Usedomer Eisenbahngesellschaft: Warum in Niederau E-Loks stehen.

Hinter einem umzäunten Gelände zwischen Meißen und Weinböhla parken dutzende Triebfahrzeuge. Fast schon gespenstisch reihen sich die roten E-Loks aneinander. Warum verweilen die Maschinen auf dem Abstellgleis und wer hat sie dort abgestellt? Die Antwort kennt Gerald Sachs, der Geschäftsführer der Usedomer Eisenbahngesellschaft (UEG). Das Unternehmen hat in Niederau eine sogenannte Streckenanbindung. Der „Lokomotiv-Friedhof“ ist an das umliegende Gleisnetz angeschlossen. Über den Bahnhof Niederau können Eigentümer auf dem UEG-Gelände Triebfahrzeuge oder Waggons abstellen. Auch kleine Wartungsarbeiten können auf dem Betriebshof vorgenommen werden. Die Maschinen werden also kurz- oder längerfristig in Niederau gelagert. Zu den UEG-Kunden gehört auch die Deutsche Bahn AG, die Eigentümer der verlassenen Lokomotiven ist. Damit Schmierfinken sich nicht an den Zügen vergehen, wird das Gelände von einem Sicherheitsdienst bewacht. Mehr über die abgestellten E-Loks weiß Tom Hoferick. Schon als Kind war er von der Eisenbahn fasziniert und arbeitete später als Zugbegleiter – aber auch mal ganz vorne als Triebwagenführer. Beim Anblick der roten Maschinen erinnert sich der eingefleischte Eisenbahnfan. „Das war die erste E-Lok-Baureihe, die ich als Lokführer geführt habe“, sagt Hoferick. „Baureihe 143, im Westen auch Trabi, sonst oft auch „Die Lady“ genannt.“ Ursprung führt zurück in die DDR: Die E-Loks, die heute in Niederau lagern, wurden Ende der 1980er in der DDR hergestellt und waren damals der neueste Schrei – auch im Westen. Bis 1991 wurde die Baureihe im VEB Lokomotivbau „Hans Beimler“ bei Hennigsdorf in Berlin gebaut. „Angeblich ist auch etwas Asbest mit drin, wurde aber nie bewiesen“, erzählt Hoferick, der bestens mit der Lok vertraut ist. „Einige der Baureihe hatten ein Führerbremsventil – das Teil mit dem Lokführer die Bremse bedienen – der Bauart Dako“, erinnert sich der Eisenbahner. Die Bedienung der tschechoslowakischen Dako-Bremse war sehr anspruchsvoll. Denn wenn man sie kurz löste, konnte man sie nicht so schnell wieder anlegen. „Daher hatten man in Bahnhöfen mit Prellbock oft Schweiß auf der Stirn und nannte dieses Bremsventil böhmischer Angsthebel“, erläutert Hoferick. Trotzdem war die Lokomotive damals hochmodern. Zum Beispiel konnte man die Zielgeschwindigkeit vorauswählen – wie heute bei einem Tempomat im Auto. „Die 143“ war für den Fernverkehr konzipiert, bildete aber nach der Wende das Rückgrat des Regionalverkehrs, erklärt er. Seit 2008 werde die Lok ausgemustert. Deshalb landen die überholten Lokomotiven – länger oder kurzfristig – in Niederau. Doch teilweise fahren sie auch noch auf den Linien der Dresdner S-Bahn, insbesondere zum Flughafen, verrät Tom Hoferick. Bei Twitter nennt sich der Experte „Schienenstrang“. Neben Alltäglichem teilt er dort sein Fachwissen und seine Erfahrungen – außerhalb des echten Lockdowns veranstaltet er auch außergewöhnliche Reisen mit der Eisenbahn. Von Sören Hinze