Matthias Sammer – Vom Straßen-Kicker zum Star mit Weltruhm

Wenn der Vater mit dem Sohne: Es ist über ein Vierteljahrhundert her, als man einen rotblonden Knaben auf einer Hinterhofwiese der Webergasse unermüdlich an den Ball tretend beobachten konnte. Die fachlichen Anweisungen kamen von einem seinerzeit berühmten Mann. Klaus Sammer, 17-facher Auswahl-Spieler in Dynamo-Diensten, heute Trainer beim Deutschen Fußball-Bund, brachte seinem Jungen das Kicker-ABC bei. Schon als Kleinkind war Matthias an der Hand von Mutter Dörthe aufmerksamer Stammgast im Rudolf-Harbig-Stadion bei den Spielen der Schwarz-Gelben. Matthias Sammer, geboren am 5. September 1967 in Dresden, gelernter Maschinen- und Anlagenmonteur, durchlief alle Altersklassen bei Dynamo von 1972 bis Juni 1990, bestritt 102 Oberliga-Begegnungen, schoss 39 Tore und wirkte in 20 Europacup-Partien mit (zwei Tore). Mit 23 Länderspielen für die DDR, darunter das letzte am 12. September 1990 in Brüssel gegen Belgien, in dem er beide Treffer zum 2:0 markierte, übertraf er sein väterliches Vorbild. „Feuerkopf“ und „Mister Hundertprozent“: Vorbild in jeder Beziehung – wie der (immer parteilose) „Lange“ ließ sich auch sein Sohn von der damaligen Obrigkeit im Osten nie verbiegen. „Als Spieler beim Polizeiverein Dynamo durfte ich meiner Oma und meiner Tante in Hamburg keine Briefe schreiben. Wenn man den Kontakt zur eigenen Familie verboten bekommt, wächst man in einem Klima von Misstrauen auf. Und die Haltung von Geduckten hatte auch den Fußball geprägt.“ Im Sommer 1990 wurde aus dem Sachsen ein Schwabe durch den Wechsel zum Bundesligisten VfB Stuttgart, mit dem er unter Trainer Daum zum Deutschen Meister aufstieg. Zwei Jahre später heuerte Sammer bei Inter Mailand an, konnte sich aber nie so richtig mit der italienischen Mentalität anfreunden. Seit Januar ‚93 ist der inzwischen zum Weltstar avancierte 51-fache DFB-Nationalspieler ein Dortmunder. Mit triumphalen Meriten: Deutscher Meister 1995 und ‚96, Champions-League-Sieger ‚97, Deutschlands Fußballer des Jahres 1995 und ‚96, Europas Fußballer des Jahres 1996. Unvergessen bei allen Fans bleibt „Feuerkopf“ Sammer bei der Europameisterschaft 1996 in England: „Mister Hundertprozent“ führte als Dirigent die deutsche Nationalmannschaft zum Championat. Eine schwere Knieverletzung beendete seine ruhmreiche Spieler-Karriere. Auch als keiner mehr daran glaubte, hat er selbst immer auf ein Comeback gehofft: „Ich habe mein ganzes Leben Fußball gespielt. Es tut weh, wenn man aufhören muss, weil man nicht mal mehr joggen kann. Aber ich weiß, ich will gar nicht ohne Fußball zurechtkommen.“ Von Alois Andritzki bis Udo Zimmermann – Alle Porträts in unserem Special Seit 1. Juli 2000 amtiert Sammer als Cheftrainer bei der Borussia. Seine Stars mussten sich erst mal von lieb gewordenen Ess- und Trinkgewohnheiten trennen, zudem an Spieltagen und auf dem Trainingsgelände vom Handy. In einem Interview mit dem „Spiegel“ verkündete Sammer sein Credo: „Ich war sicher kein einfacher Spieler, wollte einfach nur gewinnen. Und ich hatte die beiden besten deutschen Trainer: Christoph Daum und Ottmar Hitzfeld. Die wollten auch nur gewinnen. Ich habe immer aus dem Bauch heraus reagiert, und es hat mich fuchsteufelswild gemacht, wenn ich gemerkt habe, dass andere nicht wissen wollten, wie man sich professionell verhält.“ Zu seiner Heimat hält Sammer Kontakt: „Auch wenn es schon zehn Jahre her ist, dass ich Dresden verlassen habe, verfolge ich doch den Dresdner Fußball sehr aufmerksam. Ich bin traurig, dass da keine Mannschaft im bezahlten Sport spielt.“ Aus den Dresdner Neuesten Nachrichten vom 29. September 2000. Von Günther Frank

100 Dresdner des Jahrhunderts - Matthias Sammer – Vom Straßen-Kicker zum Star mit Weltruhm