Kita-Erzieherin in der Corona-Krise: "Die Kinder wollen über den Tod sprechen"

Schon immer wollte Anne-Christin Rölle Pädagogin werden. Und nun sind es mehr als 25 Jahre, die sie schon in ihrem Job arbeitet, elf davon als Erzieherin in der Kita Abraham in Markleeberg. Anne-Christin Rölle ist 50 Jahre alt. 25 Jahre sind mehr als die Hälfte ihrer Lebenszeit. Ein Vierteljahrhundert. Ein Jahr wie das vergangene hat sie allerdings noch nicht erlebt, sagt sie. Geboren und aufgewachsen ist Anne-Christin Rölle in der Nähe von Dresden – in der DDR und mit dem christlichen Glauben. „Also im Prinzip war das gegen das System“, erzählt sie. Sie sei immer mit geschwommen, aber immer gegen den Strom. „Wer weiß, vielleicht stand ich da auch auf einer Liste“, überlegt sie und lacht. Anne-Christin Rölle ist eine herzliche Frau. Ausbildung in der DDR: Gegen das System: Nach der Schule ging sie nach Erfurt und macht dort die Ausbildung zur Erzieherin – bei einem christlichen Träger und auf eigene Verantwortung. Die Ausbildung dort wurde von der DDR nicht anerkannt. Anne-Christin Rölle hatte Glück. Noch während ihrer Zeit in Erfurt fiel die Mauer. Die alten Regeln galten nicht mehr. Später zog es sie Richtung Leipzig, auch der Liebe wegen. Drei Kinder hat sie auf die Welt gebracht, zwei sind bereits wieder aus dem Haus. Eine ihrer Töchter macht ebenfalls eine Ausbildung zur Erzieherin, die andere wollte eigentlich vergangenes Jahr heiraten. Die Hochzeit wurde verschoben. Notbetreuung in der Corona-Krise: Manchmal gar nicht schlecht: Seit Corona hat sich Anne-Christin Rölles Arbeit verändert. Ruhiger sei es geworden – in einer Kita fällt sowas gleich auf. In der Notbetreuung waren manchmal nur etwa fünf Kinder. „Ehrlich gesagt war das auch mal richtig toll. Es gibt ja normalerweise viel zu wenig Erzieher“, erzählt Rölle. „Die Kinder hatten eine gute Zeit und haben sich auch währen des letzten Jahres wohl gefühlt.“ Zu Rölles Arbeit gehören Weiterbildungen, Elterngespräche, die Betreuung der kleinsten Krippenkinder . „Wir spielen nicht nur mit den Kindern“, sagt Rölle. Nicht alles war schlecht im vergangenen Jahr, zum Beispiel blieb viel Zeit für Dinge, die normalerweise oft liegen bleiben. „Es ist manchmal wie in einem Hamsterrad, man schafft das eine und fängt woanders wieder an.“ Erzieherinnen und Erzieher: Immer noch ein weiblicher Beruf: Noch immer besteht der größte Anteil der pädagogischen Fachkräfte in Sachsen aus Frauen, auch wenn der Anteil männlicher Kollegen wächst. Doch der Personalschlüssel insgesamt ist niedrig – die Erzieher und Erzieherinnen betreuen häufig zu viele Kinder gleichzeitig. Rölle sieht ihren Job dennoch nicht als typischen Frauenberuf. Sie weiß aber, dass nicht jeder für den Beruf als Erzieherin oder Erzieher geeignet ist. Die Lärmbelastung ist hoch, die Ausbildung dauert lange, muss manchmal auch selber bezahlt werden. Trotzdem kann Anne-Christin Rölle sich für sich selbst keinen anderen Job vorstellen. Daran hat auch Corona nichts geändert. Die christliche Seite sei ihr wichtig, gerade in der Pandemie sei es wichtig, auch ernste Themen mit den Kita-Kindern zu thematisieren. „Die Kinder wollen über den Tod sprechen“, sagt Rölle. „Dafür ist nun die Zeit da, die sonst hinten runter fällt.“ Und es komme auch viel zurück, die Kinder seien kompromisslos, hätten immer etwas zu erzählen. „Das ist wirklich das Schönste, man wird immer herzlich begrüßt, sie sind offene und ehrliche Wesen.“ Lesen Sie auch OP-Schwester Bettina Schöbel: „Jetzt ziehst du einfach mal die Handschuhe aus und streichelst seine Hand“ Ärztin Susanne Knoll: „Ich mache doch nur meine Arbeit“ Konsum-Filialleiterin Jacqueline Rosenau: „Die Leute hatten nur noch uns“ Fernfahrerin Claudia Blumstengel: „Jeder Kunde bekommt ein Lächeln“ Tafel-Mitarbeiterin Antje Schmidt: „Gerade jetzt müssen wir für die Menschen doch da sein“ Kita-Erzieherin Anne-Christin Rölle: „Die Kinder wollen über den Tod sprechen“ Von Vanessa Gregor