Durchgetretenes Lineoleum, abgegriffene Türklinken aus schwarzer Plaste und mattes Riffelglas – der Zahn der Zeit hat am einstigen Chic der 50er Jahre sichtbare Spuren hinterlassen. Die Wände in den Gängen des Studentenwohnheims auf der Weißiger Höhe sind giftgrün gestrichen, ein starker Kontrast zum tristen Beige der in Tharandt weithin sichtbaren Außenfassade. Und dennoch wohnen die Studenten gern hier, vor allem wegen des besonderen Charmes. Damit könnte aber bald Schluss sein. Der Freistaat, Eigentümer des Heims, will das Gebäude rasch loswerden.
Verkaufsentscheidung soll „zeitnah“ getroffen werden
Bereits vor drei Jahren hatten der Freistaat und das Dresdner Studentenwerk, Betreiber der Einrichtung, den Entschluss gefasst, das Wohnheim zu verkaufen. Hinter der Entscheidung stecken die immensen Kosten für die längst fällige Sanierung des Gebäudes, wie Dieter Ruf, stellvertretender Geschäftsführer vom Staatsbetrieb Zentrales Flächenmanagement (ZFM), erklärt. Von mehreren Millionen Euro ist die Rede, die es bräuchte, um das Wohnheim innen und außen aufzumöbeln. Und schon jetzt wirtschafte das Haus defizitär, begründet Dieter Ruf die Entscheidung. Mit 41 Zimmern ist das Heim eines von insgesamt drei in Tharandt – und zugleich das größte.
Im Herbst des vergangenen Jahres hatte das ZFM das 1955 eröffnete Wohnheim auf der Expo Real in München zum Verkauf angeboten. Die Veranstaltung gilt als die größte Fachmesse für Immobilien und Investitionen in ganz Europa. Im Februar hatte der Freistaat den avisierten Verkauf dann noch einmal beworben. „Inzwischen ist das Ausschreibungsverfahren weit fortgeschritten“, sagt Dieter Ruf. Mit in Frage kommenden Interessenten habe es inzwischen auch Gespräche gegeben, eine Verkaufsentscheidung soll „zeitnah“ getroffen werden.
Studenten wollen familiäres Ambiente nicht aufgeben
Entwicklungen, die auch den im Wohnheim lebenden Studenten nicht verborgen geblieben sind. Immer wieder waren Makler aufgetaucht, die Hausmeister hätten inzwischen auch das Möbellager ausgeräumt, berichtet der angehende Forstwissenschaftler Jan Friedrich Thüne. Er ist einer der aktuell etwa 40 Bewohner und von den Plänen des Freistaats wenig begeistert. Denn ungeachtet des baulichen Zustands seien die Zimmer hier nah an den Hörsälen der in Tharandt beheimateten Forstwissenschaft und vergleichsweise günstig.
Darüber hinaus kommen die Bewohner oft zusammen – um zu kochen, zu musizieren oder um im Garten zu arbeiten. Ein familiäres Ambiente, dass die Studenten ungern aufgeben wollen. Sie drängen auf den Erhalt des traditionsreichen Hauses – fühlen sich mit ihren Forderungen aber abserviert und allein gelassen. „Wir wissen derzeit noch nicht einmal, wann wir hier möglicherweise ausziehen müssen“, erklärt Jan Friedrich Thüne.
Behörde verweist auf ausreichend vorhandene Plätze in Dresden
Auf Nachfrage der Dresdner Neuesten Nachrichten kündigte das ZFM an, den Verkauf noch dieses Jahr unter Dach und Fach bringen zu wollen. „Die konkreten Planungen der Kaufinteressenten konzentrieren sich vor allem auf die Nutzung des Objektes zu Wohnzwecken“, lässt Dieter Ruf bereits durchblicken. Ob der potenzielle Käufer auch Angebote für Studenten plane, könne er nicht sagen.
Den Vorwurf der Studenten, dass Land und Studentenwerk das Wohnheim „als lästige denkmalgeschützte Altlast loswerden“ wollen und den „sozialen Auftrag mit Füßen“ trete, kontert die Staatsverwaltung: „Die Sanierung müsste mangels öffentlicher Förderung allein aus Eigenmitteln des Studentenwerks finanziert werden. Angesichts der wenigen Wohnheimplätze wären diese nicht mehr zu sozialverträglichen Mieten vermietbar, so dass das Studentenwerk damit seinen gesetzlichen Auftrag nicht mehr erfüllen könnte“, heißt es aus dem ZFM.
Zudem verweist die Behörde auf ausreichend vorhandene Plätze in anderen Wohnheimen – in Dresden. „Viele der Wohnheime befinden sich in der Nähe des Hauptbahnhofs, von wo aus Tharandt mit der S-Bahn gut angebunden und für Studenten per Semesterticket ohne zusätzliche Kosten zu erreichen ist“, sagt Dieter Ruf. Ein Argument, dass Jan Friedrich Thüne nicht gelten lassen will: „Die Plätze in den Wohnheimen in Dresden sind teurer.“ Er und seine Mitstreiter sind noch fester Hoffnung, „auch für künftige Generationen von Studierenden ein bezahlbares und faszinierendes Wohnen in unmittelbarer Nähe unseres Studienortes“ erhalten zu können.
Von Sebastian Kositz