Bäcker, Fleischer, Fahrrad- und Kfz-Werkstätten: „Wir haben geöffnet!“

„Jeder Politiker, der vor die Kamera tritt, nennt die Supermärkte, Drogerien und Apotheken, die geöffnet haben. Wir Handwerksbetriebe werden nie erwähnt“, ärgert sich Jürgen Müller, Obermeister der Fleischerinnung Dresden. Denn tatsächlich dürfen auch Fleischereien sowie Bäckereien und Konditoreien trotz der umfangreichen Schließungen aufgrund der Corona-Pandemie weiter produzieren und ihre Waren im Laden verkaufen, bieten Fahrrad- und Kfz-Werkstätten Reparaturdienste an. Damit das so bleibt, gibt es allerdings umfangreiche Anforderungen an den Infektionsschutz sowohl hinter den Kulissen als auch im Verkauf, die zum Teil sehr kreativ umgesetzt werden. Die größte Angst der Handwerker ist, dass Kunden untereinander keinen Abstand halten und die Regelung wieder gekippt wird. Bäcker: „Bäckereien und Konditoreien dürfen nach dem jüngsten Erlass des Landes Sachsen weiter öffnen“, betont Manuela Lohse, die Geschäftsführerin der Bäckerinnung Dresden. In dieser sind rund 70 von 100 Betrieben in der Stadt Dresden und im engeren Umland organisiert. „Bäckereicafés jedoch mussten schließen, denn diese fallen grundsätzlich unter das Gaststättengesetz“, ergänzt Manuela Lohse. Allerdings dürfe in Bäckereicafés Ware über die Theke verkauft werden. Zudem sei es möglich, ein Liefergeschäft zu betreiben. „Im Umland wird das zunehmend aktuell, in der Stadt Dresden eher nicht.“ Da gehen die Kunden gern selbst zum Bäcker um die Ecke. „Wir haben den Bäckern empfohlen, wo es möglich ist, ein Schichtsystem einzuführen. Und zwar so, dass sich die Mitarbeiter der einzelnen Schichten auch in den Sozialräumen nicht begegnen. Ziel ist, dafür zu sorgen, dass im Falle eines Falles nicht alle Mitarbeiter in Quarantäne müssen und weiter produziert werden kann. An der Theke soll nach Möglichkeit ein Angestellter die Kunden bedienen, also die Waren zusammenstellen, und ein anderer kassieren. Zwischen Bedienung und Kunden werde mit geeigneten Mitteln für Abstand gesorgt. Hygienehandschuhe jedoch seien nicht das Mittel der Wahl. „Da gibt es Studien, die belegen, dass solchen über einen längeren Zeitraum am Tag getragenen Handschuhen mehr anhaftet als Händen, die immer wieder gewaschen werden“, sagt Manuela Lohse. Besser geeignet seien größere Einweghandschuhe, in die die Verkäuferin immer schnell reinschlüpfen können, um ein Brot aus dem Regal zu nehmen oder Brötchen in die Tüte zu packen. Dem Rat, zwei Teams zu bilden, die abwechselnd arbeiten und sich nicht begegnen, ist zum Beispiel die Bäckerei Wippler gefolgt. „Es wäre ein Horrorszenario, wenn alle in die Quarantäne müssten und wir nicht mehr produzieren können“, so Andreas Wippler. Die beiden Teams wechseln sich alle drei bzw. vier Tage in der Produktion ab. „Wir wollen die Arbeit auf die Mitarbeiter gleich verteilen.“ Die Differenz werde über Kurzarbeit ausgeglichen. In Kurzarbeit schicken musste das Familienunternehmen auch Servicekräfte und Mitarbeiter in Küche und Spülbereich aus dem beliebten und sonst immer stark frequentierten Café, das Wipplers in ihrer Backwirtschaft in Pillnitz betreiben und das jetzt geschlossen ist. Zähle man das weggebrochene Liefergeschäft vor allem an Hotels und Gaststätten dazu, würden ihm gerade 35 bis 40 Prozent des Gesamtumsatzes fehlen. „Ich bin froh, dass wir mit unseren vier Geschäften so breit aufgestellt sind“, betont Andreas Wippler. Neben der Backwirtschaft seien das Filialen in Supermärkten. Das Café Wippler am Körnerplatz betreibe seine Schwester. Gefragt seien jetzt Brot, Brötchen und Kuchen, „Torten grade nicht“. Andreas Wippler hofft, dass die Menschen jetzt das Handwerk vor Ort unterstützen. Denn das bilde mit das Rückgrat des Mittelstandes. „Wir brauchen jeden Kunden, jedes verkaufte Brot hilft, die Krise zu überleben.“ Fleischer: „Wir haben schon vorige Woche Ständerwände mit Klarsichtscheiben gebaut und auf unsere Verkaufstheke gestellt“, erläutert Fleischerinnungsobermeister Jürgen Müller die Schutzmaßnahmen in seinem Geschäft auf dem Weißen Hirsch. Hinweisschilder machen darauf aufmerksam, dass nicht mehr als fünf Kunden den Laden betreten dürfen. Vor der Theke gebe es eine Markierung, um die Kunden auf Abstand zu halten. „Sozusagen eine Demarkationslinie“, scherzt der Fleischermeister. Imbiss gebe es nur noch zum Mitnehmen. Das Ladengeschäft laufe sehr gut, immer mehr Menschen würden sich zurückbesinnen auf den Fleischer um die Ecke, ist die Erfahrung von Jürgen Müller aus der zurückliegenden Zeit. Allerdings würde das wahrscheinlich auf den Standort des Betriebes ankommen, schränkt er ein. Das Cateringgeschäft jedoch sei bei ihm und seinen Kollegen in der Innung komplett weggebrochen. Klar, wenn nicht gefeiert werden kann, bestellt auch keiner etwas zu essen. Bei Fleischer Müller mache das Catering normalerweise 45 Prozent des Gesamtumsatzes aus, so dass er für diesen Bereich Kurzarbeit beantragen musste. Laut Innungsobermeister sei ein Lieferdienst durch Fleischer bislang sehr wenig nachgefragt. „Vieles wird in Nachbarschaftshilfe gelöst“, so sein Eindruck. Kfz-Werkstätten: Autos werden nach wie vor repariert. Man kann die Räder wechseln oder auch die Hauptuntersuchung machen lassen. Allerdings sollte man sich zuvor einen Termin geben lassen und nicht auf gut Glück in die Werkstatt fahren. „Reparaturen gehören zu den dringenden Besorgungen und dienen der Aufrechterhaltung einer sicheren Mobilität, wobei der gebotene Sicherheitsabstand und die Hygienevorschriften einzuhalten sind. Ein Autohandel über die Verkaufsräume ist dagegen untersagt“, erklärt Gabriela Msuya, Geschäftsführerin der Innung des Kraftfahrzeughandwerks der Region Dresden. Diese vertritt die Interessen mehrerer Hundert Kfz-Werkstätten und Autohäuser in der Stadt Dresden, im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge sowie in den angrenzenden Kreisen. Alle Betriebe seien von der aktuellen Situation schwer getroffen – „je kleiner, desto härter“, so Msuya. „Besonders zu schaffen macht unseren Betrieben die tägliche Flut an Informationen, die oft nicht eindeutig für die einzelnen Gewerke angewendet werden können. Eine Verfügung folgt der anderen, und oft sind diese gerade für die Ausübung der Tätigkeiten der Kfz-Branche nicht auszulegen.“ Wie viele Betriebe und Beschäftigte von Kurzarbeit betroffen sind oder sein werden, könne im Moment noch nicht beziffert werden. „Aber es werden viele sein, soweit die täglichen Anfragen an unsere Innung es erahnen lassen. Und für die kleinen Betriebe dauert selbst die Auszahlung des Kurzarbeitergeldes zu lange. Daneben sind Mieten und Leasingraten zu begleichen, Kredite zurückzuzahlen. Auch neue Kredite müssen irgendwann zurückgezahlt werden! Viele bangen jedenfalls um ihre Existenz.“ Andreas Knop hat seine freie Werkstatt in Dresden-Bühlau, in der er fünf Mitarbeiter beschäftigt, geöffnet. Aber es kommen weniger Kunden als sonst. „Normalerweise brummt zu dieser Zeit der Laden, läuft das Reifengeschäft. Wir haben an die 140 Satz Reifen eingelagert und bisher erst drei oder vier montiert, mehr nicht.“ Das ist schmerzlich, zumal mit dem Radwechsel oft auch Reparaturen durchgeführt würden. Zudem kämen sonst viermal am Tag Ersatzteillieferungen, jetzt nur noch zweimal. „Momentan kommen wir um die Runden. Wir restaurieren auch Oldtimer und haben da noch zu tun. Aber wenn die Kundennachfrage noch weiter zurückgeht, werde ich Kurzarbeit beantragen.“ Lesen Sie auch: Mehr Kurzarbeitergeld im Kfz-Handwerk – Dresden profitiert kaum Fahrradwerkstätten: Auch Fahrradwerkstätten dürfen jetzt noch geöffnet haben. „Ziel ist, für die Aufrechterhaltung der Mobilität zu sorgen. Es gibt ja viele, die aufrufen, statt der öffentlichen Verkehrsmittel lieber das Fahrrad zu nutzen, auch weil man sich da an der Luft bewegt“, sagt Ronny Walther. Er ist der Inhaber des „Fahrwerks“ an der Hoyerswerdaer Straße 25, eine der Fahrradwerkstätten, die ihre Dienste anbieten. „Eigentlich reparieren wir vorrangig die Fahrräder unserer Shop-Kunden. Jetzt ist das nachrangig. Unser Ziel ist, möglichst viele mit ihrem Fahrrad mobil zu halten.“ Sechs Leute – einschließlich zwei Azubis – arbeiten in der Fahrwerk-Werkstatt, die jetzt etwas verkürzte Öffnungszeiten anbietet. „Wir sind nicht so viele, dass wir zwei Teams bilden könnten, die unabhängig voneinander arbeiten“, sagt Fahrwerk-Chef Ronny Walther. Wer Hilfe bei der Fahrradreparatur braucht, sollte sich bei seiner Werkstatt des Vertrauens am besten einen Termin geben lassen. Beim Fahrwerk klingeln die Kunden an der Werkstatttür. „Den Eingangsbereich haben wir jetzt so gestaltet, dass sich die Kunden und die Werkstattmitarbeiter nicht zu nahe kommen.“ 216 Erkrankte in Dresden - Höchster Anstieg Corona-Fall im Rathaus Dresden: Mitarbeiterin infiziert Corona: Wochenmärkte nun auch in Dresden dicht Zwei Todesfälle in Dresden Wer managt in Dresden die Corona-Krise? 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