Was die Corona-Pandemie für psychisch kranke Menschen in Dresden bedeutet

Bei täglich steigenden Infektionszahlen, die ähnlich normal wie der Wetterbericht geworden sind, entsteht schnell der Eindruck, Krankheiten fernab von Corona würden pausieren. Doch Krebszellen streuen weiter, chronische Schmerzen verschwinden nicht und auch Depressionen machen keine Pause. Dennoch sind Dresdner Kliniken seit Wochen im Corona-Modus. Die Aufrüstung gegen das Virus führt zur Abrüstung an anderer Stelle. Auch in der Behandlung psychisch Kranker. Das tägliche DNN Corona-Update als Newsletter Alle News zum Coronavirus in Dresden täglich gegen 7 Uhr im E-Mail-Postfach So mussten die Patienten der Tagesklinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Weißen Hirsch binnen einer Woche nach der ersten Allgemeinverfügung gehen. „Das Infektionsrisiko ist einfach zu groß bei den Tageskliniken, weil die Leute noch in ihrem gewohnten Umfeld leben und wechselnde Kontaktpersonen haben“, erklärt Professor Burkhard Jabs, Chefarzt der Psychiatrie am Weißen Hirsch. „Wir haben den Menschen jedoch drei Alternativen angeboten: eine Weiterbehandlung bei ihrem bisherigen Therapeuten, eine Telefonbetreuung bei uns oder eine stationäre Aufnahme, wenn sie sich nicht stabil genug fühlen.“ Umfassende telefonische Betreuung: Noch drastischer waren die Maßnahmen in der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie. Um Betten für potenzielle Covid-Patienten freizuhalten, hat die Klinik Ende März alle 48 stationären und tagesklinischen Patienten entlassen, wie Chefärztin Ulrike Anderssen-Reuster berichtet. Betroffen sind Menschen mit Krankheitsbildern wie Angst-, Ess-, oder Traumafolgestörungen. Auch die Ambulanzen mussten ihre Türen schließen. Ein Weiter-So wäre in Anbetracht des Corona-Virus mit Gruppentherapien mit bis zu zehn Teilnehmern „nicht verantwortbar“ gewesen. „Aber allen Betroffenen stand eine umfassende telefonische Betreuung zur Verfügung – auch am Wochenende“, versichert Anderssen-Reuster. Ab nächster Woche will die Klinik den Betrieb mit 17 Patienten wieder aufnehmen – mit kleineren Gruppen, Abstandsregeln und Mundschutz. „Von einer Therapiesituation wie vor der Krise kann nicht die Rede sein“: Auch am Standort Friedrichstadt sorgte Corona für Umbrüche. Wie Chefarzt Dr. Norbert Sassim berichtet, musste die Klinik eine der vier psychiatrischen Stationen schließen, um Personal freizuschaufeln. Zudem rüsteten er und seine Kollegen die geschlossene Station für Covid-19-Patienten, Verdachtsfälle und Risikogruppen aus dem psychiatrischen Bereich um. Die vorherigen Patienten mussten ihre Betten räumen und zum Teil in den Standort Weißer Hirsch umziehen. Für die 20 Bewohner der Tagesklinik ging es zurück nach Hause. „Patienten, deren Behandlung dringlich ist, behandeln wir weiterhin wie bisher üblich auf den verbliebenen Stationen. Von einer Therapiesituation wie vor der Corona-Krise kann dennoch nicht die Rede sein“, verdeutlicht Dr. Sassim. Neben dem Städtischen Klinikum schickten auch das Dresdner Uniklinikum und das Sankt-Marien-Krankenhaus zum Teil ihre Tagesklinik-Patienten nach Hause, wie deren Pressestellen mitteilten. Die Folge: Die Menschen sitzen mit ihrer Depression oder ihrer Angststörung zu Hause. Wie sich das anfühlt, weiß Heike Liebsch vom Dresdner Verein EX-IN. Er bildet sogenannte Genesungsbegleiter aus. Als ehemals Betroffene stehen sie psychisch Kranken mit Gesprächen zur Seite, ergänzend zur professionellen Therapie. Physische Präsenz des Gegenübers fehlt: Die professionelle Therapie spielt sich derzeit häufig nur am Telefon ab. Direkter Kontakt, die physische Präsenz des Gegenübers fehlen. Um der Vereinsamung der Betroffenen entgegenzuwirken, bieten drei Mitwirkende von EX-IN seit einer Woche gemeinsame Spaziergänge an. „In Übereinstimmung mit den Abstands- und Hygieneregeln“, betont Heike Liebsch, stellvertretende Vereinsvorsitzende. Viele Menschen melden sich bei ihnen, weil sie unter der sozialen Isolation leiden. „Bei einem Spaziergang kann man sich in die Augen schauen und man sieht, ob es dem anderen gut oder schlecht geht“, sagt Liebsch. Bis zu zwei Stunden können ihre Spazierpartner über all das reden, was sie belastet. Auf die gleiche Art will EX-IN den Menschen in den Kliniken helfen, die unter dem aktuellen Besuchsverbot leiden. „Wenn Bedarf herrscht und es die Regelungen zulassen, könnten wir die Patienten draußen abholen und nach dem Spaziergang zurückbringen“, sagt Liebsch. Derzeit warten sie und ihre Kollegen noch auf Rückmeldung. Kontakt EX-IN: info@ex-in-sachsen.de, Notrufhotline täglich 15-17 Uhr unter Tel. 0152/05682489 Corona hat Dresden im Griff. Die wichtigsten Texte und weitere Überblicksartikel zum Thema: Aktuelle Texte OB schwört Dresden auf schwere Zeiten ein Ende Mai: Sachsen plant Lockerungen für die Gastronomie Dresdner Stadtrat schnürt Hilfspaket für Wirte und Händler Wie viele Personen in Dresden sind geheilt? 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