Ansteckende Corona-Mutationen: Kommen die Intensivstationen jetzt in Bedrängnis?

Eine Pflegekraft steht im Infektionszimmer für Covid-19-Patienten der Universitätsmedizin Rostock.

Eine Pflegekraft steht im Infektionszimmer für Covid-19-Patienten der Universitätsmedizin Rostock.

Hannover. Obwohl in Deutschland Lockerungen der Corona-Maßnahmen anstehen, sorgen sich Experten wegen der Mutationen des Virus. So schätzt etwa Virologe Christian Drosten, dass die ansteckendere Variante B.1.1.7 bereits die Hälfte der Infektionen hierzulande ausmacht. Welche Folgen eine rasante Ausbreitung der britischen und der südafrikanischen Mutation im Zweifelsfall hat, zeigt ein Blick in das Nachbarland Österreich: Dort wächst in weiten Teilen die Auslastung der Intensivstationen. Die Landesgesundheitsagentur in Niederösterreich begründet das mit einer kurzen Verweildauer auf den Normalstationen.

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„Seit einigen Tagen sehen wir hier wieder Steigerungsraten im Vergleich zu den letzten Wochen“, sagt Bernhard Jany, Sprecher der Kliniken des Bundeslands, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). 24 Prozent beträgt die Auslastung der dortigen Intensivkapazitäten bereits – 81 Patienten befinden sich auf entsprechenden Stationen. Dabei liegt der Altersdurchschnitt bei etwa 70 Jahren. „Zum Teil gibt es aber auch jüngere Patienten mit schweren Verläufen.“

Steigt die Zahl der Intensivbetten weiter, folgen Maßnahmen

Steigt die Auslastung der Intensivbetten auf über 30 Prozent, seien „ohne Zweifel“ Maßnahmen notwendig. „Wir würden dann – wie bereits im letzten Herbst – eine behutsame und schrittweise Reduktion bei den nicht dringlichen und nicht kritischen Operationen vornehmen müssen“, sagt Jany.

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Auch die Hauptstadt Wien reagiert auf die Auslastung der Plätze für Covid-19-Patienten. Nach einem leichten Anstieg der Patienten mit Corona-Mutationen, stelle die Stadt nun zusätzliche Betten für Intensivpatienten bereit, sagte der Koordinator der Intensivbetten, Stefan Kettner, dem österreichischen Ö1-„Morgenjournal“. Immerhin gebe es durch die Impfungen mittlerweile weniger Aufnahmen aus Pflege und Altenheimen. Dennoch erwarten die Experten noch einen großen Knall – in Form eines Ansturms an Intensivpatienten Ende März.

Reichen die Betten aus? Die Lage auf den Intensivstationen in Deutschland

Die Zustände in Österreich wirken angesichts der grassierenden Mutationen in Deutschland besorgniserregend. Und tatsächlich ist die Lage zum Teil vergleichbar: „Sagen wir es so: Die Intensivstationen arbeiten seit einem Jahr am Limit“, sagt Nina Meckel, Sprecherin der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI). Zwar fällt die Zahl der Covid-19-Fälle seit dem Höchststand von 5.745 Menschen. Doch noch immer befinden sich heute 2.758 Menschen wegen des Virus auf der Intensivstation – das wiederum entspricht dem Peak der ersten Welle.

Zudem holten die Mediziner aktuell viele schwere Operationen aus dem Dezember und Januar nach, etwa große Herz-OPs oder umfangreiche onkologische Eingriffe. Hier lägen die Patienten im Anschluss mehrere Tage zur Überwachung und Erholung auf der Intensivstation. „Die Betten sind also weiterhin gut ausgelastet und werden alle benötigt.“

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Insgesamt gibt die Expertin allerdings Entwarnung: „Wir haben heute allerdings keinen Grund zur Sorge, wir könnten den Patienten nicht gerecht werden.“ Die DIVI-Intensivregister verzeichnen aktuell 24.208 betriebsbereite Betten. 3.716 sind in ganz Deutschland noch frei, davon sind 1.788 für die Behandlung von Covid-19-Patienten geeignet.

Eine Auswertung von rund 10.000 Patientendaten der Krankenkasse AOK während der ersten Corona-Welle hat gezeigt: Die Betroffenen auf den Intensivstationen waren zu Beginn der Pandemie im Mittel etwa 68 Jahren. „Derzeit schätzen wir das ähnlich ein, vielleicht etwas jünger, zwischen 62 bis 65 Jahren“, so die DIVI-Sprecherin.

Steigt mit den Lockerungen die Zahl der Intensivpatienten?

Am Mittwoch haben sich Bund und Länder auf neue Corona-Beschlüsse geeinigt. Darin enthalten sind Pläne für Lockerungen der Maßnahmen und Öffnungen verschiedener Bereiche, zum Beispiel der Gastronomie oder des Einzelhandels. Diese hält die DIVI für alarmierend. „Wir fürchten, dass deshalb der R-Wert, der derzeit bereits bei 1,01 liegt, wieder steigen wird“, sagt Meckel. Er sagt aus, wie viele Menschen ein Infizierter durchschnittlich ansteckt – und gibt damit Auskunft über die Dynamik der Fallzahlenentwicklung. Tritt dieser Fall ein, ohne dass Gegenmaßnahmen erfolgen, sei es denkbar, dass „schnell deutlich mehr“ Covid-19-Patienten auf den Intensivstationen liegen. „Und es ist unser Ziel, möglichst gar keine schweren Verläufe mehr zu sehen.“

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Intensivstationen in Deutschland: Ist das Land für eine dritte Welle gerüstet?

Maßnahmen wie in Österreich sind in Deutschland wohl auch künftig nicht notwendig. Bei einer dritten Welle an Patienten gelte zunächst eine Verteilung auf regionale Krankenhäuser über das sonst auch übliche Leitstellensystem. Mangelt es in einer Region an Platz, kommen die sogenannten Kleeblätter, fünf Zonen in Deutschland, zum Einsatz. „So wurden zum Beispiel rund um Weihnachten und Silvester zahlreiche Intensivpatienten aus dem Kleeblatt Ost in das Kleeblatt Nord verlegt“, erklärt Meckel. „Wir konnten die Behandlung aller Intensivpatienten managen – aber nicht mehr alle in Wohnortnähe behandeln.“

Im letzten Schritt stehe im Zweifelsfall die Priorisierung in den Kliniken an. Dann seien Ärzte gezwungen, zwischen allen Intensivpatienten auszuwählen, wer die größten Chancen hat, sich wieder zu erholen. Eine solche Situation will das DIVI um jeden Preis verhindern. „Ärzte wollen nicht über Leben und Tod richten, sondern helfen“, so Meckel.

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