Wolfgang Ullrich – Lebensfroher Tierfreund in schwierigem Amt

Zumindest eine Entscheidung zum Wohle der Stadt hat Dresdens verflossener Oberbürgermeister Walter Weidauer getroffen: Als der junge Wolfgang Ullrich nach dem Biologie-Studium an der Technischen Hochschule Dresden 1950 bei Weidauer vorsprach und bescheiden anfragte, ob er nicht einen Assistenten im Zoo gebrauchen könne, soll dieser geantwortet haben: „Nein, einen Assistenten brauche ich nicht, wohl aber einen Zoo-Direktor.“ Noch im gleichen Jahr trat der damals 27-Jährige als jüngster deutscher Zoo-Direktor ein schweres Amt in einer schwierigen Zeit an: Von dem, was den Dresdner Zoo unter Gustav Brandes und vor ihm Vater und Sohn Schoepf einst berühmt machte, hatte der Krieg so gut wie nichts mehr übrig gelassen. Der junge Ullrich ging daher zunächst daran, Tiere herbeizuschaffen, alte Unterkünfte in Stand zu setzen, neue mehr oder minder provisorisch herzurichten. Seine besondere Liebe galt den Guerezas: Es war 1951, als Ullrich mit Elefantenkuh Carla das erste im Interzonenhandel erworbene Zoo-Tier nach Dresden holte. Ihr folgten im Jahr darauf Lamas, Zebras, Seelöwen, Flamingos und – natürlich Schimpansen. Jacky, einem jungen Schimpansen, und seiner Freundin Tschita gewährte der Zoo-Direktor mangels Unterkunft etliche Monate Asyl in einem Zimmer seiner Privatwohnung. Überhaupt galt seine besondere Liebe den Affen – den Guerezas als seltenen Blätterfressern, über die er 1958 promovierte, den ersten beiden Orang Utans nach dem Kriege, die 1959 wieder in Dresden heimisch wurden, und Gorilla Benno, der 1961, im 100. Jahr des Bestehens des Zoos, kam und noch heute lebt – in Mexiko. Studienreisen führten Ullrich in den fünfziger Jahren nach Ostafrika, in den Sechzigern nach Indien, Nepal und Sri Lanka. Seine Beobachtungen in den Steppen und Bergwäldern mit ihrem Tierreichtum hielt Ullrich in mehreren Büchern fest. In seinen zahlreichen Vorträgen, Veröffentlichungen vor allem in der damaligen „Union“ und der unterhaltsamen Fernsehreihe „Der gefilmte Brehm“ wird vor allem eines immer wieder deutlich: die Ehrfurcht vor allem Leben. In Ullrichs Zeit als Zoo-Direktor fallen der Wiederaufbau des Raubtierhauses zwischen 1953 und 63, die Eröffnung des Aquariums/Terrariums im Jahre 1961, die Einrichtung der Zooschule 1969 und der Bau des Primatenhauses als erstes und bis zu seinem Tode einziges großes Gebäude, das nicht auf alten Fundamenten ruht. Sein Traum von einer großen Menschenaffen-Station indes hat sich bis heute nicht erfüllt. Freunde erinnern sich, dass Ullrich – von Natur aus eigentlich ein lebensfroher Mensch von ansteckender Fröhlichkeit, der auch ein Meister des Handpuppenspiels war – in den letzten Jahren mitunter entmutigt wirkte. Es wollte in der DDR-Mangelwirtschaft nicht so recht vorwärtsgehen und auch so manch mühsam errichtetes Provisorium im Zoo bereitete seine Probleme. Gleichwohl verzeichnete der Zoo unter Wolfgang Ullrich – freilich unter gänzlich anderen Bedingungen als heute – in den Sechzigern und Siebzigern mitunter weit über eine Million Besucher im Jahr. Von Alois Andritzki bis Udo Zimmermann – Alle Porträts in unserem Special Nach unheilbarer Krankheit starb am 26. Oktober 1973 – wenige Wochen nach seinem 50. Geburtstag – mit Prof. Dr. Wolfgang Ullrich viel zu früh ein Mann, der 23 Jahre lang die Geschicke des traditionsreichen Dresdner Zoologischen Gartens geleitet hatte und dessen Name in einem Atemzug mit berühmten Vorgängern wie Albin und Adolf Schoepf oder Gustav Brandes genannt zu werden verdient. Aus den Dresdner Neuesten Nachrichten vom 14. November 2000. Von Katrin Richter

100 Dresdner des Jahrhunderts - Wolfgang Ullrich – Lebensfroher Tierfreund in schwierigem Amt