Gesuchter Messer-Mörder wird in Leipziger Prozess zum Opfer

Nach ihm wird wegen einer erschütternden Bluttat weltweit gefahndet: Farhad A. (24) war nach Überzeugung der Ermittler an der tödlichen Messerattacke im August 2018 in Chemnitz beteiligt. Jetzt kam heraus: Etwa zwei Monate zuvor war der Iraker in eine Auseinandersetzung vor einem Leipziger Innenstadtclub verwickelt. Allerdings: Die Staatsanwaltschaft hält den untergetauchten Gewalttäter für das unschuldige Opfer eines übergriffigen Angestellten. Und der in diesem Fall beschuldigte Leipziger versteht die Welt nicht mehr. Schon im Januar 2019 hatte das Amtsgericht gegen Michael T. (38) einen Strafbefehl erlassen – 2500 Euro Geldstrafe wegen des Tatvorwurfs der Körperverletzung. Nachdem er im März 2019 dagegen Einspruch eingelegt hatte, kommt es am 3. März zum Prozess am Amtsgericht – immerhin fast drei Jahre nach dem Zwischenfall. Anklage: Grundlos zugeschlagen: Die Anklage ist knapp gehalten: Nach Gerichtsangaben soll Michael T. am 17. Juni 2018 kurz nach 1.10 Uhr vor dem Club L1 am Markt in der Leipziger City den Asylbewerber mehrfach mit der Hand und der Faust ins Gesicht geschlagen und dann auf den am Boden liegenden Mann eingetreten haben. Das mutmaßliche Opfer erlitt eine leicht blutende Lippe und hatte Schmerzen. Doch warum sollte der Leipziger scheinbar ohne Motiv auf einen ihm völlig Fremden eingeprügelt haben? Der Dresdner Rechtsanwalt Frank Hannig, der den Angeklagten vertritt, gab auf Nachfrage zu dem laufenden Verfahren keine Erklärungen ab. Sein Mandant schilderte indes gegenüber der LVZ, was sich aus seiner Sicht in jener verhängnisvollen Nacht ereignete. Beleidigt und bedroht: Demnach arbeitet er seit etwa sechs Jahren als sogenannter Selekteur am Eingang des L1. Auch in jener Nacht hatte er darüber zu entscheiden, wer in die Nobeldisko darf und wer nicht. Auf seiner Webseite hat der Club sogar einen Dresscode veröffentlicht: „Einziges absolutes No-Go sind kurze Hosen bei Männern.“ Farhad A. sei in kurzen Hosen, alkoholisiert, mit Rucksack und Bierflasche in der Hand durch die Absperrungen gelangt und überaus aggressiv aufgetreten, erinnert sich Michael T. „Auf Deutsch und Englisch habe ich ihm gesagt, dass das so nichts wird.“ Der abgewiesene Diskogast habe ihn daraufhin bedroht und beleidigt. „Scheiß Deutscher, Du Nazi, ich haue Dir aufs Maul“, soll Farhad A. gerufen haben. Immer näher sei er ihm gekommen. Zweimal habe der Iraker ihm ins Gesicht gespuckt, dann auch noch seine Faust geballt und Schläge sowie Kopfstöße angetäuscht. Angriff mit abgebrochener Flasche: „Ich habe ihn deshalb auf dem Teppich zu Boden gebracht und fixiert“, so Michael T. Im Schwitzkasten habe er ihn schließlich zum Ausgang gebracht. „Er ist dabei völlig ausgerastet, hat mich mehrfach in den Unterleib geschlagen, ließ sich nicht beruhigen.“ Keinesfalls habe er den Iraker geschlagen oder getreten, versicherte der Club-Angestellte gegenüber der LVZ. Stattdessen sei er selbst um ein Haar massiv verletzt worden: Als er wenige Minuten nach dem Zwischenfall am Einlass nach Hause gehen wollte, habe ihm Farhad A. draußen aufgelauert, um mit einer abgebrochenen Flasche auf ihn loszugehen. „Er wollte mich angreifen“, berichtete Michael T., „wenn ich nicht gewarnt worden wäre, hätte ich wahrscheinlich die Flasche hinten im Hals gehabt.“ Dass der Iraker gefährlich ist, halten die Behörden für ausgemacht. Seit seiner Einreise 2016 hat Farhad A., der mit gut einem Dutzend Alias-Namen auftrat, in Deutschland eine Vielzahl von Straftaten begangen. Am 26. August 2018 soll er gemeinsam mit dem Syrer Alaa S. (25) den 35-jährigen Daniel H. erstochen haben. Sein Komplize wurde zu neuneinhalb Jahren Haft wegen Totschlags und gefährlicher Körperverletzung rechtskräftig verurteilt. Farhad A. hatte hingegen rechtzeitig „sein gewohntes Umfeld verlassen“, wie es im Fahndungsaufruf heißt. Und: „Vorsicht, der Verdächtige könnte bewaffnet sein!“ Von Frank Döring