Darum sind Zyklus-Apps keine gute Verhütungsmethode
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Welcher Zyklustag ist heute? Die meisten Apps sind nichts weiter als ein elektronischer Kalender.
© Quelle: Patan/RND-Illustration
Hannover. Das Angebot ist breit: Der App-Store quillt geradezu über an Zyklus-Apps, die die fruchtbaren Tage einer Frau berechnen. Die wenigsten dieser Anwendungen sind allerdings offiziell dafür gedacht, eine Schwangerschaft zu verhindern. Vielmehr geht es darum, möglichst schnell schwanger zu werden. Dennoch setzen viele Frauen die Apps zur Verhütung ein – und haben ungeschützten Sex an ihren vermeintlich „unfruchtbaren“ Tagen. Eine hundertprozentige Sicherheit gibt es allerdings nicht.
18 von 23 getesteten Zyklus-Apps sind mangelhaft
Tatsächlich kann eine Frau nur an etwa fünf Tagen im Monat schwanger werden. Empfängnisbereit ist sie jeweils vier Tage vor dem Eisprung: In dieser Zeitspanne können Spermien im Körper überleben. Nach dem Eisprung ist eine Frau noch einen weiteren Tag lang fruchtbar. Sich zur Bestimmung der fruchtbaren Tage auf eine Zyklus-App zu verlassen ist jedoch oft riskant. Denn die meisten Apps sind dabei äußerst ungenau, und deshalb auch nicht offiziell als Verhütungsmethode zugelassen. In einer Untersuchung von Stiftung Warentest wurden 18 von 23 Zyklus-Apps als "mangelhaft" eingestuft. Bewertet hatten die Warentester dabei lediglich die Fähigkeit, Zyklus und fruchtbare Tage zu berechnen. Die Eignung als Verhütungsmittel wurde nicht getestet, erscheint aber aufgrund der Ergebnisse sehr fragwürdig.
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Professor Vanadin Seifert-Klauss ist als Expertin für Reproduktionsmedizin in der Klinik für Frauenheilkunde der Technischen Universität München tätig. Auch sie steht den Anwendungen eher skeptisch gegenüber: "Dabei geht es vor allem ums Geschäft. Eine wachsende Zahl von Firmen will mit den Apps Gewinne machen, und es gibt keinerlei Kontrolle darüber, was auf den Markt kommt."
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Viele Frauen überwachen ihren Zyklus per App – auch, um nicht schwanger zu werden. Wirklich zuverlässig ist die Methode allerdings nicht.
© Quelle: gpt
Das Ergebnis gleicht teilweise einem Lottospiel
Wie gut die Apps die fruchtbaren Tage bestimmen können, hängt zum einen davon ab, welche Daten dafür erhoben werden. Wird allein der Tag der letzten Regelblutung eingetragen, gleicht die Berechnung einem Lottospiel. Wer sich bei der Empfängnisverhütung auf solche Apps verlasse, die rein mathematisch funtionieren, könne „leicht eine lebensverändernde Überraschung erleben“, sagt der Leiter des Projekts von Stiftung Warentest, Gunnar Schwan. Andere Zyklus-Apps fordern Nutzerinnen zusätzlich auf, täglich ihre Körpertemperatur zu messen. Bei der Analyse des Zyklus ist das hilfreich, denn nach dem Eisprung steigt die Körpertemperatur jeweils leicht an – und sinkt erst mit der nächsten Monatsblutung und damit dem Beginn eines neuen Zyklus wieder ab. Von Stiftung Warentest bekommen aber auch solche Apps ein schlechtes Zeugnis, weil sie zu ungenau sind. Auch Seifert-Klauss sieht die Methode kritisch: „Die Auswertung der Basaltemperatur allein reicht nicht, um die fruchtbaren Tage einer Frau sicher zu bestimmen. Der weibliche Zyklus ist nicht immer so einfach berechenbar.“
Die Note "gut" vergab die Stiftung Warentest nur an die zwei Apps Lady Cycle und My NFP. Beide basieren auf einem Verfahren, das von der deutschen Arbeitsgruppe Natürliche Familienplanung (NFP) entwickelt wurde. Sie werden auch vom Bundesverband der Frauenärzte als am ehesten zuverlässig eingestuft – vorausgesetzt, man gibt die richtigen Daten ein.
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Frauen müssen dabei nicht nur täglich ihre Temperatur messen, sondern auch prüfen, wie ihr Zervixschleim beschaffen ist: Sekret, das am Übergang von der Gebärmutter in die Scheide gebildet wird. Denn auch das ist ein wichtiges Fruchtbarkeitsmerkmal. In Zeiten der Empfängnisbereitschaft ist das Zervixsekret klar und dünnflüssig, was es den Spermien leichter macht, zur Eizelle zu gelangen. An unfruchtbaren Tagen verschließt zähflüssiger Schleim den Zugang zur Gebärmutter. Alles ordentlich zu messen und zu prüfen erfordert Übung. Eine Anleitung geben die Apps nicht. Doch Frauen können sich über das Onlineportal nfp-online.com telefonisch oder per Mail beraten lassen.
Das Richtige für Paare, die ein Restrisiko in Kauf nehmen
„Apps die auf der NFP-Methode basieren, sind wahrscheinlich noch die verlässlichsten, und der Sicherheitsindex ist im Vergleich mit anderen Methoden nicht schlecht“, sagt Vanadin Seifert-Klauss. „Letztendlich geht es aber bei solchen Methoden immer noch um Wahrscheinlichkeiten. Man bekommt keine Garantie, dass eine Schwangerschaft verhindert wird.“ Andererseits sei es gut, dass Alternativen zur Pille geboten werden. Apps, die auf einer seriösen Methode wie der NFP basieren, seien vielleicht das Richtige für Paare, für die hormonelle Verhütungsmethoden nicht infrage kommen, die aber mit einem gewissen Restrisiko einer ungeplanten Schwangerschaft sehr gut leben können.
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Von Irene Habich/RND