Wie gut ist die EKG-Funktion der Apple Watch?
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Eine Studie bestätigt, dass die Apple Watch Herzrhythmusstörungen erkennen kann.
© Quelle: dpa
Cupertino. Bei Arno Schmidt passiert es im Urlaub. Am Morgen nach dem Frühstück schaut er im Hotelzimmer auf seine Apple Watch, die unter anderem seine Herzfrequenz messen kann. Zu hoher Puls, meldet die Uhr. Der 48-Jährige öffnet die EKG-App. 30 Sekunden lang legt er den Finger auf einen in der Krone eingelassenen elektrischen Sensor, über den die App ein Elektrokardiogramm (EKG) ableitet. Dann erscheint das Ergebnis auf dem Ziffernblatt: „Dieses EKG deutet auf Vorhofflimmern hin.“ Dazu die Empfehlung, einen Arzt aufzusuchen.
Apple Watch als Lebensretter
Dass ihn dieser Warnhinweis erschreckt oder gar in Todesangst versetzt hätte, daran kann sich Arno Schmidt nicht erinnern: „Ich war eigentlich fasziniert.“ Er beendet seinen Urlaub, bevor er richtig begonnen hat, und fährt zum nächsten Krankenhaus. Die Diagnose der Apple Watch erweist sich als nahezu richtig: Statt Vorhofflimmern hat der Diplom-Kaufmann aus Essen Vorhofflattern. Den Unterschied können nur Experten erkennen und er erweist sich als Glücksfall für den Patienten, weil sich die Erkrankung gut behandeln lässt. Arno Schmidt wird operiert und am darauffolgenden Tag wieder entlassen.
Die Apple Watch als Lebensretter – immer wieder werden Fälle bekannt, in denen die Uhr aufgrund zu hoher Herzfrequenzen Alarm auslöst und Menschen dadurch rechtzeitig zum Arzt gehen. In einer bislang umfangreichsten Studie zum Thema hat Apple gemeinsam mit der Stanford Universität mehr als 400.000 Menschen auf Herzrhythmusstörungen untersucht und dabei den Algorithmus der Uhr mit Langzeit-EKGs verglichen.
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Studie bestätigt: Apple Watch erkennt Vorhofflimmern
Bei 0,5 Prozent der Probanden stellten die in der Apple Watch verbauten Sensoren Herzrhythmusstörungen fest. Etwas mehr als ein Drittel der Teilnehmer, denen die Uhr Unregelmäßigkeiten im Herzschlag attestiert hatte, ließen sich daraufhin untersuchen. 85 Prozent von ihnen bekamen nach anschließender Prüfung eines Arztes tatsächlich Vorhofflimmern attestiert. Vorhofflimmern gilt in Deutschland als Volksleiden. Schätzungen zufolge sind hierzulande bis zu 1,5 Millionen Menschen von der Erkrankung betroffen, das entspricht knapp 2 Prozent der Bevölkerung. Diese Herzrhythmusstörung ist zwar nicht lebensgefährlich, erhöht aber das Risiko für einen Schlaganfall um ein Fünffaches. Etwa 30 Prozent der Schlaganfälle hängen mit Vorhofflimmern zusammen. Und das Perfide: Nur etwa ein Drittel aller betroffenen Menschen bemerkt überhaupt, dass ihr Herz unregelmäßig schlägt.
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In medizinischen Kreisen werden Wearables wie die Apple Watch mit ihrer Herzfrequenzmessung positiv besprochen. „Jedes Device, das Rhythmusstörungen aufzeichnet, ist sinnvoll“, so Heribert Brück vom Bundesverband niedergelassener Kardiologen (BNK). Gerade für diejenigen, die gar nichts von ihren Herzrhythmusstörungen wüssten, sei die Herzfrequenzmessung der Apple Watch gut. „Das kann die weitere Diagnostik in Gang setzen oder beschleunigen.“ Zu Bedenken gibt der Kardiologe jedoch, dass die Apple Watch den Herzschlag nicht kontinuierlich überwacht. Dass die Uhr keine Unauffälligkeiten melde, bedeute darum lediglich, dass der Herzschlag im Überwachungszeitraum unauffällig gewesen sei. „Die Herzfrequenzmessung der Apple Watch ist eine Erleichterung, aber sie ersetzt nicht die Diagnostik beim Arzt.“
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Apple Watch mit EKG: Einstieg in den Gesundheitsmarkt
Seit März dieses Jahres ist in Deutschland für die Apple Watch Series 4 auch die EKG-Funktion verfügbar. Thomas Deneke, Chefarzt einer Herz- und Gefäß-Klinik und Sprecher der Arbeitsgruppe Rhythmologie der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DKN), hat das Elektrokardiogramm mehrere Monate lang getestet und hält es für „extrem gut“. Im Interview mit dem Stern sagt er: „Wir stehen am Anfang einer vielversprechenden Technik. Ich bin hocherfreut, wie gut das EKG aussieht, und glaube, dass wir damit durchaus weiterkommen, was die Strategien bei der Erkennung und Behandlung von Vorhofflimmern angeht.“
Mit der EKG-Funktion fängt Apples Einstieg in den Gesundheitsmarkt gerade erst an: Noch in diesem Jahr will der Konzern neue Gesundheitsfeatures vorstellen. Zusammen mit dem Pharmakonzern Eli Lilly will das Unternehmen zudem herausfinden, ob Daten von der Apple Watch dabei helfen könnten, frühe Anzeichen einer Demenz zu erkennen. „Ich bin sicher, wenn Sie sich in die Zukunft beamen und zurückschauen und sich fragen, was Apples wichtigster Beitrag für die Menschheit war, wird es Gesundheit sein“, so Apple-Chef Tim Cook Anfang des Jahres in einem Interview mit dem US-Sender CNBC.
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Auch Amazon, Microsoft oder Google forschen im Gesundheitsbereich
Aber für die Konkurrenz aus dem IT-Bereich ist der Gesundheitsmarkt interessant. Google etwa hat mit Verily einen Dienst entwickelt, der datengestützte Ansätze zur Prävention und Therapie von Krankheiten entwickelt. Im vergangenen Jahr ging das Unternehmen mit einer Technologie an die Öffentlichkeit, bei der ein Scan der Netzhaut im Auge etwas über das Risiko eines Herzinfarkts aussagt. Und auch Amazon und Microsoft forschen längst auch im Gesundheitsbereich.
Zwar ist das Vertrauen der deutschen Bevölkerung in die Gesundheitsexpertise der Internetkonzerne noch gering. So würden einer europaweiten Befragung zur Digitalisierung des Gesundheitswesens zufolge nur 5 Prozent der Bundesbürger auf Hinweise von Gesundheits-Apps auf Basis ihrer Daten vertrauen. 68 Prozent vertrauen hingegen Ärzten, Kliniken und Krankenkassen. Zugleich gehen jedoch drei von vier Befragten davon aus, dass digitale Lösungen die Diagnose, Behandlung und die Prävention von Krankheiten signifikant verbessern können.
Für Arno Schmidt ist die Sache klar. Er hat sich die Apple Watch vor gut einem Jahr zugelegt, weil er es praktisch fand, damit telefonieren zu können, ohne das iPhone in der Hand halten zu müssen. Mittlerweile schätzt er aber auch ihren gesundheitlichen Wert: „Für Leute, die vorbelastet sind, ist die Uhr in jedem Fall empfehlenswert.“
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