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Fake, aber ehrlich: Das hat es mit den skurrilen Zweitaccounts auf Instagram auf sich

Schräge Grimassen: Während viele Nutzer auf ihrem offiziellen Account nur die besten Bilder posten, geht es auf Finstagram-Accounts deutlich weniger perfekt zu.

Schräge Grimassen: Während viele Nutzer auf ihrem offiziellen Account nur die besten Bilder posten, geht es auf Finstagram-Accounts deutlich weniger perfekt zu.

Hannover. Sucht man gezielt nach den speziellen Instagram-Accounts von Stars, eröffnen sich einem mitunter erstaunliche Dinge. Während etwa “Game of Thrones”-Star Sophie Turner auf ihrem offiziellen Instagram-Account romantische Schwarz-Weiß-Fotos, Bilder von Filmpremieren und Covershoots präsentiert, sieht es auf ihrem Zweitaccount ein wenig anders aus. Unter dem Namen “sophiessausagereviews” hat die Schauspielerin gerade einmal neun Beiträge gepostet, die nicht gerade appetitanregend fotografierte Fleischgerichte wie eine Frikadelle in Nahaufnahme oder ein etwas verkohltes Würstchen zeigen. Mit ihren schrägen Bekenntnissen ist Sophie Turner nicht allein: Die Sängerin Lorde etwa teilt auf ihrem Zweit-Account Bilder von frittierten Zwiebelringen, Schauspielerin Bella Thorne sammelt skurrile Memes von sich selbst und Justin Bieber kann man auf seinem inoffziellen Instagram-Account “skylarktylark” auf ganzen vier Fotos einmal komplett ungeschönt bewundern.

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Schräge Grimassen, unreine Haut: Ein Zweit-Account für ehrliche Fotos

Tatsächlich haben nicht nur die Stars, sondern auch sonst viele Instagram-Nutzer mittlerweile nicht mehr nur einen, sondern zwei Accounts. Einer davon, der offizielle, ist meist für die Öffentlichkeit oder zumindest viele Menschen aus dem persönlichen Umfeld zugänglich und zeigt den jeweiligen Nutzer von seiner besten Seite. Auf den zweiten Account haben im Normalfall nur die engsten Freunden Zugriff. Denn hier geht es deutlich weniger perfekt zu: Die Bilder, die der jeweilige Nutzer hier hochlädt, sind nicht selten unscharf oder verwackelt, zeigen denjenigen mit schrägen Grimassen, ungeschminkt, verschlafen oder mit unreiner Haut – wie man eben so aussieht, wenn man sich nicht gerade gestylt und stundenlang für einen vermeintlichen “Schnappschuss” gepost hat. “Finstagram”-Accounts nennen sich die geheimen Zweit-Accounts, die das Pendant zu der geschönten Hochglanzwelt des sozialen Netzwerks bilden. Das F steht dabei für “fake”. Das bedeutet in diesen Fällen jedoch nicht, dass sich ein User als jemand anderes ausgibt: “Fake” weist lediglich darauf hin, dass es sich nicht um den offiziellen Account eines Nutzers handelt. Die “echten” Accounts werden auch “Rinsta” – für “real Instagram” – genannt. Ursprünglich kommt der Trend aus den USA und wird vor allem in der Generation Z immer beliebter.

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“Real Instagram”: Gefährlich für Menschen mit wenig Selbstbewusstsein

Grund für die Beliebtheit von Finstagram könnte sein, dass das “wirkliche” Instagram einige Gefahren für die Psyche des Nutzers birgt. “Man macht sich abhängig von anderen und ist nicht mehr mit sich selbst zufrieden, so wie man gerade ist”, sagt der Psychologe Jürgen Walter, “kein Mensch ist perfekt” – auf Instagram aber sieht es ganz danach aus. Statt selbstsicher durchs Leben zu gehen, beginnen Nutzer, sich selbst und das eigene Leben ständig zu vergleichen und zu hinterfragen. Auf diese Weise verleite die Plattform dazu, sein Glück zu stark von anderen abhängig zu machen, sagt Jürgen Walter, konkret: von der Zahl der Follower und der Likes. Das betreffe vor allem Menschen, denen es an mentaler Stärke mangele, tendenziell eher Frauen und jüngere Menschen. Aber auch ältere Menschen, die nur wenige oder wenig verlässliche soziale Kontakte haben, sieht der Psychologe als gefährdet an.

Dabei folgt die Plattform einem Mechanismus, der bereits älter ist als gedacht: “Heute haben wir natürlich neue Techniken und Medien”, erklärt der Psychologe Jürgen Walter, “aber früher wurden auch schon Bilder gemacht.” Das Ziel war dasselbe wie heutzutage: “dazugehören, zeigen, was man kann, sich herausstellen gegenüber anderen, besser, schöner, schneller, stärker, attraktiver sein – es ist eine Art Grundbedürfnis, aus der Menge herauszuragen”, erklärt er. “Sieht man sich mal alte Fotoalben an, erkennt man: Da haben sich die Menschen auch schon schön gemacht, mit einem Strauß Blumen oder einem Sonnenschirm ausgestattet, richtig präsentiert.”

Psychologe: “Was einmal im Netz steht, das steht da”

Je mehr ein Mensch sich darüber klar wird, wie Instagram seine Nutzer manipuliert, desto eher kann er dem entgegensteuern: etwa mit Finstagram. Hier gibt es keine Follower-Schar, die ständig unterhalten und möglichst vergrößert werden muss. Stattdessen erhalten nur ausgewählte Personen aus dem engsten Kreis Zutritt zum Profil. Wer sich in der Finsta-Welt bewegt, sieht ein natürliches Bild der Realität – nämlich ein normales: “Man tauscht sich einmal ohne Filter aus, merkt, dass andere genauso sind”, sagt der Jürgen Walter. “Man muss sich nicht verstellen, darf sich mal so geben, wie man ist. Das ist ein sehr positiver Aspekt.” Allerdings gibt der Psychologe zu bedenken: “Was einmal im Netz steht, das steht da.” Anders als früher, als man peinliche Bilder einfach wieder aus dem Fotoalbum nehmen konnte, sind die Bilder aus dem virtuellen Finsta-Fotoalbum meist auch nach dem Löschen noch irgendwo im Internet zu finden. Und dadurch, dass man sich auf diesen Bildern so zeige, wie man ist, werde man natürlich umso verletzlicher, sagt der Psychologe. Insbesondere Eltern von minderjährigen Kindern sollten daher ein Auge auf die Onlineaktivitäten ihrer Kinder haben – dabei ist es aber egal, ob es nun um das Finstagram-Profil oder eine andere Plattform geht. Dennoch steht fest: Insgesamt dürfte Finstagram deutlich gesünder für die Entwicklung der Persönlichkeit sein als das “richtige”, aber leider unechte Instagram.

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