Noch kein Anstieg bei Insolvenzen – Experten sicher: „Pleitewelle kommt verzögert“

Trotz Shutdown gibt es bisher in Deutschland nicht mehr Firmeninsolvenzen als sonst, wie aus einer Untersuchung hervorgeht. Die Pleitewelle ist aber nur aufgeschoben, befürchten Wirtschaftsexperten aus Mitteldeutschland. Im März und April dieses Jahres meldeten rund 1930 Personen- und Kapitalgesellschaften Insolvenz an – fast genauso viele wie im selben Zeitraum des Vorjahres. Das hat das Institut für Wirtschaftsforschung in Halle (IWH) ermittelt. Die konstante Zahl an Firmenpleiten sei kein Grund zur Entwarnung, teilte IWH-Forscher Steffen Müller mit. Viele Unternehmen verfügten noch über Reserven. „Zum anderen dürften staatliche Maßnahmen geholfen haben, eine Pleitewelle zumindest aufzuschieben.“ Müller verwies darauf, dass der Gesetzgeber zudem die strikte Meldepflicht für Zahlungsunfähigkeit wegen der Corona-Pandemie bis zum 30. September gelockert hat. Viele Unternehmen haben zu geringe Rücklagen: Aus seiner Sicht rollt die Pleitewelle zeitverzögert auf Deutschland zu, sagt Insolvenzverwalter Nikolaus Schmidt, der unter anderem in Leipzig, Dresden, Halle und Berlin tätig ist. Viele Unternehmen hätten einfach zu geringe Rücklagen, um sich über eine so lange Durststrecke durchhangeln zu können. Da würden auch Kredite und Kurzarbeitergeld nur bedingt helfen. „Die Nachwirkungen von Corona werden wir in ein bis zwei Monaten spüren – das ist so sicher wie das Amen in der Kirche.“ Die ersten Reisebüros und Hoteliers, die schon vor der Krise in Schwierigkeiten steckten, „schmeißen jetzt hin“. Die von der Bundesregierung geplante Gutscheinlösung hätte die Not etwas lindern können. „Die EU hat die Regelung aber gekippt. Und die Rückzahlung stellt mittelständische Reiseunternehmen und Reisebüros vor Probleme.“ Staatskredite verschieben Probleme in die Zukunft: Auch der Insolvenzverwalter Lucas Flöther aus Halle hat davor gewarnt, dass günstige Staatskredite bei vielen Betrieben die Probleme in die Zukunft verschieben könnten und auf alternative Sanierungschancen per Schutzschirmverfahren hingewiesen. Der Kreditversicherer Coface rechnet in Deutschland mit einer Zunahme der Firmeninsolvenzen um 25 Prozent. Der Wirtschafts-Informationsdienstleister Crifbürgel erwartet bis zu 15 Prozent mehr Firmeninsolvenzen und eine Zunahme von Privatinsolvenzen von zehn Prozent. Laut IWH gibt es zwischen den Bundesländern größere Unterschiede beim Insolvenzgeschehen. Während in Thüringen zwischen Januar und April rechnerisch mit 1,3 Firmeninsolvenzen je 100 000 Einwohner der niedrigste Anteil gemeldet wurde, waren es in Berlin im gleichen Zeitraum 9,5 Insolvenzen und in Bremen 10,7 je 100 000 Einwohner. Sachsen-Anhalt liegt mit 4,0 Fällen im Mittelfeld und etwa gleichauf mit Bayern (4,0) oder Brandenburg (4,1), in Sachsen lag der Anteil laut IWH bei 3,0 Firmeninsolvenzen je 100 000 Einwohner. Von Andreas Dunte

Corona und die Folgen - Noch kein Anstieg bei Insolvenzen – Experten sicher: „Pleitewelle kommt verzögert“