Krankschreibung: die sieben größten Mythen im Faktencheck
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Krank, aber richtig: Rund um die Krankschreibung existiert viel Halbwissen.
© Quelle: AOK
Berlin. Der Schädel brummt, der Rücken schmerzt, Grippe lässt das Fieber auf über 38 Grad Celsius steigen. Im ersten Halbjahr 2022 waren Beschäftigte so lange krankgeschrieben wie noch nie im selben Zeitraum. Das zeigt der aktuelle Gesundheitsreport der Techniker-Krankenkasse, die die Daten von 5,5 Millionen Erwerbstätigen ausgewertet hat.
So fehlten Angestellte in den ersten sechs Monaten des Jahres 2022 durchschnittlich 9,1 Tage am Arbeitsplatz. Zum Vergleich: Im ersten Halbjahr 2021 waren es 6,8 Tage und im ersten Corona-Halbjahr 2020 beliefen sich die Fehltage im Schnitt auf 7,9 Fehltage.
Doch was muss man eigentlich beachten, wenn man krank ist? Tobias Werner, Fachanwalt für Arbeitsrecht, hat die Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Wann muss ein ärztliches Attest beim Arbeitgeber vorliegen?
Der Krankenschein muss spätestens nach Ablauf des dritten Krankentages im Betrieb vorliegen – sofern es im Arbeits- oder Tarifvertrag nicht anders vereinbart worden ist. Aber auch ohne explizite Regelung im Arbeitsvertrag ist der Arbeitgeber kraft seines Direktionsrechts berechtigt, die Vorlage der ärztlichen Bescheinigung auch schon ab dem ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit zu verlangen.
Wichtig ist in jedem Fall, dass die Beschäftigten umgehend und bestenfalls vor Arbeitsbeginn im Betrieb Bescheid geben, dass sie krank sind und nicht arbeiten können. Am besten telefonisch oder per E-Mail beim Vorgesetzten beziehungsweise in der Personalabteilung.
„Gelber Schein“ fällt weg: So sieht die Krankmeldung ab Januar 2023 aus
Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung müssen Arbeitnehmer ab 2023 dem Arbeitgeber nicht mehr vorlegen – das geschieht elektronisch.
© Quelle: dpa
Muss man angeben, welche Krankheit man hat?
Nein, das muss man nicht. Es steht natürlich jeder und jedem frei, den Arbeitgeber und dem Team trotzdem den Grund der Arbeitsunfähigkeit mitzuteilen.
Wichtig zu wissen: Eine Vielzahl der gefährlichen und ansteckenden Krankheitserreger – darunter Masern, Polio, Hepatitis B oder Influenza – unterliegt nach dem Infektionsschutzgesetz der behördlichen Meldepflicht. Das bedeutet, dass der Arzt beziehungsweise die Ärztin bei Diagnose eines dieser Erreger das zuständige Gesundheitsamt informieren muss. Und zwar unter Angabe von persönlichen Daten der Erkrankten. Das Gesundheitsamt wiederum verfügt über weitreichende Kompetenzen, entsprechende Maßnahmen – auch in den Betrieben – einzuleiten.
Während einer Erkrankung kann nicht gekündigt werden, oder doch?
Es ist ein weitverbreiteter Irrtum, dass, solange man krankgeschrieben ist, ein besonderer Kündigungsschutz vorliegt. Auch wer krank ist, dem kann gekündigt werden. Ob der Arbeitgeber schlussendlich einen Kündigungsgrund nachweisen kann, steht indes auf einem anderen Blatt.
Langzeiterkrankungen oder ständige Kurzzeiterkrankungen können sogar besondere personenbedingte Kündigungsgründe sein.
Dürfen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer trotz Krankschreibung arbeiten?
Eine Krankschreibung ist kein Arbeitsverbot. Ärztinnen und Ärzte können nicht auf den Tag genau voraussagen, wann Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wieder gesund sind. Wer früher als erwartet wieder arbeitsfähig ist, sollte wieder arbeiten. Der Arbeitgeber darf jedoch nicht verlangen, dass Arbeitnehmende arbeiten, obwohl sie noch nicht wieder in der Lage dazu sind.
Darf man trotz Krankschreibung das Haus verlassen?
Natürlich! Alles, was der Genesung nicht hinderlich ist, ist erlaubt. Das heißt auch, dass kranke Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sogar, und gegebenenfalls nach Rücksprache mit ihrer Krankenkasse, in den Urlaub fahren dürfen. Vorausgesetzt, sie gefährden damit nicht den Heilungsprozess.
Wer im Urlaub krank wird, hat Pech gehabt?
Nein, das hat er nicht. Die Urlaubstage werden den Betroffenen entsprechend gutgeschrieben. Aber auch hier gilt: Der Arbeitgeber sollte umgehend informiert werden.
Übrigens: Auch wenn die Urlaubstage erhalten bleiben – sie dürfen nicht eigenmächtig an die Krankheitstage drangehängt werden. Der Arbeitgeber muss den Urlaub neu genehmigen.
Zu diesem Thema gibt es ein brandaktuelles Urteil: Bei Langzeitkranken sind bisher die Urlaubsansprüche normalerweise nach 15 Monaten verfallen. Nach einer neuen Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs ist nun aber klar, dass dies nicht ohne Weiteres zulässig ist. Zumindest nicht, wenn der Arbeitgeber versäumt hat, auf den drohenden Urlaubsverfall hinzuweisen, das heißt, die Arbeitnehmerin oder den Arbeitnehmer nicht rechtzeitig in die Lage versetzt hat, ihren oder seinen Urlaub zu nehmen.
Muss ich Urlaub nehmen, wenn mein Kind krank ist?
Nein, das wäre wohl nur im Ausnahmefall notwendig. Zunächst einmal legt Paragraf 616 des Bürgerlichen Gesetzbuchs fest, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihren Anspruch auf Vergütung nicht verlieren, wenn sie für eine „verhältnismäßig nicht erhebliche“ Zeit ihre Arbeitsleistung nicht erbringen können – und zwar aus Gründen, die sich ohne eigenes Verschulden ergeben haben. Dazu gehört auch die Pflege des eigenen kranken Kindes.
Allerdings ist in vielen Arbeitsverträgen diese gesetzliche Grundregelung explizit ausgeschlossen, was auch zulässig ist. Das heißt: In diesen Fällen zahlt der Arbeitgeber keine Vergütung, wenn das Kind krank ist und man zu Hause bleiben muss.
In diesem Falle greift aber das in Paragraf 45 SGB V geregelte sogenannte Kinderkrankengeld. Bei gesetzlich versicherten Eltern zahlt dann die Krankenkasse das Krankengeld – maximal zehn Tage pro Kind im Jahr, für Alleinerziehende gelten 20 Tage.
Darf der Arbeitgeber seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einfach mit krankem Kind von zu Hause weiterarbeiten lassen?
Nein, das kann der Arbeitgeber nicht verlangen. Es ist allerdings auch nicht verboten: Wer die Möglichkeit hat, zumindest für eine begrenzte Zeit zu Hause zu arbeiten, kann das dem Arbeitgeber anbieten. Zum Beispiel wenn ein wichtiges gemeinsames Projekt beendet werden muss.