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Streamerin und Drag-Queen Deere: “Drag soll einfach Spaß machen”

Bei der TwitchCon dreht sich alles um Videospiel-Streamings – einer der Stars der Veranstaltung: Drag-Queen Deere (2.v.l.).

Bei der TwitchCon dreht sich alles um Videospiel-Streamings – einer der Stars der Veranstaltung: Drag-Queen Deere (2.v.l.).

Drag Queens auf Twitch sind ziemlich erfolgreich. Ob es sich dabei um Verwandlungsvideos, Gaming-Streams in Drag oder Talkshows handelt – Drag Queens zeigen ihre Kreativität live auf dem Streaming-Portal Twitch und beweisen, dass es sich bei Drag um eine eigene Kunstform handelt. Deere war 2016 Gründungsmitglied der Drag-Szene auf Twitch und hat 2019 das Team “Stream Queens” ins Leben gerufen, nachdem sie auf der Plattform Partnerin geworden war.

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Deere, stimmt es, dass Sie erst durch die Streaming-Plattform Twitch zur Drag Queen geworden sind?

Ich habe tatsächlich erst 2016 meinen Twitch-Kanal gestartet. Ich weiß nicht, ob ich hinterm Mond lebte, ich wusste zwar, dass Twitch existiert – mir war aber nicht wirklich bewusst, was das ist. Nach ein paar erfolgreichen Streaming-Versuchen war ich mir sicher: Ich will Drag-Streaming machen. Ich wollte zwar schon davor eine Drag Queen sein, aber die traditionellen Möglichkeiten, diese Kunst zu verfolgen, interessierten mich nicht. Ich wollte meinen eigenen Weg finden und so kam es, dass ich meine zwei Leidenschaften – Drag und Video-Spiele – miteinander verbinden konnte.

Auf Twitch hat Deere über 19.000 Follower.

Auf Twitch hat Deere über 19.000 Follower.

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Waren die Reaktionen auf Ihre Videos von Beginn an positiv?

Anfangs schrieben Leute: “Pfui, was bist du denn?”

Nein, die ersten Reaktionen waren definitiv negativ. Wir müssen uns alle mit Provokateuren und unhöflichen Kommentaren auseinandersetzen – egal, wer du bist oder was du tust. Doch die positiven Kommentare bedeuten mir bis heute mehr als die gemeinen Kommentare. Anfangs schrieben Leute: “Pfui, was bist du denn? Was ist das, das ist ja eklig.” Doch für jeden provokativen Kommentar gab es wiederum hundert positive Kommentare. Zum jetzigen Zeitpunkt habe ich viele Abonnenten, Leute, die meine Arbeit schätzen. Das ist cool, weil ich Drag cool finde. Letztlich soll Drag einfach Spaß machen. Es sieht im wahrsten Sinne des Wortes fabelhaft aus und man lebt temporär in einer Fantasiewelt – bis man sich wieder abschminkt.

Auf Twitch haben Sie 20.000 Abonnenten – auf YouTube knapp 500. Warum ist Drag auf Twitch so beliebt?

Leute, die Drag mögen, greifen zunächst auf die gängigsten Möglichkeiten wie Fernsehen, Filme oder andere Medien zurück – oder sie gehen in ihre lokale Schwulenbar und schauen sich Drag-Shows an. Allerdings fehlt hier eine intime Verbindung. Du kannst die Drag Queens zwar sehen, aber du kannst nicht einfach ein Gespräch mit ihnen führen und in ihre Denkweisen eintauchen. Sie sind unantastbar. Beim Live-Streaming online hingegen ist es schön, dass du als Zuschauer direkt mit dem Streamer in Kontakt treten kannst. Mein Stream beginnt nicht erst beim Spielen, er beginnt bereits beim Schminken. So können die Leute hautnah dabei sein und mir Fragen stellen wie: “Wie kamst du zum Drag? Was ist dein Lieblings-Make-up Produkt?” Solche Gespräche sind auf anderen Plattformen wie zum Beispiel Instagram kaum möglich.

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Wie lange dauert es, bis Sie sich in Deere vewandeln?

Das hängt stark von der Komplexität des Looks ab. Schneller als anderthalb Stunden war ich noch nie. Anfangs benötigte ich teilweise drei Stunden – mittlerweile sind es durchschnittlich etwa zwei Stunden. Unterhalte ich mich aber mehr mit meinen Abonnenten, als dass ich mich schminke, brauche ich auch mal länger. Genauso wenn ich einen neuen Look kreiere, den ich niemals zuvor gemacht habe. Mein Stream dauert normalerweise etwa sechs bis acht Stunden. Einige ahmen meine Looks sogar nach, das ist wie eine neue Form der Fan-Art.

Sie haben 2019 das Team “Stream Queens” gegründet. Warum?

Für mich geht es bei Queer-Art nicht nur um eine Person, sondern um die Gemeinschaft.

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Als ich mit Drag angefangen habe, hatte ich online keine anderen Bezugspersonen. Doch mit der Weile traf ich immer mehr Leute, die als Drag Queen Video-Spiele streamten. Ich erreichte schnell ziemlich viele Menschen mit meinen Videos, das wollte ich gerne mit Gleichgesinnten ausweiten. Für mich geht es bei Queer-Art nicht nur um eine Person, sondern um die Gemeinschaft. Deshalb wollte ich das Rampenlicht, welches mir für meine Arbeit auf Twitch zu Teil wurde, nutze und es mit anderen Menschen teilen. Bei den “Stream Queens” handelt es sich um eine Drag-Truppe aus Kings, Queens, Charakteren und Kreaturen. Das Team umfasst Personen jeglichen Geschlechts und auch Menschen, die ihre Arbeit gar nicht mit Geschlechtern identifizieren.

Wieso ist die Repräsentation auf Twitch für Sie wichtig?

Drag ist für mich eine wichtige Kunstform. Wir Drag-Künstler stecken viel Liebe in unsere Arbeit. Für mich ist Drag eine Art, meine Persönlichkeit durch ein übertrieben dargestelltes Geschlecht auszudrücken. Denn als schwuler Mann wurde ich mein ganzes Leben lang dafür kritisiert, als Mann Weiblichkeit auszudrücken, weil es schwach und falsch sei. Für mich ist es Drag also eine Art, diese vermeintliche Schwäche in etwas Starkes und Schönes zu verwandeln.

Die Corona-Krise hat auch die Drag-Szene getroffen. Kann das Internet hier Ersatz bieten?

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Das war ja von Anfang an meine Motivation. Ich selbst bin nicht die Art von Person, die jeden Freitag im Club ist – ich bin ziemlich introvertiert, wenn ich nicht im Drag-Kostüm bin. Für mich macht es Sinn, die Kunstform Drag auch online sichtbar zu machen. Gerade in Zeiten der Isolation steckten so viele Menschen zu Hause fest. Ich konnte in dieser Zeit vermehrt streamen und so den Leuten zumindest online eine Flucht vom Alltag bieten. Für viele sind die Clubs die einzige Möglichkeit, sie selbst zu sein und mit Menschen ihresgleichen zusammen zu sein. Wenn sie dieses Erlebnis nun wenigstens online haben, ist das großartig für sie – teils sogar lebensverändernd.

Welche Pläne haben Sie für die Zukunft?

Ich hoffe, ich kann Menschen helfen, sich selbst zu lieben, sich selbst zu akzeptieren, dass sie einfach sie selbst sein können, ohne sich in Frage zu stellen. Ich wünsche mir, dass sie stolz auf sich selbst sein können, weil ich wirklich stolz auf das bin, was ich tue. Ich liebe, was ich mache, es kostet viel Kraft, authentisch zu sein.

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