FDP-Politiker Kemmerich Dank AfD und CDU neuer Regierungschef

Thüringen hat einen neuen Ministerpräsidenten und der heißt Thomas Kemmerich. Der FDP-Politiker war am Mittwoch überraschend im dritten Wahlgang neben Amtsinhaber Bodo Ramelow (Linke) und Christoph Kindervater (parteilos) angetreten, erhielt dann 45 von 90 abgegebenen Stimmen. Dabei profitierte der 54-Jährige vor allem von der geschlossenen Unterstützung aus den Reihen von AfD und CDU. Denn die FDP selbst verfügt in Erfurt selbst nur über fünf Landtagssitze, war im vergangenen Oktober auch denkbar knapp ins Parlament gerutscht. Verlierer Bodo Ramelow kam im dritten Wahlgang mit seiner anvisierten Koalition aus Linken, Grünen und Sozialdemokraten lediglich auf 44 Stimmen. Einer der Abgeordneten hatte sich zudem enthalten. Weil im dritten Wahlgang nur eine relative Mehrheit statt einer absoluten zum Sieg genügte, ist sein Herausforderer Kemmerich mit einer Stimme Vorsprung somit gewählter neuer Ministerpräsident im Freistaat. AfD-Parlamentarier mit Siegerfäusten: Wer diese handfeste Überraschung im Erfurter Parlament vor allem zu verantworten hatte, daran bestand nach Verkündung des Ergebnisses kein Zweifel. Bei der in Thüringen von Rechtsaußen Björn Höcke geführten AfD wurden unverholen Siegerfäuste geballt, hallten Jubelrufe durch das Parlament. Auf den Bänken der geschlagenen Thüringer Linken herrschte dagegen Fassungslosigkeit. Fraktionschefin Susanne Hennig-Welsow legte ihre Blumen ohne Gruß vor dem neuen Thüringischen Ministerpräsidenten ab. Der parteilose Christoph Kindervater, der in den ersten beiden Wahlgängen noch von der AfD unterstützt worden war, im dritten Durchgang dann aber keine Stimme mehr erhielt, fühlte sich trotzdem als Gewinner. Kemmerich will mit CDU, SPD und Grünen regieren: Am Mittwochnachmittag sollte in der Erfurter Staatskanzlei eigentlich ein Regierungskabinett vorgestellt werden. Dieser Termin wie auch eine ebenfalls geplante erste Kabinettsitzung wurden verschoben. Eine erste Erklärung des neuen Ministerpräsidenten im Landtag wurde von Zwischenrufen begleitet, Landtagspräsidentin Birgit Keller (Linke) musste mehrfach zur Ruhe bitten. In einem ersten Statement vor Journalisten kündigte Kemmerich an, nun zusammen mit CDU, Grünen und SPD eine Regierung bilden zu wollen. Er plane eine Regierung der Mitte, sagte er am Mittwoch im Erfurter Landtag. Grüne und SPD erteilten einer Zusammenarbeit mit Kemmerich jedoch bereits eine klare Absage. Auf den Hinweis, dass er sich auch mit Stimmen der AfD zum Ministerpräsident wählen ließ, sagte der FDP-Politiker am Mittwoch: „Die Brandmauern gegenüber der AfD bleiben bestehen“, Es werde weder eine Koalition mit der AfD noch ein Angebot für eine Zusammenarbeit geben. „Ich bin Anti-AfD, ich bin Anti-Höcke.“ Die Brandmauer gebe es aber auch gegenüber der Linken. Ramelow scheitert zweimal knapp: Die Entscheidung in der dritten Runde war überhaupt erst notwendig geworden, weil in den zwei Durchgängen zuvor weder Ramelow noch der bis dato einzige Herausforderer Christoph Kindervater eine absolute Mehrheit auf sich vereinen konnten. In der ersten Runde am Mittwochvormittag hatte Amtsinhaber Ramelow 43 von 90 abgegebenen Stimmen erhalten – und somit drei zuwenig für die notwendige absolute Mehrheit. Kindervater erhielt 25 Stimmen, 22 weitere Parlamentarier enthielten sich. In der zweiten Runde blieb diese Pattsituation weiter bestehen, obgleich Ramelow noch eine Stimme zulegen konnte. Die Ausgangssituation der Wahl in Erfurt war mehr als kompliziert, denn Ramelow fehlten vier Stimmen zur Mehrheit. Der Linken-Politiker plante deshalb, eine rot-rot-grüne Minderheitsregierung anzuführen und in jeder Sachfrage im Parlament künftig um diese vier zusätzlichen Stimmen zu ringen. Dass dies nicht ohne Gegenwehr aus der Opposition klappen würde, daran zweifelte niemand. Die Rolle der bis dato eigentlich politisch eher unbedeutenden FDP im Ringen deutete sich allerdings erst kurz vor den Wahlgängen an. FDP bot Sozialdemokraten Ministerposten: Am Mittwochmorgen machte in Parteikreisen ein angebliches Angebot der Liberalen an die SPD die Runde. Wie es hieß, könnten alle sozialdemokratischen Minister im Amt bleiben, sollte Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten gewählt werden. SPD-Chef Wolfgang Tiefensee reagierte ungehalten und twitterte prompt: „Sehr geehrter Herr Kemmerich, ist es wahr, dass Sie sich mit den Stimmen der AfD zum MP wählen lassen und dann die SPD-Minister zum Bleiben auffordern wollen? Welch ein politischer Dammbruch und welch eine Anmaßung.“ Die FDP entgegnete später, dass Amtsinhaber Ramelow die Kandidatur Kemmerichs als „demokratische Selbstverständlichkeit“ bezeichnet und damit Tiefensee widersprochen habe. „Ohne Stil und sehr durchschaubar“, empfand das Staatskanzleichef Benjamin-Immanuel Hoff (Linke) allerdings. Letztlich sollte es an diesem Tag für die bisherige Regierungspartei aber noch schlimmer kommen. Kindervater zur Thüringenwahl: „Der Plan ist völlig aufgegangen“ Stimmen aus Leipzig und Sachsen zum neuen Ministerpräsidenten in Thüringen Linke stinksauer: Das sind die Reaktionen zur Kemmerich-Wahl Nach Ministerpräsidentenwahl - Proteste in Erfurt angekündigt Dank AfD und CDU: FDP-Politiker Kemmerich neuer Regierungschef in Thüringen Streit um Auslegung der Thüringer Verfassung Das ist Thüringens neuer Ministerpräsident Minderheitsregierungen: Meist kurz und selten Von Roland Herold / Matthias Puppe

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