Gerhard Richter – Ewige Suche nach dem Möglichen in der Malerei

Gerhard Richter. Im ostdeutschen Kunstbetrieb spielte sein Name wie auch der von Baselitz, Graubner oder Uecker bis 1989 keine Rolle. Obwohl Richter (Jahrgang 1932) fast zehn Jahre an der Hochschule für Bildende Künste Dresden studiert hatte (1951 bis 1960, ab 1957 als Meisterschüler), ist er im Jubiläumsband „Von der Königlichen Kunstakademie zur Hochschule für Bildende Künste“ nicht präsent. Und das in den 50er Jahren fürs Hygienemuseum geschaffene Wandbild war zum Zeitpunkt des Erscheinens dieses Buches schon lange verdeckt. Pendeln zwischen gegenständlichen, abstrakten und konzeptuellen Mitteln: Im Jahr 1960, kurz vor Toreschluss also, war Gerhard Richter in den Westen gegangen. Das Gefühl künstlerischer Enge hatte ihn vor allem zum Weggang bewogen, wie ein Brief vom April 1961 an seinen Dresdner Professor Heinz Lohmar offenbart. Vor dem Hintergrund der 50er Jahre lässt sich das nur zu gut verstehen. So ist es wohl kein Wunder, dass er, wenn auch für kurze Zeit nur, noch einmal an der Düsseldorfer Kunstakademie – zusammen mit Sigmar Polke übrigens – bei Karl Otto Götz studierte. Nicht zuletzt diese Erfahrungen trugen wohl mit zu jener Entwicklung bei, die ihn zu einem der weltweit bekannten Künstler der Gegenwart machten. In Dresden konnte man jüngst in der in Kooperation mit dem Kunstmuseum Winterthur realisierten Schau die erstmalige Präsentation der Aquarelle und Zeichnungen Richters erleben, die bisher ihr Dasein in Schüben gefristet hatten. Darüber hinaus waren die Möglichkeiten der Begegnung mit seinem Werk vor Ort bisher eher punktuell: Erinnert sei an die verwischt erscheinende schwarz-graue „Sekretärin“ (1963), die mit zwei weiteren Gemälden im Besitz der Galerie Neue Meister ist und der Phase des mit Polke und Lueg um 1962 entwickelten „kapitalistischen Realismus“ entstammt. Erinnert sei auch an die Präsentation der riesigen fotorealistischen „Zwei Kerzen“ auf der Brühlschen Terrasse 1995. Frisch im Bewusstsein dürfte der Skandal um die Ausstellung im Dresdner art’otel sein, die nach wenigen Tagen beendet wurde, weil sie zur Dekoration des warm-kalten Buffets verkam. Von Alois Andritzki bis Udo Zimmermann – Alle Porträts in unserem Special Schon wer allein die in Dresden gezeigten Arbeiten zur Kenntnis genommen hat, wird auf das für Richters Werk typische Pendeln zwischen gegenständlichen, abstrakten und konzeptuellen Mitteln aufmerksam geworden sein. Letztlich ging es immer wieder um die unbeschränkte Suche nach Möglichkeiten der Malerei: Von den grau-schwarzen Bildern des eher ironisch gemeinten „kapitalistischen Realismus“ über wunderschöne, die Malerei der Romantik mehr oder weniger heraufbeschwörende fast monochrome Meeres- und Himmelsstücke bis zu abstrakten, von der Farbe lebenden „Schlierenbildern“, konzeptuellen Untersuchungen oder Glasfenstern reicht das Spektrum. Die Innovationskraft des seit der 5. auf jeder documenta Vertretenen hat nicht nur zur Präsenz in allen bedeutenden Sammlungen geführt, sondern auch dazu, dass seine Werke auf dem internationalen Kunstmarkt oft Preise im siebenstelligen Bereich erzielen. Aus den Dresdner Neuesten Nachrichten vom 22. September 2000. Von Lisa Werner-Art

100 Dresdner des Jahrhunderts - Gerhard Richter – Ewige Suche nach dem Möglichen in der Malerei