Bangladesch: Delta-Variante breitet sich aus – und zwingt Land in erneuten Lockdown

Nicht nur der Mangel an Impfstoff bereitet Kliniken in Bangladesh Sorgen.

Nicht nur der Mangel an Impfstoff bereitet Kliniken in Bangladesh Sorgen.

Dhaka. In einer staatlichen Klinik im westlichen Rajshahi fürchtet Shahinul Islam um das Leben seines Vaters. Im Juni sind in der überlasteten Einrichtung mehr als 300 Patienten nach einer Infektion mit dem Coronavirus gestorben. Hunderte weitere Patienten können kaum noch atmen. Angehörige versuchen verzweifelt, irgendwo in der Umgebung Sauerstoffflaschen aufzutreiben – in vielen Fällen vergeblich.

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Für das mit 1200 Betten ausgestattete Rajshahi Medical College Hospital ist dies eine neue Situation. Dass die Region mit solcher Wucht von der aktuellen Coronavirus-Welle getroffen wird, hat viel mit ihrer Lage zu tun. Rajshahi liegt an der Grenze zu Indien. Und von dort greift gerade die hoch ansteckende Delta-Variante auf das kleine, aber bevölkerungsreiche Nachbarland über.

Rajshahi Medical College Hospital: 450 neue Patientinnen und Patienten an einem Tag

Die Zahlen sind alarmierend. In das Krankenhaus in der gleichnamigen Hauptstadt der Region Rajshahi wurden allein am Dienstag 450 zusätzliche Covid-19-Patienten gebracht. In einigen anderen Teilen des Landes im Norden und Westen hat sich die Lage in ähnlicher Weise zugespitzt. Als Reaktion darauf hat die Regierung einen strengen Lockdown verhängt, der ab dem (heutigen) Donnerstag gelten soll.

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Für die von einer Infektion Betroffenen ist in Bangladesch oftmals nicht nur das Virus selbst ein Problem. Islam berichtet, dass die Menschen in seinem Heimatort seine gesamte Familie meiden würden. „Die anderen Dorfbewohner haben Angst vor uns. Sie reden nicht mehr mit uns. Wenn sie uns auf der Straße sehen, schlagen sie einen anderen Weg ein“, sagt er. „Wir leiden sehr darunter.“

Delta-Variante: „Diese Welle der Pandemie könnte für Bangladesch katastrophal werden“

Die Behörden warnen, dass sich die Delta-Variante von den Grenzgebieten aus sehr schnell noch weiter ausbreiten könnte. Für das südasiatische Land mit mehr als 160 Millionen Einwohnern wäre dies dramatisch. „Wenn sich die Leute nicht an die Regeln zum Gesundheitsschutz halten und nicht zu Hause bleiben, dann könnte diese Welle der Pandemie für Bangladesch katastrophal werden“, sagt A.S.M. Alamgir, einer der leitenden Wissenschaftler am staatlichen Institut für Epidemiologie, Seuchenbekämpfung und Forschung in der Hauptstadt Dhaka.

Viele Grenzbezirke im Norden und Südwesten von Bangladesch sind von der Coronavirus-Krise bisher weitgehend verschont geblieben. Dem Großteil der dortigen Bevölkerung fehlen daher die Antikörper. Dies, in Kombination mit einem hohen Anteil von Menschen ohne Impfschutz, macht die Regionen nun besonders anfällig. Im ganzen Land sind erst gut vier Millionen Menschen voll immunisiert, 1,5 Millionen weitere haben zumindest eine erste Impfdosis erhalten.

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Mangel an Beatmungsgeräten bereitet Sorgen

In dem Krankenhaus in Rajshahi mangelt es aber nicht nur an Impfstoff. Ein großer und kritischer Mangel herrscht auch an Geräten zur Versorgung von besonders schwer erkrankten Patienten mit Sauerstoff. Ähnlich wie in anderen staatlichen Einrichtungen können die Ärzte bei der Behandlung daher oft nur auf mobile Sauerstoffflaschen zurückgreifen. Falls die Patienten nicht bald über eine zentrale Sauerstoffleitung versorgt werden könnten, würden demnächst womöglich noch mehr Menschen sterben, sagt der Krankenhaus-Chef Shamim Yazdani.

Der Schwerpunkt des Pandemie-Geschehens in Bangladesch lag bisher in großen, dicht besiedelten Metropolen wie Dhaka. Seit Ende Mai böten nun aber vor allem Kleinstädte und Dörfer im Norden und Südwesten Anlass zur Sorge, sagt der Wissenschaftler Alamgir. Nachdem die Ausbreitung im benachbarten Indien im April einen verheerenden Höhepunkt erreicht hatte, sperrte Bangladesch die Grenzen. Viele Menschen reisten daraufhin aber illegal ein – und etliche von ihnen brachten ganz offensichtlich Infektionen mit.

Das Coronavirus wütet in Bangladesch

In Indien hat sich die Lagen inzwischen etwas entspannt. In Bangladesch dagegen ist kaum ein Ende der Eskalation in Sicht. Insgesamt gibt es landesweit mehr als 900 000 bestätigte Infektionen, mehr als 14.000 Menschen sind seit März vergangenen Jahres mit dem Coronavirus gestorben. Und Expertinnen und Experten gehen davon aus, dass die tatsächlichen Zahlen noch höher sein könnten.

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Am Montag gab es nach Angaben des Gesundheitsministeriums 8364 Neuinfektionen – dies war nicht nur der bisherige Höchstwert, sondern zugleich eine Verdoppelung gegenüber der Vorwoche. Für Sonntag wurden 119 Todesfälle gemeldet – mehr als je zuvor an einem Tag. Am Dienstag waren den Angaben zufolge weitere 112 Todesopfer zu beklagen. In den kommenden Wochen könnten die Zahlen noch weiter steigen – auch weil es Verzögerungen bei Impfstofflieferungen aus Indien gibt.

Bangladesch: Immer mehr Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie

Die Regierung sah sich angesichts dieser Entwicklung gezwungen, die Schutzmaßnahmen zu verschärfen. Seit Montag treten Schritt für Schritt zusätzliche Einschränkungen in Kraft. Von diesem Donnerstag an sollen im Rahmen eines landesweiten Lockdowns fast alle wirtschaftlichen Aktivitäten ruhen. Gerade wegen dieser Maßnahmen versuchten zuletzt Tausende Menschen, Dhaka zu verlassen – an Abstandsregeln war bei dem Gedränge an vielen Busbahnhöfen und Fähranlegern kaum zu denken.

Die neuen Einschränkungen gelten als einzige Chance, die Ausbreitung der Delta-Variante in Bangladesch zu stoppen. „Wenn wir den strikten Lockdown so wie geplant durchsetzen können, werden wir in der Lage sein, eine Katastrophe zu vermeiden“, sagt der Wissenschaftler Alamgir. „Hoffen wir das Beste.“

RND/AP

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