Eugen Gutmann – Der Stammvater der Dresdner Bank

In Florenz lebt Lily Collas Gutmann, die Enkelin des Dresdner Bankiers. Ihr Name stand nicht auf der Liste der 850 Gäste, die 1997 zur 125-Jahrfeier der Dresdner Bank nach Pillnitz eingeladen worden waren. Auch jenen Enkeln und Urenkeln Eugen Gutmanns, die heute in Mexiko, den USA und England leben, begegnete man nicht auf den roten Teppichen zwischen Zeltstadt und Schloss. Ein Fauxpas aus schierer Unwissenheit oder Verdrängen eines beschämenden Kapitels der Geschichte jenes Geldinstitutes? Es ist kein Bankgeheimnis: Der kometenhafte Aufstieg der Dresdner Bank am deutschen Finanzhimmel war in erster Linie dem Wirken ihres Stammvaters, des Geheimen Kommerzienrates Eugen Gutmann, zu verdanken. Wie zahlreiche Bankiers der Stadt entstammte Gutmann einer wohlhabenden jüdischen Familie. Vater Bernhard brachte den 1840 geborenen Sohn nach der Schulzeit in der Branche unter bei Günther & Palmie, der späteren Allgemeinen Deutschen Kreditanstalt. Das damalige Bankgewerbe war jung und dynamisch: Zeitweilige Holzgeschäfte in Budapest befriedigten den jungen Gutmann nicht. Er kehrte in seine Geburtsstadt zurück und veranlasste den befreundeten Carl Freiherr von Kaskel und dessen Sohn Felix, ihr angesehenes Bankhaus in eine Aktiengesellschaft umzuwandeln, aus der 1872 die Dresdner Bank hervorging. Gutmann, der anfangs mit 670.000 Talern am Grundkapital beteiligt war, übernahm 32-jährig die Direktion. Den Aufsichtsrat, zu dem auch neun Dresdner Persönlichkeiten zählten, leitete der 38-jährige Felix von Kaskel. Jung und dynamisch musste man damals sein im Bankgewerbe, was Banker Georg von Siemens (1839-1901) den makabren Spruch klopfen ließ, alle Bankdirektoren jenseits der 50 solle man totschlagen. Als Eugen Gutmann in die Jahre kam, verhalf er seiner Bank 1904 noch durch einen profunden Staatsvertrag mit Preußen zum Status Weltbank. Der Patriarch hatte seit 1884 seinen Chefsessel in der Berliner Behrensstraße stehen. In die Heimatstadt aber, zum Stammhaus in die König-Johann-Straße 3 (unweit des heutigen Kulturpalastes), kehrte er des öfteren zurück. 80-jährig wirkte er noch als Ehrenpräsident der Bank. Von Alois Andritzki bis Udo Zimmermann – Alle Porträts in unserem Special 1925 starb der Finanzmagnat, von dem man sagt, er sei ein Musterbeispiel an Optimismus, Wagemut und Initiative, gepaart mit visionärem Denken und Realitätssinn gewesen. Und ein Kunstnarr war Gutmann, besaß eine einzigartige Silber- und Kleinodiensammlung, „so etwas in der Art des grünen Gewölbes“, wie es Lily Gutmann aus der Sicht eines Schulmädels in Erinnerung hat. Noch im Bankjubeljahr eröffneten die Weißgrünen unmittelbar am Brandenburger Tor eine Filiale, das Eugen-Gutmann-Haus. Zur Einweihung 1998 waren diesmal auch Lily Collas Gutmann, deren Eltern 1943 in Theresienstadt bzw. Auschwitz ermordet wurden, mit weiteren Angehörigen zugegen. Ehren wolle man den Stammvater der Dresdner Bank, so vernahm man aus der Frankfurter Zentrale, indem im Berliner Haus nicht nur Geldgeschäfte getätigt werden, sondern auch ein Forum entsteht für freimütigen Gedankenaustausch und anregenden Kunstgenuss. Aus den Dresdner Neuesten Nachrichten vom 2. Mai 2000. Von Siegfried Thiele

100 Dresdner des Jahrhunderts - Eugen Gutmann – Der Stammvater der Dresdner Bank