Wetter in Sachsen: Zu warm, zu trocken, zu sonnig

Die Wetter- und Klimabilanz in Sachsen fällt für 2020 erneut besorgniserregend aus. Das ist das Jahresfazit des Landesamtes für Umwelt und Geologie (LfULG) und des Deutschen Wetterdienstes (DWD), das am Donnerstag in Dresden vorgestellt wurde. So war beispielsweise die durchschnittliche Jahrestemperatur von 11,5 Grad Celsius in Leipzig absoluter Spitzenwert seit Beginn der Aufzeichnungen 1881. Vor allem der Norden Sachsen leidet: „Wir sehen, dass wir erneut ein deutlich zu warmes Jahr hatten“, sagte DWD-Meteorologe Falk Böttcher. Der ausbleibende La-Nina-Effekt, der normalerweise Kühlung aus dem Pazifik bringt, so viele Hurrikans über dem Atlantik wie noch nie und steigende Wärme von den polaren Regionen bis hinein nach Europa seien dafür die Ursache gewesen. In Sachsen gab es deshalb zu wenig Niederschlag (minus 9 Prozent), zu hohe Temperaturen (plus 2,2 Grad über dem jährlichen Mittel) und überdurchschnittlich viele Sonnenstunden (plus 23 Prozent). Folge waren die drei wärmsten Jahre hintereinander seit Beginn der Aufzeichnungen. Vor allem Nordsachsen und Nordwestsachsen litten dabei unter der anhaltenden Trockenheit. Ein kompletter Jahresniederschlag fehlt: Laut LfULG-Klimareferent Christoph Franke wird damit bereits jetzt das Klima-Niveau erreicht, das bei einem hohen Klimaschutz erst für das Ende des 21. Jahrhunderts erwartet wurde. Franke erinnerte daran, dass höhere Temperaturen und Wasserknappheit eng zusammenhängen. So bedeute ein Grad mehr, dass auch die Luft sieben Prozent mehr Feuchtigkeit aufnehmen kann. Darum habe sich nach den drei trockenen Jahren mittlerweile ein Niederschlagsdefizit von rund 400 Litern pro Quadratmeter gebildet. Aufgrund der gestiegenen Lufttemperatur und deutlich mehr Sonnenstunden entstand aber noch ein um 17 Prozent höherer Wasserbedarf. Aufaddiert ergibt das ein Gesamtdefizit von 800 Litern Wasser pro Quadratmeter. Heißt: Ein durchschnittlicher Jahresniederschlag in Sachsen fehlt. Wasserstand der Flüsse wird weiter sinken: „Das Defizit ist inzwischen so massiv, dass es wochenlang anhaltend regnen müsste, um es auszugleichen“, sagt LfULG-Wasserexperte Andy Philipp. Die Tiefstände im Herbst seien auf bisher nicht gekanntes Niveau gesunken. Das werde auch Auswirkungen auf den Wasserstand der Flüsse haben. Die Auffüllung des Wasservorrats im Boden erfordere entweder eine langsame Schneeschmelze oder einen Landregen, weil nur dann das Wasser einsickern kann. Starkregen führe fast ausschließlich zu Oberflächenabfluss und Bodenerosion, gelange aber kaum bis ins Grundwasser. Aktuell wird der monatstypische Grundwasserstand an knapp 90 Prozent der Grundwassermessstellen in Sachsen um durchschnittlich 60 Zentimeter unterschritten. Und für 2021 sei vorerst keine kurzfristige Entspannung zu erwarten, so Philipp. Waldumbau mit vielen Fragezeichen: Der Wassermangel im Boden macht auch den sächsischen Wäldern zu schaffen. Im Osterzgebirge sowie im Tief- und Hügelland war der Speicher während der Vegetationsperiode bereits soweit ausgeschöpft, dass für die Bäume mit dem Übergang von Trockenheit zu Dürre zunehmender Stress in der Wasserversorgung entstand. Das Zusammenwirken von warm-trockener Witterung und einem rasch abnehmenden Bodenwasservorrat führte zur Ausweitung der Schäden an der Waldkiefer (in der Dübener Heide schlug der Borkenkäfer zu) und zu Trockenstress in den Eichenwäldern. Dirk-Roger Eisenhauer vom Staatsbetrieb Sachsenforst umschreibt das Problem so: „Wir müssen den Wald an Bedingungen anpassen, die wir noch gar nicht kennen.“ Deshalb sei ein Ende dieser Aufgabe derzeit auch nicht abzusehen. Gute Nachricht: Feinstaubwerte sinken: Vor allem das Plus von 4,3 Grad im Winter 2019/2020 sorgte dafür, dass der Vegetationsbeginn mehr als zwei Wochen früher einsetzte. Die Ernteerträge fielen dann etwas etwas besser aus als in den Jahren 2018 und 2019. Einbußen gab es hier vor allem auch wieder in Nordsachsen. Das betraf unter anderem den Feldfutterbau. Spätfröste im Mai wirkten sich in der Landwirtschaft insbesondere auf die Wintergerste aus. Sorten, die sich zu diesem Zeitpunkt in der Blüte befanden, bildeten nur wenige bis gar keine Körner in den Ähren aus. Im Obst-, Gemüse- und Gartenbau brachen Baumobst und Weinanbau ein. Für Klimaexperten Franke ist die Ursache klar: „Wir sehen hier die Folgen des von Menschen gemachten Klimawandels. Die Emission von Treibhausgasen hat sich trotz Corona ungebremst fortgesetzt.“ Es gibt aber auch eine gute Nachricht: Die Feinstaub-Konzentrationen lagen auf dem niedrigsten Niveau seit Beginn der Messungen im Jahr 1999. Von Roland Herold