Sachsens Verfassungsschutz stuft AfD als Verdachtsfall ein

V-Leute, Observationen, Telefonüberwachung: Die sächsische AfD wird künftig vom Verfassungsschutz deutlich schärfer ins Visier genommen werden. Nach LVZ-Informationen ist die Partei bereits am 25. Januar als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft worden. Weder das Landesamt für Verfassungsschutz noch das Innenministerium äußerten sich am Montag zu dieser neuen Entwicklung – die gesetzliche Lage verbietet eine Aussage, da sich sächsische Sicherheitsbehörden nicht zu Verdachtsfällen erklären dürfen, sondern ausschließlich zu erwiesenen extremistischen Umtrieben. Sachsen hat Prüfung schon vor sechs Wochen abgeschlossen: Dass eine entsprechende Einstufung kurz bevorsteht, hatte die LVZ bereits vor zwei Wochen berichtet. Die Prüfung beim sächsischen Inlandsgeheimdienst war im Dezember 2020 abgeschlossen und im Innenministerium vorgelegt worden. Die vorliegenden Ergebnisse würden ausreichen, die AfD stärker zu überwachen, hieß es in Sicherheitskreisen. Demnach soll der Einfluss des rechtsextremen Lagers innerhalb der Partei in den vergangenen beiden Jahren gewachsen sein. Am Montagnachmittag ist die Parlamentarische Kontrollkommission des sächsischen Landtags unterrichtet worden. Bundesamt sieht im Flügel „erwiesen extremistische Bestrebung“: Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) hatte die AfD 2018 zum Prüffall erklärt und das „Flügel“-Lager im März 2020 als „erwiesen extremistische Bestrebung“ eingestuft. Nach LVZ-Informationen soll es auch bei mindestens drei sächsischen Landtagsabgeordneten rechtsextremistische Bezüge geben. Die Bild-Zeitung hatte am Montag den Vollzug des Verdachtsfalls zuerst veröffentlicht. Zuvor war die AfD bereits in Thüringen, Brandenburg und Sachsen-Anhalt als Verdachtsfall eingestuft worden. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hatte ursprünglich schon für vergangenen Dienstag geplant, die Partei als Verdachtsfall einzustufen – der Termin war allerdings kurzfristig abgesagt worden, da die AfD vor einem Verwaltungsgericht geklagt hatte. Auch in Sachsen wird in Sicherheitskreisen ein entsprechender Gang vor Gericht erwartet. AfD kündigt Klage gegen Einstufung an: „Eine Klage gegen die Einstufung der sächsischen AfD als Verdachtsfall ist in Vorbereitung“, sagt Sachsens AfD-Landesvorsitzender Jörg Urban der LVZ. Zudem soll es noch in dieser Woche eine Strafanzeige wegen Geheimnisverrats und Rufschädigung geben. Urban hatte sich schon im Vorfeld von der Entwicklung wenig überrascht gezeigt. „Die Instrumentalisierung des Verfassungsschutzes, die sich mit dem Wechsel an den Behördenspitzen im Bund und in Sachsen abgezeichnet hatte, wird nun Realität“, hatte der AfD-Landeschef erklärt. Das Ziel sei gerade im Jahr der Bundestagswahl klar erkennbar, meinte Urban: „Die Wähler sollen verunsichert, die Partei zersetzt werden. Gerade im Osten dürfte aber das Gegenteil erreicht werden. Die Menschen erinnern sich noch gut an die Methoden der Stasi und sehen die Parallelen zum Verfassungsschutz.“ AfD-Landesparteitag unter neuen Vorzeichen: Im vergangenen Jahr war bereits der Dresdner AfD-Bundestagsabgeordnete Jens Maier vom sächsischen Verfassungsschutz als Rechtsextremist eingestuft worden. Maier ist Obmann des rechtsnationalen „Flügels“ in Sachsen gewesen und hatte stets davon gesprochen, dass etwa zwei Drittel der sächsischen Parteimitglieder zu der – inzwischen offiziell aufgelösten – Strömung gehörten. Am kommenden Wochenende findet der sächsische AfD-Landesparteitag in Dresden statt. Es wird erwartet, dass Maier für eine vordere Listenplatzierung kandidieren wird. Das Thema dürfte die geschätzt 600 Teilnehmer auch insgesamt beschäftigen, zumal der Verfassungsschutz mit der Einstufung als rechtsextremistischer Verdachtsfall neue Möglichkeiten der Beobachtung besitzt. Von Andreas Debski