Hans Erlwein und Dresdens sanfte Moderne

Als Dresden vor fast drei Jahren den 125. Geburtstag des einstigen Stadtbaurats Hans Erlwein beging, schlich sich schon mal das Wort vom „Sohn der Stadt“ in die Ehrung ein. Doch der Architekt, der der Stadt am Anfang des 20. Jahrhunderts eine Fülle der unterschiedlichsten Zweckbauten bescherte, die bis heute als glückliche Versöhnung von Tradition und Moderne gelten können, war aus Süddeutschland gekommen. Am 13. Juni 1872 in Gmain bei Bad Reichenhall geboren, studierte er in München Architektur und war vor dem Ruf nach Dresden bereits mit Erfolg in Bamberg tätig. An der Elbe soll er laut Stadtlexikon am Entwurf von etwa 50 Gebäuden gearbeitet haben, auch von der dreifachen Zahl war die Rede. 1914 brach diese Karriere jäh ab, Erlwein starb am 9. Oktober in den Ardennen. Mit dem Ausbruch des 1. Weltkriegs war die Zeit der visionären Stadtgestaltung und des europäischen Austauschs, der in Dresden einen Mittelpunkt suchte, ohnehin vorüber. Stadtbildprägende Bauten: Von einem Architekten der sanften Moderne sprachen Volker Helas und Norbert Göller in ihrem vor drei Jahren entstandenen Film über den Stadtbaumeister. Modern war Erlwein zumindest in dem Sinne, dass er die Gebäude, die Hüllen für Wirtschaftsanlagen schuf, die ihrerseits den höchsten Stand ihrer Zeit darstellten. Form und Funktion verband er auf überzeugende Weise bis ins Detail, knüpfte dabei vor allem an barocke Vorbilder an. Der Neubau des Altmarktes nach dem 2. Weltkrieg sei nach dem Vorbild von Erlwein erfolgt und nicht etwa in entfernter Anlehnung an Vorbilder des 18. Jahrhunderts, so eine These von Helas. Stadtbildprägend sind Bauten von Erlwein bis heute geblieben, auch wenn ein großer Teil im Zweiten Weltkrieg verloren ging, wie etwa das Kunstausstellungsgebäude am heutigen Straßburger Platz. In den letzen Jahren mit großem Aufwand restauriert wurden das Italienische Dörfchen am Theaterplatz, das Haupthaus der Stadtsparkasse am Güntzplatz (in der Innenarchitektur umstritten), und zuletzt die Hallen des ehemaligen Schlachthofs im Ostragehege. Auch mehrere Schulen wie die auf der Junghansstraße oder das Gymnasium auf der Weintraubenstraße zählen heute noch zum unverzichtbaren Bestand. Von Alois Andritzki bis Udo Zimmermann – Alle Porträts in unserem Special Auch Wohnanlagen wie auf der Dölzschener Straße konnten seinerzeit als Muster für praktische Nutzbarkeit, künstlerische Gestaltung und Hygiene gelten, sie sind mit geringfügigen Änderungen durchaus heutigen Bedürfnissen angemessen. Zu Erlweins Hinterlassenschaften gehören auch zwei der größten Sorgenobjekte Dresdner Stadtplanung. Nachdem das Projekt von einem Musicaltheater im Gasometer Reick endgültig geplatzt ist, sieht die Zukunft für den des Daches beraubten Baukörper nicht rosig aus. Auch für den Speicher, einen frühen Betonbau, läuft die Zeit in Richtung immer aufwendigerer Sanierung. Seit Jahren geht ohne sichtbaren Fortschritt das Gerangel um den Umbau als Herzstück eines Kongresszentrums an der Neuen Terrasse. Aus den Dresdner Neuesten Nachrichten vom 21. März 2000. Von T.P.

100 Dresdner des Jahrhunderts - Hans Erlwein und Dresdens sanfte Moderne