Peter Herden – Prof. Henry Higgins, aber noch viel mehr

Mehr als ein halbes Jahrhundert hat Peter Herden in Dresden Theater gespielt. Der gebürtige Holsteiner hatte in Breslau studiert, der Zweite Weltkrieg verschlug ihn nach Altenburg und Plauen, wo er mit seinem komödiantischen Talent entdeckt wurde. Herden wurde an der Elbe heimisch – und blieb, obwohl Legionen von Kollegen auf ihrem Karriereweg weiter zogen Richtung Berlin, um an den Hauptstadttheatern, bei Film und Fernsehen Fuß zu fassen. Herden schaffte es von Dresden aus, Leinwand und Bildschirm zu erobern. Der ersten Fernsehgeneration in der DDR bescherte er unvergessliche Erlebnisse als umstrittenes und umschwärmtes Familienoberhaupt in „Papas neue Freundin“, und den beiden Fortsetzungen, die ungezählte Wiederholungen erlebten. Er war die reife Vaterfigur neben Helga Raumer, eher ein bürgerlicher Intellektueller, eigentlich gar nicht typisch für eine sozialistische Familie, aber überzeugend durch die Ausstrahlung seiner ganz eigenen Persönlichkeit. 446 Mal „My Fair Lady“: In den 50er und 60er Jahren war er an zahlreichen Film- und Fernsehproduktionen beteiligt, die er in einer Art Doppelleben neben seinem anstrengenden Bühnenengagement bewältigte. Aber es war ihm nicht vergönnt, maßgeblich an einer der wenigen Babelsberger Produktionen beteiligt zu sein, die die Zeiten überdauerten. Für die meisten Dresdner ist und bleibt Herden wohl der unvergessene Henry Higgins, der zusammen mit Marita Böhme 446 Mal in „My Fair Lady“ auftrat. Eine Rolle, die wie für ihn geschaffen schien, mit einer äußeren Disziplin und Korrektheit, die auf liebenswerte Weise unvollkommen kaschiert, wie angreifbar dieser Professor letztlich ist. Ganz nebenbei brachte er auch das musikalische Talent ein, um sich im Musiktheater zu behaupten. Herden war ein Komödiant der besonderen Art, einer, der seinen Figuren trotz Fehltritten und Niederlagen, trotz Eitelkeit und voreiliger Siegesgewissheit ihre Glaubwürdigkeit zu bewahren wusste und denen man deshalb gerne verzieh. Abgesehen davon, dass sein unverwechselbar timbriertes Organ und die klare Diktion noch immer auch für Stimmen höherer Mächte taugten, der Gentleman auf der Bühne wurde zur Legende. Herden spielte mehr und mehr sperrige Typen, Außenseiter, an den Rand Gedrängte. Der jüdische Offizier Hirschburg in Christoph Heins „Passage“ verband noch einmal beides, anrührend, mit kantiger Herbheit und doch einer unverwechselbaren Grandezza glaubhaft dargestellt. Auch mit der zweiten bedeutenden Hein-Uraufführung in Dresden, den „Rittern der Tafelrunde“ bleibt Herdens Name verbunden, er war der Lanzelot, der die Kunde vom einsetzenden Umbruch an Artus’ Hof brachte. Von Alois Andritzki bis Udo Zimmermann – Alle Porträts in unserem Special Inzwischen Ehrenmitglied des Staatsschauspiels Dresden, spielte er hier in der kleinen Beziehungskomödie „Zimmer frei“ seine letzte Hauptrolle, einen Opa, der auf seine alten Tage plötzlich mit einer flippig-gruftigen jungen Frau auskommen muss und auch diese schwierig-konstruierte Beziehung meistert. Ein Ausstand nach Maß wurde erst in diesem Winter die Rolle des Willie Clark, die er 16 Jahre zuvor schon einmal im Kleinen Haus gespielt hatte. In die Geschichte vom Abschied (zweier gealterter Comedy-Stars) konnte er nun seine ganze Erfahrung legen – darstellerisch wie menschlich. In dieser Inszenierung von Horst Schönemann nimmt Peter Herden nun seinen endgültigen Bühnenabschied in der Komödie Dresden. Vom 1. bis 8. August wird man ihn noch einmal in Neil Simons „Sonny Boys“ erleben können. Aus den Dresdner Neuesten Nachrichten vom 23. Mai 2000. Von Tomas Petzold

100 Dresdner des Jahrhunderts - Peter Herden – Prof. Henry Higgins, aber noch viel mehr