Grüne Quartiere: Wie die Stegerwaldsiedlung in Köln klimaneutral wurde
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In der Stegerwaldsiedlung im Kölner Stadtteil Mühlheim ist die Energiewende gelungen: Der Bedarf an fossilen Energien konnte um bis zu 83 Prozent und der CO₂-Ausstoß um 72 Prozent gesenkt werden.
© Quelle: Sebastian Hoff
Köln. Wenn es um nachhaltige Energieversorgung geht, rücken zunehmend Quartiere in den Fokus. Einzelne neue Wohnviertel erreichen bereits das Ziel der Klimaneutralität, wenn sie dichte Gebäudehüllen mit erneuerbaren Energien kombinieren. Im Bestand ist die Herausforderung hingegen deutlich größer. In der Stegerwaldsiedlung im Kölner Stadtteil Mühlheim ist die Energiewende aber bereits gelungen: Der Bedarf an fossilen Energien konnte um bis zu 83 Prozent und der CO₂-Ausstoß um 72 Prozent gesenkt werden.
Strom, Wärme, Mobilität: Ganzheitlicher Blick auf Energiewende
Erreicht wurden die guten Werte durch einen ganzheitlichen Ansatz, der sowohl die Gebäude und ihre Energieversorgung als auch verkehrliche Aspekte und innovative digitale Technik berücksichtigt. Beteiligt waren mehrere Akteure – von der Deutschen Wohnungsgesellschaft (Dewog) über die Rheinenergie bis hin zu den Kölner Verkehrsbetrieben (KVB). Die Stadt Köln koordinierte das Vorhaben, das mit EU-Mitteln aus dem Projekt „Grow Smarter“ gefördert wurde.
„Das war echte Pionierarbeit, eine Art Reallabor. So etwas hat es in Deutschland in dieser Dimension noch nicht gegeben“, berichtet Christian Simon, Prokurist der Dewog. Und Energieexpertin Kristin Bürker von der Rheinenergie ergänzt: „Das war für alle Beteiligten totales Neuland, ein riesiges, visionäres Projekt. Wir benötigten lauter Sonderanfertigungen, kaum etwas hier ist von der Stange.“
Umbau der Stegerwaldsiedlung
Information trug zur Akzeptanz bei
Die Stegerwaldsiedlung wurde in den 1950er-Jahren in Köln-Mühlheim gebaut. Sie ist 31 Hektar groß und bildet mit insgesamt rund 1600 Wohnungen einen eigenen kleinen Stadtteil. Die Bewohnerschaft ist heterogen und sozial durchmischt. Viele Gebäude wurden bereits ab 1998 modernisiert und werden seither mit gasbetriebenen Luft-Wärme-Pumpen versorgt. Im Rahmen des EU-Projekts „Grow Smarter“ wurden die energetischen Ziele deutlich angehoben. Während der Bauphase, die mit Belastung verbunden war, wurden die Bewohnerinnen und Bewohner ausführlich informiert, unter anderem wurde ein Infobüro eingerichtet. Das trug zur hohen Akzeptanz des Projekts bei. Die Mieten konnten trotz der Aufwertungen der Gebäude auf einem niedrigen Niveau gehalten werden: Sie beträgt aktuell 9 Euro pro Quadratmeter, bei Neuvermietung werden 10 Euro genommen.
Zunächst ging es darum, den Energieverbrauch zu senken und den Wohnkomfort zu erhöhen: Zwischen 2015 und 2019 wurden 16 Gebäuderiegel mit fast 600 Wohnungen energetisch saniert und modernisiert. Keller, Dachböden und Dächer wurden gedämmt. Die Häuser erhielten teilweise neue, dreifach verglaste Fenster. Die ursprünglichen Dachböden wurden abgerissen und so wiederaufgebaut, dass 95 neue Wohnungen entstanden. Außenfahrstühle erschließen nun die Wohnungen barrierearm. Weil sie beim Bremsen Strom zurückgewinnen, sind sie vergleichsweise energieeffizient. Außerdem wurden Balkone angebaut und die Elektrik erneuert. Die Treppenhäuser werden nun durch sparsame LEDs beleuchtet.
Ein weiterer wesentlicher Baustein war die weitgehend autarke Versorgung mit Strom und Wärme. Auf alle Dächer wurden Fotovoltaikanlagen montiert. Die gesamte Kollektorfläche beträgt rund 5600 Quadratmeter. „Wir haben alles ausgereizt, der Strombedarf ist im Sommer komplett gedeckt“, sagt Brücker. Mit dem gewonnenen Solarstrom werden unter anderem die Luft-Wärme-Pumpen betrieben. 41 große Anlagen wurden in den weitläufigen, fast parkähnlichen Gärten zwischen den Häusern verteilt. In der Regel reicht ihre Leistung aus, um die Häuser zu beheizen. An kalten Wintertagen kann zusätzlich auf klimaschonend erzeugte Fernwärme zurückgegriffen werden. Warmes Wasser wird in Speichern vorgehalten, die mit einem Heizstab ausgerüstet sind, der ebenfalls mit Solarstrom betrieben wird.
Eine alte Wohnsiedlung wird zum klimafreundlichen Vorzeigequartier
Strom, Wärme, Mobilität: In der Stegerwaldsiedlung in Köln wurde an allen Stellschrauben gedreht - mit Erfolg.
© Quelle: RND
Strom vom eigenen Dach
„Der Stromverbrauch erfolgt nach einem kaskadenförmigen Prinzip“, erläutert Bürker. Zunächst werden damit die Wärmepumpen und die Warmwasserspeicher betrieben. Überschüssiger Strom speist die insgesamt 16 Batteriespeicher. Sobald diese gefüllt sind, wird der Strom ins Netz geleitet. Die Haushalte können über ein Mieterstrommodell günstig Strom vom eigenen Hausdach beziehen. Der Eigenversorgungsanteil beträgt bis zu 50 Prozent.
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Die Steuerung übernimmt ein sogenanntes „Siedlungsmanagement“. Das System ist selbstlernend und wertet fortlaufend alle Verbrauchs- und Klimadaten sowie das Verhalten der Verbraucherinnen und Verbraucher aus. Aus den gewonnenen Daten werden 15-Minuten-Fahrpläne erstellt, die dafür sorgen, dass immer ausreichend Energie zur Verfügung steht und effizient eingesetzt wird. Ziel ist zudem ein möglichst geringer CO₂-Ausstoß. Ans „Siedlungsmanagement“ sollten individuelle Smarthome-Anwendungen gekoppelt werden, die kostenlos zur Verfügung gestellt wurden. Allerdings hatten daran nur wenige Haushalte Interesse.
Nachhaltiges Verkehrskonzept
Der letzte Baustein des Konzepts betrifft die Mobilität: Im zentral gelegenen Mobilitätshub stehen elektrisch betriebene und konventionelle Fahrzeuge eines Carsharinganbieters sowie Fahrräder zum Ausleihen, darunter einige E-Bikes. Ladeinfrastruktur ist vorhanden. Die Straßenbahn ist zu Fuß gut erreichbar, die KVB baute sogar eine neue Station. Die Bewohnerinnen und Bewohner können ein Kombiticket beziehen, das Fahrten mit Bussen und Bahnen sowie die Ausleihe von E-Bikes ermöglicht. In der Siedlung wurden zudem zwei Sharingparkplätze eingerichtet. Über eine App können diese gezielt angesteuert werden, sodass der Suchverkehr reduziert wird.
Die Dewog investierte rund 50 Millionen Euro. Findet ein Mieterwechsel statt, werden die Wohnungen weiter modernisiert. Die Einsparungen an Energie, CO₂ und Kosten gelangen allerdings nicht sofort im optimalen Umfang. „Die Nutzerinnen und Nutzer mussten auch ihr Verhalten umstellen. Es hat ein bis zwei Heizperioden gedauert, bis sich alles eingespielt hatte“, berichtet Simon.