Sachsens Umweltminister: „Das Geld wird vorn und hinten nicht reichen“

Sachsens Landesregierung berät ab Montag in Meerane über die Eckpunkte des neuen Doppelhaushaltes. Für die Grünen hat Umweltminister Wolfram Günther konkrete Vorstellungen wie es trotz Corona-Krise und Neuverschuldung weitergehen soll. Die schwarz-grün-rote Koalition in Sachsen berät in der kommenden Woche in Meerane die Eckpunkte des neuen Doppelhaushalts. Da kann es doch nur ums Sparen gehen? Wir reden über den Doppelhaushalt 2021/22 und ein Konjunkturprogramm für Sachsen. Durch die Kreditaufnahme des Freistaats über 6 Milliarden im Zuge der Corona-Krise ist klar, dass das auch künftige Generationen noch zurückzahlen müssen. Umso wichtiger ist deshalb, das Geld auch generationengerecht auszugeben. Oder andersherum: Das bedeutet, dass jeder Euro der ausgegeben wird, eine mehrfache Rendite erbringen muss. Wie soll das funktionieren? Es geht nicht um Strohfeuer oder darum, kurzfristige Kaufanreize zu setzen. Wir müssen jetzt in alle anderen strukturellen Krisen, die wir haben, investieren. Und da steht der Klimaschutz ganz weit oben. Aber auch soziale Fragen und eine größere Unabhängigkeit von Importen. Gerade in der Corona-Krise haben wir gemerkt, wie abhängig wir sind von globalen Lieferketten, dass Deutschland nicht in der Lage ist, von jetzt auf gleich Schutzbekleidung zu organisieren. „Weitere Einnahmeausfälle durch Corona“: Nun haben wir dieses Problem ja beispielsweise bei Medikamenten seit Jahren, weil viel in Indien produziert wird. Wir können doch aber nicht die Globalisierung zurückdrehen und alles in Deutschland produzieren. Das will niemand. Deutschlands Wohlstand fußt auf dem Export. Aber es ist wichtig und eine Frage der Vernunft, in strategischen und lebensnotwendigen Bereichen die Dinge vor Ort zu produzieren. Zurück zum Haushalt. Finanzminister Vorjohann wird vermutlich den Kassendeckel fest zuhalten. Bedeutet das für die Koalition, dass nun kleinere Brötchen gebacken werden oder gibt es auch ein Wohlfühlpaket? Ich glaube, die Zeiten von Wohlfühlpaketen nach dem Motto, jeder bekommt ein bisschen was, sind vorbei. Neben dem Kredit fallen ja durch Corona nach wie vor weitere Kosten – beispielsweise für Schutzbekleidung – oder auch Einnahmeausfälle an. Wir sprechen über Ausfälle durch die Umsatzsteuersenkung und über die Kofinanzierung von Bundes- und EU-Hilfen. Das Geld wird vorn und hinten nicht reichen. Genau deshalb ist es ja so wichtig, nicht nur kurzfristige Anreize zu setzen. „Private Investitionen entfesseln“: Wie die Abwrackprämie? Ich bin froh, dass das auf Bundesebene vom Tisch ist. Sachsen ist ein Autoland und viele Menschen arbeiten in der Zulieferindustrie. Aber Geld dafür ausgeben, dass Menschen, die es sich leisten können, einmal konsumieren, geht genau in die falsche Richtung. Wir müssen vielmehr sehen, dass wir kurzfristige Konjunkturwirkung und langfristige Effekte verbinden. Das verstehe ich unter einem Green New Deal für Sachsen. Welche Bereiche schweben Ihnen da vor? Unter anderem solche, bei denen man gleichzeitig private Investitionen entfesselt. In meinem Bereich betrifft das beispielsweise die Erneuerbaren Energien. Wir haben die strukturelle Herausforderung im Industrieland Sachsen, dass wir nach dem Braunkohleausstieg Energieland bleiben und nicht auf Stromimporte angewiesen sein wollen. Wir haben uns deshalb im Koalitionsvertrag nachhaltige Ausbauziele für die Erneuerbaren Energien gesetzt. Der Gedanke ist, dort schneller voranzukommen. „Wir reden über zwei bis drei Milliarden Euro“: Durch welche Maßnahmen soll das erreicht werden? Wir reden über private Investitionen von zwei bis drei Milliarden Euro, für die wir als Staat die planerischen Grundlagen schaffen müssen. Da liegt ein Riesenhebel. Geld und Interessenten, die in Erneuerbare Energien investieren wollen, sind vorhanden, unter anderem auch Bürgergenossenschaften. Damit würde das verdiente Geld vor Ort bleiben. Für Solar- und Windkraftanlagen? Etwa 1000 Megawatt-Solaranlagen auf Freiflächen entsprechen Investitionen von rund 700 Millionen Euro. Geld, das zu großen Teilen in den regionalen Mittelstand fließt – an Installateure, Ingenieurbüros, Metallbauer, Elektrofachbetriebe, Baubetriebe und Landschaftsplaner. Mehrere Millionen gehen dann noch einmal in Betrieb und Wartung. Gleichzeitig haben wir in Dresden und Chemnitz eigene Modulhersteller, die damit Geld verdienen können. Ähnlich ist es bei der Windenergie – 800 Megawatt sind etwa 200 Anlagen. Dort werden rund 1,25 Milliarden Euro mobilisiert. Plus 12 Millionen Euro jährlich für Wartung und Betrieb. „Im Wald steht ein Milliardenvermögen“: Wie kann der Freistaat dort Einfluss nehmen? Wenn man das beschleunigt, tritt der Effekt früher ein und wird als Corona-Konjunkturhilfe wirksam. Der Freistaat muss daher jetzt in die planerischen Kapazitäten dafür investieren. Das ist eine relativ geringe Investition, die aber eine Riesenrendite bringt. Wie soll der Waldumbau künftig von statten gehen? Die Situation ist in vielen Gebieten bereits dramatisch. Dort ist es ähnlich. Im sächsischen Wald steht ein Milliardenvermögen. Wenn man es jetzt nicht hinbekommt, angesichts von Klimawandel und Schäden durch Dürre, Stürme und Borkenkäfer in den Waldumbau zu investieren, entstehen hohe Verluste. Deshalb fördern wir den Umbau bei den privaten Waldbesitzern und investieren in den Staatswald. Tun wir es nicht, wird ein Riesenvermögen zerstört und wir verlieren ökologische und touristische Funktionen des Waldes. Deshalb habe ich mich gefreut, dass auch der Bund in seinem Konjunkturpaket das Thema Waldumbau berücksichtigt. „Zu hoher Altersdurchschnitt bei Sachsenforst“: In den Wäldern wird aber jetzt noch an der Beseitigung von Sturmschäden der vergangenen Jahre gearbeitet. Gibt es denn überhaupt genügend Leute dafür? Das Problem ist, dass wir durch die Personalpolitik des Freistaats in der Vergangenheit beim Staatsbetrieb Sachsenforst einen viel zu hohen Altersdurchschnitt haben. Wir binden aber mit Geld viele Vertragsunternehmen, die Waldarbeiten durchführen, investieren also auch hier für einen langfristigen Nutzen. Sie erwähnten vorhin das Konjunkturpaket. Wie schätzen Sie das ein? Ein Lob an den Bund, weil darin neben Senkung der EEG-Umlage, Abschaffung des Förderdeckels für Photovoltaik und anderen Weichenstellungen auch der öffentliche Verkehr eine Rolle spielt. Wir müssen dort investieren, um die Entwicklung des ländlichen Raums stärker zu fördern. Was diese Sparwellen der Vergangenheit bedeutet haben, ist bekannt. Beispielsweise das Abbestellen von Bahnstrecken. Dadurch sind aus ganzen Regionen die Menschen weggezogen, weil kein Anschluss mehr da war. Mittlerweile ist nicht nur uns als Grünen klar, dass wir dort eine Trendwende brauchen. Ein richtiger volkswirtschaftlicher Nutzen entsteht durch die Förderung des Öffentlichen Personennahverkehrs und den Ausbaus des Güterverkehrs auf die Schiene. „Wir haben zu viel Güterverkehr auf der Straße“: Was ist mit den Autobahnen? Deren Ausbau und Unterhalt wie auch der der Bundesstraßen sind eine weitere Herausforderung. Wir haben zu viel Güterverkehr auf der Straße. In der Landwirtschaft droht in diesem Jahr womöglich wieder eine Dürre. Gibt es dafür Lösungsansätze? Auch in der Landwirtschaft muss angesichts der Dürren investiert werden. Es gibt Hochrechnungen, wonach bis 2050 bis zu drei Milliarden Euro volkswirtschaftliche Schäden entstehen, wenn wir jetzt nicht investieren. Normalerweise geht die Forderung in Richtung Staat nach Dürrehilfen. Wenn man stattdessen in Wasserrückhalt, Bewässerungssysteme und Schutzstreifen investiert, kostet das den Staat zwar ebenfalls Geld, aber wir helfen der Landwirtschaft, dass sie auch unter den Bedingungen des Klimawandels Geld verdienen kann und kommen gleichzeitig zu ökologischen Verbesserungen. Mit all diesen Punkten gehen Sie in die Haushaltsverhandlungen? Genau. Wie wollen jetzt Konjunkturanreize setzen, indem wir Aufträge in der Privatwirtschaft auslösen, gleichzeitig künftige Ausgaben minimieren und eine ökologische Rendite erzielen. Von Roland Herold

Vor der Haushaltstagung - Sachsens Umweltminister: „Das Geld wird vorn und hinten nicht reichen“