Verschärfte Grenzkontrollen in Sachsen: Das sagen tschechische Pendler

Angesichts der weiter dramatischen steigenden Corona-Infektionszahlen im Nachbarland Tschechien werden ab kommenden Sonntag die Grenzübergänge wieder kontrolliert. Einreisende müssen sich in eine Quarantäne begeben. Ausnahmen gelten nur für Pendler, die Sachsen aber ebenfalls drastisch kürzt. Nur noch Mitarbeiter in medizinischen Berufen, in der Pflege und Landwirtschaft soll eine Einreise mit negativem Testergebnis und ohne Quarantäne erlaubt werden. Die Betroffenen haben für die neuen Maßnahmen durchaus Verständnis, kritisieren aber die Länge der Isolation und hoffen auf finanzielle Entschädigungen. „Wir sind uns der Ernsthaftigkeit der Lage und der Wahrnehmung der Tschechischen Republik in Deutschland als gefährlicher Nachbar voll bewusst“, sagte Jan Tříska am Freitag gegenüber der LVZ. Er ist im sächsischen Gesundheitswesen tätig, pendelt regelmäßig über die Grenze nach Sachsen. Tříska vertritt auch die tschechische Pendlervereinigung APCR und macht sich für Rechte von Berufskollegen stark. „Deutschland befürchtet Lockerungen in der Tschechischen Republik und eine weitere unkontrollierte Ausbreitung des Coronavirus“, mutmaßt er. Pendler machen Opposition für Misere verantwortlich: Tatsächlich wird aktuell im Prager Parlament trotz eines landesweiten Inzidenzwertes von über 400 auch wieder ein Ende des aktuellen Lockdowns diskutiert. Zuzana Vintrová, Vorsitzende der APCR, machte am Freitag die Oppositionsparteien für die Misere verantwortlich, weil diese gegen weitere Schutzmaßnahmen Sturm liefen. „Eine Verlängerung der Beschränkungen wäre für Tschechien sehr wichtig. Wir können natürlich verstehen, dass Sachsen diese Debatte mit Sorge sieht und deshalb nun vorsorglich die Grenzen schließt“, so Vintrová gegenüber der LVZ. Wenig Verständnis hat sie allerdings für die nun angedachte Länge der Quarantäne, die ab Sonntag auf die meisten der tschechischen Pendler zukommen wird. „Unsere Botschaft hat uns mitgeteilt, dass es 14 Tage sein werden. Das ist für uns schon problematisch. Fünf Tage hätten doch absolut gereicht“, findet Vintrová. Vintrova: 50 Prozent werden nach Sachsen ziehen: Ein großer Teil werde die Abschottung dennoch in Angriff nehmen. Laut Vintrová planen etwa 50 Prozent der insgesamt gut 9000 tschechischen Pendlerinnen und Pendler in Sachsen vorübergehend in den Freistaat umzusiedeln, um hier weiterarbeiten zu können. „Dies ist nicht die erste drastische Einschränkung der Grenzen, die Pendler im letzten Jahr an der Grenze erlebt haben. Seit Beginn der Pandemie haben sie gezeigt, dass sie ihren Arbeitsplatz in Deutschland behalten und sich als zuverlässige Arbeitnehmer erweisen wollen“, sagt auch Jan Tříska. Er erinnert daran, dass seine Kollegen in Deutschland auch Steuern und Sozialversicherungen zahlten, allerdings häufig Opfer von Falschbehauptungen werden, sie würden angeblich das hiesige Sozialsystem missbrauchen. „Pendler haben als Zahler Anspruch auf Sozialversicherung des deutschen Staates. Diese Tatsache sollte nicht vergessen werden und wir werden das Möglichste tun, um die Rechte der Pendler zu verteidigen“, so Tříska weiter. Eine Lösung könne eine Entschädigung für Mitarbeiter sein, die nicht für die erforderliche Zeit nach Deutschland umziehen können. Die Tschechen in sächsischer Firmen seien schließlich nicht für die aktuelle Pandemie verantwortlich, wollen aber auch wie ihre deutschen Kollegen nach europäischem Recht mit den gleichen Sozialschutzrechten behandelt werden. Dritte Infektionswelle innerhalb eines halben Jahres: In Sachsens Nachbarland ereignet sich aktuell die dritte Infektionswelle innerhalb eines halben Jahres. Bereits im Herbst hatten extrem hohe Ansteckungswerte in Tschechien auch Auswirkungen auf Sachsen. Drei der aktuell am schlimmsten betroffenen Hotspots – die Bezirke Sokolov, Cheb und Trutnov – befinden sich Nähe zu Sachsen. Die Gemeinde Cheb grenzt zudem direkt an den bayrischen Landkreis Tirschenreuth. Dieser hat inzwischen mit wöchentlich 348 Neuinfektionen auf 100.000 Einwohnern auch die höchsten Corona-Inzidenz aller Kreise in Deutschland. Die tschechische Regierung hatte die drei stark betroffenen Bezirke inzwischen komplett abgeriegelt. Wer dort wohne, dürfe den Bereich nicht mehr verlassen, sagte Tschechiens Gesundheitsminister Jan Blatný. Leute von außerhalb würden nicht hereingelassen. Aufgrund der neuen Verordnung zu den Virus-Variantengebieten stellt die Deutsche Bahn ab Sonntag den Fernverkehr nach Tirol sowie nach Tschechien ein. Betroffen sei in Richtung Tirol die EC-Linie München–Innsbruck–Verona. Eingestellt werde außerdem die EC-Linie Hamburg–Berlin–Dresden–Prag. Nach der Ausbreitung neuer Virusvarianten hatte die Bundesregierung am Freitag die Regeln für die Einreise aus mehreren EU-Staaten erneut verschärft und teilweise auch stationäre Grenzkontrollen angeordnet. Neben Tschechien und Tirol in Österreich gilt ab Sonntag auch für die Slowakei wegen der Corona-Pandemie ein Beförderungsverbot. Nach der Einstufung Tschechiens als Virusvarianten-Gebiet stellt auch der Verkehrsverbund Oberelbe den grenzüberschreitenden Nahverkehr ab Sonntag bis auf Weiteres ein. Betroffen sind die Nationalparkbahn, die Elbfähre zwischen Schöna und Hřensko sowie die Buslinien T in Sebnitz und 398 zwischen Sebnitz und Teplice, wie das Unternehmen am Freitag in Dresden mitteilte. Zwischen Sebnitz und Bad Schandau gebe es Busse im Schienenersatzverkehr, zwischen Bad Schandau und Schöne könne auf die S-Bahn ausgewichen werden. Der sonstige innerstädtische Verkehr in Sebnitz rolle wie geplant weiter. Die Linie 398 wird auf deutscher Seite bis Zinnwald bedient und in Tschechien nur zwischen Cinovec und Teplice. Die witterungsbedingt seit 8. Februar pausierende Fähre Schöna–Hřensko bleibt weiter außer Betrieb. Die Tschechische Staatsbahn (Ceske Drahy/CD) hat nach der Deutschen Bahn ebenso die vorübergehende Einstellung grenzüberschreitender Zugverbindungen angekündigt. Betroffen sind von Sonntag an der Express-Zug zwischen Prag und München und die Linie R 29 zwischen Cheb und Nürnberg, wie eine Sprecherin am Freitag auf Anfrage mitteilte. Die Eurocity-Linie Prag–Hamburg endet bereits im nordböhmischen Grenzbahnhof Decin.Die Regionalbahn zwischen Decin und Rumburk über das sächsische Bad Schandau wird durch Busse ersetzt, die deutsches Gebiet weiträumig umfahren. Andere Linien wie Karlovy Vary (Karlsbad)–Johanngeorgenstadt und Cheb–Hof verkehren nur auf tschechischem Gebiet bis zum letzten Bahnhof vor der Grenze. Die Züge zwischen Domazlice und Furth im Wald in der Oberpfalz fallen ganz aus. Von Matthias Puppe