„Pures Adrenalin“: Im Wald mit einem, der sein Holz selbst macht
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Beim Holzhacken ist die passende Kleidung wichtig. (Symbolbild)
© Quelle: Abby Savage/unsplash
Vergessen Sie den lieblichen Gesang der Buchfinken! Das zarte Klopfen des Spechtes. Das verliebte Gurren der Tauben und das leise Knacken der Äste, die vom Wind zärtlich bewegt werden. Das alles wird in diesen Tagen im Wald durch ganz andere Geräusche übertönt: Da röchelt der Motor der Kettensäge, wenn sie nicht gleich anspringen will. Dann heult sie plötzlich laut auf, um sich anschließend kreischend im Holz zu verbeißen. Und immer wieder ertönt das dumpfe und stakkatohafte Klopfen der Äxte, die auf gesägte Stämme niedersausen.
Für alle, die in der Natur Ruhe und Erholung suchen, ist dieser Lärm zur Zeit ein Graus. Ich dagegen muss gestehen: In meinen Ohren klingt er wie lieblicher Gesang – vor allem wenn ich selbst der Krachmacher bin. Das heißt, allzu viel lasse ich davon nicht an mein Trommelfell. Vor Hörschäden schützt mich meine „Micky-Mouse“, eine Art Kopfhörer mit umgekehrter Funktion: Die Musik spielt draußen, innen bleibt es einigermaßen ruhig.
Die passende Ausrüstung
Überhaupt: Die Ausrüstung ist wichtig, nicht nur aus Sicherheitsgründen. Wer etwas auf sich hält in der Holzmacherszene, trägt Outdoorkleidung in Tarnfarben wie eine schnittfeste Latzhose und eine warme Jacke mit vielen Taschen für allerhand Nützliches: kleine Werkzeuge, Pflaster, Schokoriegel. Wie konstraststarke Accessoires wirken Helm, Ohrschützer, Schuhe mit Stahlkappe und Arbeitshandschuhe in knalligen Farben.
Männermode in einer der scheinbar letzten Männerdomänen. Frauen sind hier die absolute Ausnahme. Meist sind wir zu zweit im Einsatz: Einer sägt, der andere hackt und schleppt die Baumscheiben auf einen Anhänger oder in einen Transporter. Die Zeit ist begrenzt, gearbeitet wird oft wie besessen, bis der Schweiß auch bei beißender Kälte in Strömen fließt und literweise Wasser nachgetankt werden muss.
Das sollte man beim Holzmachen beachten
Auch wenn das Sägen und Hacken von Holz im Wald etwas Archaisches an sich hat – einige Regeln müssen oder sollten eingehalten werden: Die Hochsaison für Holzmacher beginnt meist im späten Winter. Dann haben die Forstämter im Wald „aufgeräumt“. Das Holz muss in der Regel innerhalb weniger Wochen weggeschafft werden, begrenzender Faktor ist der Beginn der Brut- und Setzzeit.
Auf eigene Faust loszuziehen und im Wald zu wildern, ist verboten. Das Holz muss beim Förster oder der Försterin erworben werden. Er oder sie stellt auch eine Einschneidgenehmigung und eine Erlaubnis zur An- und Abfahrt aus. Wer die Motorsäge bedient, muss eine entsprechende Ausbildung an dem Gerät vorweisen können. Eine ausreichende Schutzkleidung ist unbedingt zu empfehlen. Auch sollte nicht allein gearbeitet werden, damit bei einem Unfall schnell Hilfe geholt werden kann.
Wenn Manager zu Jägern werden
Wer beim Arbeiten zuschaut, muss den Eindruck gewinnen, dass das Holzmachen Urtriebe freisetzt: In den Gesichtern der Männer spiegelt sich wilde Entschlossenheit, durch die Adern wird pures Adrenalin gepumpt, im Gehirn werden Unmengen Dopamin ausgeschüttet. Selbst Angestellte oder Manager, die körperliche Arbeit im Job nur vom Hörensagen kennen, werden hier zum Jäger. Männer im Kampf gegen den Baum. Ausgesetzt in der Wildnis des städtischen Forstes. Auf das Wesentliche fokussiert.
Die wenigsten fällen den Baum allerdings noch selbst. Die Försterinnen und Förster haben zuvor ganze Arbeit geleistet. In der Regel liegen die Stämme vorkonfektioniert und sauber gestapelt am Wegesrand. Der Holzmacher schaut sich die Stapel an und schätzt ab, wie viel und was er braucht. Der Kauf wird per Handschlag besiegelt und das Geld bar hingeblättert. Anschließend werden die Stapel mit der Sprühdose und einem Namenskürzel gekennzeichnet. Für den Holzmacher ist das ähnlich bedeutsam wie für Graffiti-Sprayer das eigene Tag. Jedes Mal, wenn er zu Fuß oder mit dem Rad vorbeikommt, fällt der Blick stolz und liebevoll auf das Zeichen.
Konkurrenzkampf unter Holzmachern
Was aber noch wichtiger ist: Der Förster oder die Försterin erteilt nicht nur die Lizenz zum Holzmachen, sondern auch einen Passierschein, der mindestens so viel wert ist wie eine Audienz beim Papst oder ein Ritterschlag der Queen. Denn der Inhaber darf nun mit dem Auto in den Wald! Forst-, Spazier- und Radwege sind für ihn kein Tabu mehr. Sollen die Ausflügler und Erholungssuchenden beim Vorbeifahren nur grimmig gucken – man hat die exklusive Fahrerlaubnis.
Beim Arbeiten zeigt sich dann, ob die technische Ausrüstung zum gewählten Holzstapel passt. Denn nicht immer reicht die Kettensäge aus, um dicke Stämme in feine Streifen zu filetieren. Gern führen sich die Holzmacher gegenseitig ihre Kettenblätter vor. Wer das längste hat, ist König. In der Szene ist ein offenes Geheimnis, dass nur bestimmte Markensägen Anerkennung finden, sozusagen die Edelkarossen unter den Maschinen. Auch das übrige Equipment muss stimmen: Öl und Benzin zum Nachfüllen und eine große Zahl an scharfen Ersatzketten, weil deren Zähne im Holz schnell stumpf werden.
Nach getaner Arbeit
Wenn der Transporter oder Hänger voll beladen ist, wird die erste Fuhre zu Hause in Sicherheit gebracht. Das Holz ein paar Tage vor Ort liegen zu lassen, ist keine gute Idee – oft bekommt es erstaunlicherweise Beine. Nach dem Abladen geht es gleich zurück in den Wald und den nächsten Stämmen an den Kragen. Bei allem Arbeitseifer – irgendwann ist Zeit für eine Pause. Wir sitzen dann auf einem Holzklotz, eine Tasse dampfenden Kaffees in der einen und ein deftiges Brötchen in der anderen Hand und ziehen erste Bilanz: Haufen heller Sägespäne zeugen vom eigenen Fleiß. Die Stapel sind schon ordentlich ausgedünnt, die Arme allerdings irgendwie auch.
Aber selbst wenn die Kräfte schwinden – es hilft ja nichts: Der Rest muss noch weg. Bei einsetzender Dunkelheit ist spätestens Schluss, samstags sogar schon um 13 Uhr. Also noch einmal alles raushauen, was in einem steckt. Erst wenn der letzte Stamm gesägt, das letzte Kettenblatt stumpf geworden und der letzte Tropfen Benzin verbraucht ist, stellen wir wie immer fest, dass man zwar mit etwas mehr Geld ofenfertiges Brennholz kaufen kann, aber dass wir dann einen großen Spaß verpasst hätten. Völlig ausgelaugt, jedoch stolz und zufrieden fahren wir nach Hause und strecken uns für den Rest des Wochenendes auf dem Sofa aus. Noch Tage später erinnert der Schmerz in allen Gliedern an das kleine Abenteuer im Wald.