese zeitliche Verzögerung sei auch der Grund dafür, dass Effekte neu eingeführter Kontaktbeschränkungen erst ein bis zwei Wochen später in den vom RKI übermittelten Fallzahlen erkennbar sind.
Fuhrmann weist zudem darauf hin, dass es sich beim Generationsintervall um eine auf Daten basierende Größe handelt, die schwer messbar sei. „Leichter zugänglich ist das sogenannte serielle Intervall – also die durchschnittliche Zeit zwischen dem Einsetzen der Symptome bei Person A und dem Einsetzen der Symptome bei denen, die Person A angesteckt hat“, so der Mathematiker. „Deshalb wird dieses gern als Näherung des Generationsintervalls benutzt.“ Es sei dabei unerheblich, ob vier, drei oder fünf Tage zugrunde gelegt werden. „Der Vergleich, dass es mit R=0,9 mehr als dreimal so lange dauert, eine Halbierung der Inzidenz zu erreichen als mit R=0,7, ist davon unberührt.“