Wildgehege Moritzburg: Fischotter ist das Tier des Jahres 2021

„Ich will nicht angeben – aber ich bin ganz schön fit.“ Das können Fischotter von sich behaupten. Denn die flinken Fleischfresser haben kaum Fett am Körper. Fische, wie ihr Name schon verrät, sind die Leibspeise der größten heimischen Maderart. Schwimmen, wühlen und Fische verspeisen: Die Deutsche Wildtier Stiftung hat den Fischotter 2021 zum Tier des Jahrs gekürt. Denn er steht auf der Roten Liste der besonders geschützten Tiere. Die Stiftung möchte so auf das ebenso gefährdete wie faszinierende Tier aufmerksam machen. Zwei Exemplare leben im Moritzburger Wildtiergehege. Die beiden sind ein Pärchen. Dieses Jahr werden sie fünf Jahre alt und leben in ihrem eingezäunten Revier, wo Tierpfleger Jürgen Wohsmann und seine Kollegen sich um sie kümmern. Am Wochenende standen Weißfische auf dem Speiseplan: Rotaugen gab es. Die beiden fühlen sich wohl in ihrem Gehege, zu dem ein Teich zum Schwimmen gehört. „Und sie haben ein unterirdisches Höhlensystem“, erläutert Wohsmann. Neben schwimmen, wühlen und Fische verspeisen gibt es momentan wenig Abwechslung für die Fischotter, denn das Wildtiergehege ist seit Anfang November für Besucher geschlossen. In freier Wildbahn lässt sich der Fischotter nur selten beobachten. Der Fischjäger ist vor allem nachts und in der Dämmerung aktiv und fühlt sich an der Grenze zwischen Wasser und Land wohl. Natürliche Seen und strukturreiche Flüsse mit vielen Verstecken am Ufer sind sein bevorzugter Lebensraum. Reißverschluss-Pelz hält im Wasser warm: Damit er nicht bibbert und friert, hat die Natur das Tier mit einem faszinierenden Fell ausgestattet. Unter den heimischen Wildtieren hat der Fischotter das dichteste Fell: Auf einem Quadratzentimeter Otterhaut befinden sich bis zu 70.000 Haare. Beim Menschen sind es nur etwas 200 Haare pro Quadratzentimeter Kopfhaut. Insgesamt hat der Pelz des kleinen Säugers bis zu 100 Millionen Haare. Das Besondere: Sein Fell ist untereinander verzahnt. Der Reißverschluss-Pelz hält ihn auch bei Tauchgängen im kalten Wasser warm. Die Haare sind so gut verzahnt, dass sie unter Wasser Luft einschließen. Beim Schwimmen dienen diese Luftpolster als Thermoregulation. Deswegen blubbern oft lange Blasenketten an der Oberfläche, wenn der Fischotter unter Wasser jagt. Während er sehr aufmerksam alle Geräusche und Gerüche wahrnimmt, gleitet er nahezu lautlos durch das Wasser. Dabei dienen ihm seine vier Pfoten mit Schwimmhäuten als Antrieb und der kräftig Schwanz als Steuer. Doch sein raffiniertes Fell wurde ihm bereits zum Verhängnis: Jäger und Schneider hatten es auf seinen kostbaren Pelz abgesehen. Zudem wurde er nicht nur als Fischerkonkurrent bejagt, sondern landet selbst auch auf dem Speiseplan. Als Tier, das überwiegend im Wasser lebt, galt er für die Kirche als „Fisch“ und durfte deshalb auch in der Fastenzeit gegessen werden. In vielen Teilen Deutschlands gilt der Fischotter nach wie vor als ausgestorben. Dort wo er noch lebt, kommt es häufig an Brücken zu Kollisionen mit Fahrzeugen. Denn der Fischotter wählt oft den tödlichen Umweg, wenn es für ihn keinen Uferstreifen gibt oder die Strömungsgeschwindigkeit unter der Brücke zu stark ist. Trotz Bestandszunahme in den letzten Jahren zählt er immer noch zur Kategorie drei, die zweithöchste Stufe, der gefährdeten Tierarten Deutschlands. Im Februar und März ist Paarungszeit: Nach wie vor sind Teichwirtschaften das Schlaraffenland für den flinken Jäger. Dort können Fischreusen zur tödlichen Falle für den Fischotter werden. Damit er sich nicht in den engen Garngeflecht der Fischernetze verheddert und erstickt, gibt es sogenannte Otterkreuze: Eingebaute Metallgitter versperren dem Otter den Eingang. Teilweise schützen Fischer ihre Teiche sogar mit Elektrozäunen vor dem verhängnisvollen Appetit des Fischotters. Mit solchen Schutzmaßnahmen müssen sich die beiden Fischotter aus dem Moritzburger Wildgehege nicht herumschlagen. Die beiden bekommen ihr tägliches Futter von den Tierpflegern direkt ins Gehege geliefert. Noch leben die beiden zu zweit im Gehege. Doch im Februar und März beginnt die Paarungszeit der Fischotter. Vielleicht werden diesen Frühling ein bis vier kleine Fischotter geworfen. Bis dahin ist hoffentlich auch der Shutdown vorüber, das Moritzburger Wildgehege kann seine Tore wieder für Besucher öffnen und eventuell stolz den Nachwuchs präsentieren. Von Sören Hinze