Zocken als Beruf: Wie Gamer Millionen verdienen

Der Traum vom Gamer als Beruf: Gastspieler auf der Gamescom 2019 in Köln.

Der Traum vom Gamer als Beruf: Gastspieler auf der Gamescom 2019 in Köln.

Ein einziger Satz genügt, und man hat heftig verschissen in der Gamerszene: „Sport? – ich denke, ihr zockt nur??“ Es ist das Vorurteil, das professionelle Spieler noch mehr nervt als lahmes WLAN: eSport – das ist doch das, was früher Daddeln hieß. Dieser Lebensersatz, den schmale Jungs mit teigiger Haut in Mamas Keller betreiben, wo sie im blauen Licht der Einsamkeit auf eine altersgemäße Sozialentwicklung mit Chance auf Mädchenkontakt verzichten, um virtuelle Monster zu töten und die Sinnlosigkeit der eigenen Existenz mit Red Bull und Pizza zu betäuben. Milde belächelte Daddeljungs, die gern behaupten, das sei ihr „Beruf“, nur weil ihnen bei Youtube sieben Kumpels zugucken, die noch elender dran sind als sie selbst.

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Alles Quatsch. Spätestens mit Blick auf das Thema Finanzen gibt es auch bei eSports-Skeptikern jenseits der 40 keinen Zweifel mehr: eSports – das ist kein Widerspruch in sich. Das ist ein global boomendes Phänomen, das sehr viele Menschen nicht nur mit Begeisterung verfolgen, sondern das ihnen Hoffnung auf ein einträgliches Einkommen macht. Hieß es nicht immer, man solle sein Geld verdienen mit etwas, das man liebt?

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Wie geht das? Und wie viel verdienen Gamer? Wer sein Hobby erfolgreich zum Beruf macht, kann im Gaming große Summen kassieren. Fußballclubs wie Schalke 04 haben inzwischen eigene eSports-Abteilungen. Wer hier als Profi etwa FIFA spielt, kann auf ein Monatsgehalt von bis zu 10.000 Euro hoffen. Dazu freilich genügt ein bisschen Zockerei nicht. Jahrelanges Training, Teamfähigkeit, strategisches Gespür, Ausdauer, Schnelligkeit im Kopf – die Anforderungen sind hoch.

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4,2 Millionen Dollar mit Echtzeit-Strategiespiel

Die Stars der Szene verdienen noch viel mehr. Ganz vorne in der internationalen Rangliste der Gaming-Spitzenverdiener steht der 26-jährige iranischstämmige Deutsche Kuro Salehi Takhasomi, der sich als Kapitän des Teams „Liquid“ KuroKy nennt. Mit dem Action-Echtzeit-Strategiespiel „Defense of the Ancients“ (Dota 2), einer sogenannten Multiplayer Online Battle Arena (MOBA), in der zwei Teams mit Unterstützung von künstlicher Intelligenz an der Zerstörung eines gegnerischen Hauptgebäudes arbeiten, hat KuroKy in knapp vier Jahren mehr als 4,2 Millionen Dollar verdient.

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Selbst sein Kollege auf Platz 100 der Liste – der US-Amerikaner Nick Canella (nitr0) – kassierte noch satte 825.000 Dollar. Zweiterfolgreichster Deutscher ist der ebenfalls 26-jährige Adrian Trinks (FATA) mit bisher 1,2 Millionen verdienten Dollar, gefolgt vom FIFA-Spieler Mohammed „Mo_aubameyang“ Harkous (330.000 Dollar) und Raphael „BunnyHoppor“ Peltzer (270.000 Dollar). „Dota 2“ gehört zu den „großen Vier“ – den populärsten Spielen in der eSports-Szene. Die anderen drei sind „League of Legends“, „ Starcraft 2“ und der unverwüstliche Taktik-Shooter „Counter Strike“.

Wie funktioniert das: Geld verdienen mit Gaming?

Professionelle Spieler haben im Prinzip drei Einnahmequellen: Preisgelder bei Turnieren, Streaming und Sponsoring.

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Preisgelder: Bei großen Turnieren in den USA haben die Preisgelder inzwischen die Millionenmarke überschritten. Seit das Interesse der Fernsehsender wächst, nimmt auch das Werbeengagement von Sponsoren zu. Es fließt viel Geld in die Szene. Allein in diesem Jahr gingen bisher mehr als 2800 Turniere mit mehr als 17.000 Teilnehmern über die Bühne. Das Gesamt-Preisgeld betrug knapp 120 Millionen Dollar. Davon profitiert auch die Peripherie: Die Electronic Sports League (kurz: ESL) veranstaltet fast täglich auch kleinere Turniere, bei denen einige hundert Euro Preisgeld im Topf liegen.

Streaming: Populäre Zocker lassen sich etwa auf der Plattform Twitch oder auf ihrem Youtube-Kanal beim Spielen zugucken und kassieren Werbegelder. Die Let’s-Play-Szene wurde 2006 geboren und floriert. Die Hersteller der Spiele tolerieren Urheberrechtsverletzungen, weil sie das Phänomen als kostenlose Werbung sehen. Aber es bleibt eine rechtliche Grauzone.

Sponsoren: Die Helden der Branche werden zusätzlich von Sponsoren finanziert und genießen vor allem in den asiatischen Ländern Starstatus wie große europäische Fußballhelden auf Conventions und Turnieren, die ganze Stadien füllen.

Das meiste Geld verdienen eSports-Spieler in den USA, China, Südkorea, Schweden, Dänemark und Norwegen. Deutschland liegt im weltweiten Vergleich auf Platz 8. In Südkorea sollen bis zu 10.000 Spieler vom Daddeln leben. Die meisten erfolgreichen Gamer sind 18 bis 24 Jahre alt.

Und der Normalverbraucher? Man lässt sich nicht gern in die Gehaltsabrechnungen gucken, aber die eSport-Mannschaft „Team Ember“ hat im Sinne der Transparenz schon vor vier Jahren ihre Gehälter offenbart: Den „League of Legends“-Spielern bringt ihre Leidenschaft zwischen 70.000 und 92.000 Dollar ein – nach Steuern. Außerdem bezahlt das Team die Krankenversicherungskosten, Unterkunft, Verpflegung und Spesen. In einer putzigen Analyse hat die Website only4gamers.com jüngst ermittelt, dass die erfolgreichsten Gamer in 29 Ländern der Erde mehr Geld pro Jahr verdienen als das jeweilige Staatsoberhaupt. Der Deutsche Bestverdiener KuroKy etwa hat 2019 bislang 647.000 Dollar verdient – Bundeskanzlerin Angela Merkel kommt auf umgerechnet 299.000 Dollar pro Jahr.

Glückskind des Jahres in der Gamerwelt ist freilich ein anderer: Bei der ersten Fortnite-WM überhaupt gewann der erst 16-Jährige Kyle „Bugha“ Giersdorf aus Pennsylvania vor drei Wochen drei Millionen US-Dollar Preisgeld.

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Teil der Jugendkultur, aber als Sport nicht anerkannt

Bis zur gesellschaftlichen Anerkennung als echte Sportart freilich dürfte es noch dauern. Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) hat eGaming in einem Positionspapier zwar als Teil der Jugendkultur anerkannt – aber nicht als sportliche Aktivität: „Der DOSB geht davon aus, dass eGaming in seiner Gesamtheit nicht den zentralen Aufnahmekriterien entspricht, die das Sport- und Verbändesystem unter dem Dach des DOSB konstituieren und prägen“, heißt es darin. „Der DOSB wirkt konsequent darauf hin, dass keine eGaming-Aktivitäten in Vereinen angeboten werden, die dem anerkannten Wertekanon des DOSB-Sportsystems nicht entsprechen.“ Er unterscheidet klar zwischen elektronischen Sportsimulationen, die für viele Vereine eine reizvolle Ergänzung sein könnten, und eSports auf Plattformen wie Fortnite, Dota 2 und ähnlichen. Dieses eGaming „passe nicht zu dem, was den gemeinwohlorientierten organisierten Sport prägt“.

Es ist noch ein weiter Weg. Den Hunderten von Gamern, die bereits jetzt gutes Geld verdienen, wird es egal sein.

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Von Imre Grimm/RND

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