Gunther Emmerlich – Plaudernd zwischen den Genres Brücken schlagen

Im deutschen „Who’s Who“ ist er verzeichnet. Das Munzinger-Archiv, das in der Regel alle wichtigen Personen, Daten und Fakten speichert, kennt ihn nicht. Dafür aber Wolfgang Stumph, der in der beliebten DDR-Fernsehserie „Showkolade“ Emmerlichs Sketchpartner war und durch die Sendung bekannt wurde (sagt der Munzinger). So ungerecht kann es zugehen. Zur Jahrhundertpersönlichkeit kürten die DNN-Leser wiederum den Sänger und Entertainer Gunther Emmerlich und nicht Schauspieler und Kabarettist Wolfgang Stumph. Beliebte Künstler und unbedingt als Dresdner vereinnahmt sind sie beide, obwohl ihre Wiege nicht mal in Sachsen stand. Gunther Emmerlich stammt aus Eisenberg in Thüringen und studierte in seinem ersten Leben Bauwesen, bevor er sich für die Musik entschied. Nach fünfjähriger Ausbildung an der Hochschule für Musik Weimar in der Fachrichtung Operngesang wechselte der Bass mit der hünenhaften Statur nach Dresden. Hier lebte er sein zweites Leben und das hieß 20 Jahre lang Ensemblemitglied der Sächsischen Staatsoper, wo Emmerlich als Osmin, Sarastro, Alfonso oder Basilio erfolgreich war. Ein drittes Leben als Gastgeber: Immer nur die hehre Semperoper? 1985 fanden sich Solisten der Staatskapelle zusammen und gingen als Semper House Band beim Internationalen Dixielandfestival mit Swing und populärem Jazz „fremd“. Am Banjo, als Sänger und Moderator glänzte Gunther Emmerlich. Der Erfolg der Band gab dem redegewandten Opernsänger recht, der sein Repertoire breiter aufgefasst wissen will und Brücken zwischen E- und U-Musik schlägt. Nur gut sollte sie sein. Als das Fernsehen sich 1987 meldete, wurde Emmerlich zunächst in jedem ostdeutschen Wohnzimmer bekannt. Später kamen die Unterhaltungssendungen des ZDF „Nimm Dir Zeit“ und „Gunther und drüber“ dazu; das Publikum wurde gesamtdeutsch. Mit der Semper House Band und seiner Duett-Partnerin Deborah Sasson waren die Weichen ohnehin schon für Tourneen in viele Teile der Welt gestellt. Folgerichtig reifte 1992 der Entschluss, ein drittes Leben zu beginnen. Emmerlich löste seinen Opernvertrag und widmete sich voll und ganz seinem Status als Gastgeber und einem breiten musikalischen Spektrum von Oper, Musical, Lied, Volksmusik bis zu Jazz und Pop. Nur die Dresdner erleben ihn seitdem relativ selten. Von Alois Andritzki bis Udo Zimmermann – Alle Porträts in unserem Special Der Künstler ist Solist in Konzerten, Falstaff auf den Opernbühnen in Chemnitz und Stralsund, der Milchmann Tevje, Kishons Titelheld Sallah Shabati (europäische Erstaufführung war in Meiningen) und Doolittle bundesweit in Produktionen eines Tourneetheaters und nicht zuletzt Moderator zahlreicher Galas. Über fünf Millionen Fernsehzuschauer begleiten Emmerlich in der ARD durch die „Zauberhafte Heimat“. In einer weiteren Show ging es um die Rettung vom Verfall bedrohter Kirchen, die dem bärtigen Wahldresdner am Herzen liegt. Seine umtriebige Vielseitigkeit stößt auch auf Kritik. Die weiche Landung des Erfolgsverwöhnten im geeinten Deutschland, Kreuzfahrten und Bierwerbung gefallen nicht jedem. Die Mehrzahl aber liebt den heitere Gelassenheit ausstrahlenden Künstler, der für die Sachsen-CDU sogar den Bundespräsidenten mit wählen durfte. Den Medienpreis „Bambi“ und das Bundesverdienstkreuz hat er schon mal sicher. Ob Munzinger oder nicht – Emmerlich ist im besten Sinne populär. Aus den Dresdner Neuesten Nachrichten vom 17. März 2000. Von Genia Bleier

100 Dresdner des Jahrhunderts - Gunther Emmerlich – Plaudernd zwischen den Genres Brücken schlagen