Wie eine gebürtige Dresdnerin in Kambodscha strandete

Eigentlich hat sich Anne Benitz ihre Südostasien-Reise so vorgestellt: Zusammen mit ihrer besten Freundin Klara Michel für zwei Monate durch fremde Länder reisen und andere Kulturen kennenlernen – abseits der klassischen Touristenpfade, Backpacking eben. Was zu Beginn gelang, wandelte sich gegen Ende zu einer regelrechten Odyssee. Der Grund: die grassierende Corona-Pandemie. Die beiden Rucksacktouristinnen mussten ihre Reise vorzeitig abbrechen, versuchten, irgendwie zurück nach Deutschland zu kommen. Doch alle Versuche scheiterten. Airlines stornierten täglich Flüge, Länder verhängten Einreisesperren. Nach aufreibenden Wochen gelang es den beiden dennoch, nach Hause zu kommen – allerdings nur mit der Hilfe des Auswärtigen Amtes. Um die 200.000 Reisende waren im Ausland gestrandet: Ähnliches erlebten in den vergangenen Wochen mehrere tausend Menschen aus Deutschland. Unzählige waren wegen der Corona-Pandemie im Ausland gestrandet, sind es zum Teil immer noch. Außenminister Heiko Maas (SPD) entschloss sich daher Mitte März zu einer historischen Rückholaktion: Von den etwa 200 000 wegen der Coronakrise im Ausland gestrandeten Deutschen sind seit Mittwoch 187 000 Menschen wieder zu Hause. „Wo noch Möglichkeiten zur Rückreise mit eigenen Mitteln bestehen, sollten diese genutzt werden“, heißt es vom Auswärtigen Amt. Wo dies nicht mehr möglich sei, bemühen sich das Amt und seine Auslandsvertretungen mit Hochdruck um Lösungen. So geschehen bei Anne Benitz und Klara Michel. Von Vietnam nach Kambodscha, danach war Schluss: Anfang Februar brachen die zwei jungen Frauen von Berlin nach Vietnam auf. In der Hauptstadt Hanoi angekommen, reisten sie die Küste entlang nach Saigon. „Anfang März sind wir weiter nach Kambodscha gereist“, sagt die 22-jährige Anne Benitz. Dort erkundeten sie den Süden des Landes, gelangten von Kampot nach Sihanoukville und von dort auf die Insel Koh Rong Sanloem. Zeitgleich spitzte sich die Lage in Europa aufgrund des Coronavirus zu. „Dass die Entwicklungen auch uns betreffen, merkten wir spätestens, als die vietnamesische Regierung die Grenzen dichtmachte.“ Ursprünglich war der Plan, von Kambodscha über Laos zurück nach Vietnam zu reisen. Das war nun nicht mehr möglich. Den bereits gebuchten Rückflug von Hanoi aus konnten die beiden somit vergessen. Gestrandet in Phnom Penh: Nachdem sie in Siem Reap – dem Tor zu den Ruinen von Angkor Wat – waren, reiste das Duo nach Phnom Penh, der Hauptstadt Kambodschas. Dort versuchten sie alles, um schnellstmöglich nach Hause zu kommen – allerdings vergebens. Dass dieser unbestimmte Transitzustand acht Tage dauern würde, wussten die beiden gebürtigen Dresdnerinnen da noch nicht. „Ab einem bestimmten Zeitpunkt war es nicht mehr sinnvoll, sich selbst um Flüge zu kümmern“, sagt Anne Benitz. Zwei Versuche starteten die Freundinnen: Einmal erhielten sie ihre Tickets nicht, da die Homepage der Fluggesellschaft überlastet war. Das andere Mal scheiterten sie an der thailändischen Regierung. „Wir mussten beim Check-In-Schalter ein Gesundheitszertifikat mit negativem Coronatest vorzeigen. Zudem brauchten wir ein Zertifikat der Reisekrankenkasse mit horrenden Deckungssummen“, sagt Anne Benitz. Bedingungen, die sie zuvor noch nie gehört hatte. Ausnahmezustand im Urlaubsparadis: Die letzte Woche in Kambodscha war für die beiden eine absolute Ausnahmesituation. Gelebt haben sie in einer Airbnb-Wohnung, ihre Zimmer nur noch zum Einkaufen verlassen. „Mit Urlaub oder Reisegefühl hatte die Situation nichts mehr zu tun“, sagt die 22-Jährige. Wohl auch, weil sich die Situation in der Hauptstadt Kambodschas drastisch veränderte. Eine Ausgangssperre gab es zwar laut Anne Benitz nicht, trotzdem hatten bereits einige Hotels, Hostels, Restaurants und Kneipen geschlossen. „Abends und in der Nacht war die Stadt ungewöhnlich ruhig“, sagt die gebürtige Dresdnerin. Es seien auffallend wenige Menschen unterwegs gewesen. Zudem hatten die zwei das Gefühl, dass die Kambodschaner ängstlicher gegenüber Europäern waren. „Aber das liegt vielleicht auch daran, dass der asiatische Raum allgemein viel vorsichtiger mit dem Virus umgeht als beispielsweise Europa.“ Menschen nur noch mit Mundschutz unterwegs: So habe es in jedem Supermarkt und noch geöffnetem Restaurant Desinfektionsspender gegeben. Gefühlt jeder Mensch verließ das Haus nur noch mit Mundschutz – auch die Backpackerinnen. „Allerdings weniger aus Angst vor einer Infektion, sondern vielmehr um den Kambodschanern zu vermitteln, dass wir die Situation ernst nehmen.“ Anfeindungen erlebten die beiden aber nicht, nur übervorsichtige Menschen. So desinfizierte ein Tuk-Tuk-Fahrer beispielsweise den gesamten Rücksitz seiner Autorikscha, nachdem er Anne Benitz und ihre Freundin kutschiert hatte. Alleine gestrandet waren sie im Übrigen nicht, sondern lernten Leidensgenossen kennen. Durch Zufall kamen sie in eine Whatsapp-Gruppe – mit fast 200 Menschen. Sie alle wollten nur eines: so schnell wie möglich nach Hause. „Zumindest meine Freundin und ich hatten aber den Entschluss gefasst, es mit der Eigeninitiative zu lassen“, sagt Anne Benitz. Letzte Hoffnung: die Rückholaktion des Auswärtigen Amtes. Glücklich über die Heimkehr, trotzdem fader Nachgeschmack: Vergangenes Wochenende war es dann soweit, zwei gecharterte Maschinen standen am Flughafen in Phnom Penh bereit. „Die Rückreise verlief problemlos, schätzungsweise holte das Auswärtige Amt 600 Menschen aus Kambodscha ab, darunter nicht nur Deutsche“, sagt Anne Benitz. Nun befindet sich die Wirtschaftsrecht-Studentin wieder in Berlin, ihrem momentanen Wohnort. „Meine ersten Tage in Deutschland waren komisch“, sagt die 22-Jährige – auch wegen der Corona-Ausnahmeregelungen. Ihrer Meinung nach gibt es in Südostasien mehr Sicherheitsmaßnahmen. „Das fiel mir besonders beim Einkaufen auf.“ In Südostasien habe sie sich besser vor dem Virus geschützt gefühlt. Trotzdem sei sie froh, wieder zu Hause zu sein. 175.000 gestrandete Deutsche aus dem Ausland zurückgeholt Wie ein Dresdner in Peru die Corona-Quarantäne erlebt Leipziger verbringt seinen Urlaub in der Tropenklinik von Hanoi Zwei Leipziger sind auf Insel in Südostasien gefangen Gestrandet am Ende der Welt: Drei Berliner Musiker sitzen in Tadschikistan fest Von Felix Franke

Wegen Corona - Wie eine gebürtige Dresdnerin in Kambodscha strandete – und zurückkam