Für Kinder über Krieg berichten? „Es ist wichtig, die Dinge nicht zu verschweigen“
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Ein polnischer Grenzschützer reicht im Bahnhof von Przemysl in der Nähe des ukrainsch-polnischen Grenzübergangs einem Kind ein Stofftier. Das Kind ist zuvor mit dem Zug aus Kiew angekommen.
© Quelle: Kay Nietfeld/dpa
Frau Sieglar, was können wir und was müssen wir den Kindern zumuten?
Wir sind grundsätzlich der Meinung, dass es wichtig ist, Kinder zu informieren. Sie haben ein Recht auf Information, das steht auch in der Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen. Aber natürlich müssen diese Informationen kindgerecht aufgearbeitet sein. Wir müssen davon ausgehen, dass die Kinder von vielen Themen etwas mitbekommen. Sie leben schließlich in einer Welt, in der es Internet gibt, in der sie an Zeitungsständen vorbeikommen und in der auf dem Schulhof geredet wird.
Darum berichten wir ruhig und erklären Hintergründe, ohne Panik zu schüren. Kinderpsychologinnen und -psychologen, mit denen wir zusammenarbeiten, sagen uns immer wieder, dass Kinder dadurch die Situation besser einschätzen können und weniger Ängste haben, als wenn Nachrichten ungefiltert auf sie einprasseln.
Ein Kind im Alter von sechs oder acht Jahren versteht die Dinge vielleicht anders, als ein zwölfjähriges Kind. Wie geht das „logo!“-Team mit diesen unterschiedlichen Wissensständen um?
Wir setzen grundsätzlich kein Wissen voraus und erklären Grundlagen, für die selbst Erwachsene häufig dankbar sind, da sie in Erwachsenen-Nachrichten meist nicht mehr vorkommen. Zum Beispiel, warum es überhaupt mal ursprünglich zu einem Konflikt gekommen ist. Wir sagen auch, dass jüngere Kinder die Nachrichten mit ihren Eltern gucken sollen, damit sie dann noch offene Fragen mit ihnen klären können.
Die Reaktion vieler Erwachsener auf diesen Konflikt ist: „Da fehlen mir die Worte.“ Empfinden Sie das manchmal so?
Absolut. Aber es ist besser für Kinder, wenn sie eine Situation verstehen und dadurch einschätzen können, als wenn man sie mit einer Information wie „Da ist jetzt Krieg!“ ohne weiteres Wissen alleinlässt. Man kann ihnen schon erklären, dass es da einen russischen Präsident gibt, der sich entschieden hat, die Ukraine mit Waffen anzugreifen. Und dabei sterben auch Menschen.
Ohne ihnen Angst zu machen?
Wir zeigen keinerlei Bilder, die Angst machen könnten.
Wir ordnen die Situation ein und erklären, dass es im Moment sehr unwahrscheinlich ist, dass dieser Krieg zu uns nach Deutschland kommt. Außerdem zeigen wir keinerlei Bilder, die Angst machen könnten. Wir versuchen auch, den Blick auf die eher konstruktiveren Teile dieses Konflikts zu lenken, und erklären etwa, was für die Menschen getan wird. Unser „logo!“-Reporter Sherif Rizkallah ist gerade in Polen an der Grenze zur Ukraine und berichtet von dort über die Hilfsbereitschaft. Das ist auch eine Möglichkeit über einen Krieg zu berichten, ohne schlimme Bilder zu zeigen oder den Blick nur auf Kampfhandlungen zu richten.
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In Aktion: Jennifer Sieglar moderiert eine Nachrichtensendung von „logo!".
© Quelle: ZDF und [m] Dirk Staudt, Foto: B
Warum ist es für Kinder so wichtig, diesen konstruktiven Ansatz zu haben?
Ich glaube, das ist für Erwachsene eigentlich genauso wichtig. Nur wird es selten gemacht. Unsere Sendung endet zum Beispiel immer mit einem Witz eines Tieres. Oder neulich war der Tag des Kompliments. Da haben wir noch eine Minute lang gelernt, warum es guttut, anderen Menschen ein Kompliment zu machen. So versuchen wir einen versöhnlichen Abschluss der Sendung zu haben.
Emotionale und personalisierte Berichterstattung macht es Menschen leichter, Informationen zu verstehen. Sie kann aber auch überfordern. Wie schaffen Sie da eine Balance?
Wir wählen die Bilder, die wir senden, genau aus und arbeiten oft mit Grafiken oder Fotos, die die Geschehnisse dann auf eine abstrakte Ebene bringen. So verstehen Kinder, was passiert, ohne dass sie zu viel Angst bekommen. Aber natürlich kommen auch Betroffene zu Wort, so erzählten uns zum Beispiel am Wochenende zwei ukrainische Jugendliche in Deutschland, wie sie Kontakt zu ihren Verwandten halten und wie sie mit der Situation umgehen.
Sprechen Sie die atomare Bedrohung an?
Ja. Dazu haben wir auch ein grafisches Erklärvideo gemacht und darin die Meinung von Expertinnen und Experten transportiert, dass es im Moment wohl keine atomare Bedrohung in Deutschland gibt, sondern sie eher als eine Drohgebärde von Putin verstanden wird.
Eine Drohgebärde, die die Medien für Erwachsene prägt. Ist es klar, dass Sie an so einem Tag, an dem solch ein Thema durch alle Medien geht, es auch für „logo!“ aufgreifen?
Es ist wichtig, die Dinge nicht zu verschweigen.
Wir wägen ab, ob Kinder ein Thema mitbekommen, weil es in den Erwachsenen-Medien groß besprochen wird. Dann ist es auch wichtig, die Dinge nicht zu verschweigen. Eine Kinderpsychologin, die ich zu dem Thema befragt habe, sagte, dass Kinder genau bemerken, wenn zum Beispiel Eltern ihnen etwas verheimlichen. Das kann dann noch mehr Angst machen. Wir achten aber darauf, keine schlimmen Bilder zu zeigen.
Was sind denn schlimme Bilder?
Bei uns würde man nie verstörende Bilder mit toten Menschen sehen oder eine Angst machende kilometerlange Panzerlawine, die auf Kiew zurollt. Statt Bilder zu zeigen, die Angst machen, arbeiten wir mit grafischen Erklärvideos, die das Geschehene abstrahieren, sodass man die Hintergrundinformationen versteht. Wir arbeiten auch oft mit Fotos, um den Beitrag ruhiger zu gestalten. Und wir lenken den Blick beispielsweise darauf, was Politikerinnen und Politiker beschlossen haben, um den Krieg zu stoppen.
Melden sich gerade viele Kinder bei Ihnen mit ihren Sorgen?
Ja, auf jeden Fall. Wir haben Hunderte von Zuschriften und Fragen von Kindern bekommen. Wir machen am Samstag eine Sondersendung, in der wir ausschließlich Kinderfragen beantworten mithilfe von einem Experten und grafischen Videos. Auf www.logo.de können die Kinder uns gerne weitere Fragen kommentieren.