Weniger als 900 Kilometer vom Nordpol entfernt liegt die Militärbasis Alert. Entsprechend kalt ist es in der Siedlung auf Ellesmere Island in Nordkanada normalerweise. Doch der nördlichste dauerhaft bewohnte Ort der Erde erlebt gerade eine Hitzewelle. 21 Grad wurden dort am Sonntag gemessen, wie der kanadische Wetterdienst mitteilte – so viel wie noch nie. Auch am Tag darauf erreichten die Temperaturen am Mittag 20 Grad.
Der Chefmeteorologe im kanadischen Umweltministerium, David Phillips, spricht von einer „arktischen Hitzewelle.“ „Das ist sehr spektakulär“, sagte der Meteorologe gegenüber dem kanadischen Sender „CBC“. „Das ist beispiellos“.
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Durchschnittstemperatur liegt bei 3,4 Grad
Alert liegt am 82. Breitengrad in der Hocharktis auf Ellesmere Island – von den Inuit auch „Dach der nördlichen Welt“ genannt. Die Siedlung auf dem Gebiet des kanadischen Territoriums Nunavut wurde 1950 als Wetterbeobachtungsstation eingerichtet. 1985 wurde sie dann als Militär-Standort ausgebaut, um russische Kommunikation abzufangen.
Die Höchsttemperatur in der Militärbasis liegt im Juli normalerweise bei 7 Grad, durchschnittlich werden 3,4 Grad erreicht. Die Rekordtemperaturen von 21 Grad sind laut Philipps nur die jüngste Anomalie in einem langen, heißen Sommer in der Arktis. Schon im Juni hatten Wetterstationen den zweitheißesten Juni in Alaska gemeldet, wie „CBC“ berichtet. In Iqaluit, der Hauptstadt des kanadischen Territoriums Nunavut, wurden Anfang Juli sogar 23,5 Grad gemessen.
Warme Luftmassen kommen aus den USA
In der gesamten Arktis werden immer häufiger neue Rekordtemperaturen erreicht– und das in großen Schritten. „Es ist nicht nur ein halbes Grad oder ein zehntel Millimeter“, sagte Philips gegenüber CBC, „sondern ein großer Unterschied zu den vorherigen Rekorden.“ Und eine Normalisierung der Lage sei nicht in Sicht: „Unsere Modelle für den Rest des Sommers sagen: „Gewöhnt Euch daran“.
Auslöser der arktischen Hitzewelle in Alert ist dem Meteorologen zufolge eine riesige Luftmasse, die sich vom US-amerikanischen Südwesten in den Norden verirrt hat. Der Wetterexperte führt dies auf Veränderungen des Jetstreams zurück, einer starken Luftströmung, die sich von Westen nach Osten bewegt.
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Klimawandel verursacht die Hitzeextreme
In den letzten Jahren ist diese Strömung langsamer und weniger stabil geworden. Deswegen verläuft der Luftstrom teilweise viel weiter nördlich oder südlich als normal. „Es scheint, als würden wir diese Extreme nun viel häufiger sehen, weil der Strom eine andere Form und Muster hat“, so Phillips.
Viele Wissenschaftler glauben, dass die Veränderungen der Luftströme mit dem schmelzenden Meereis zusammenhängen. Der Chefmeteorologe Phillips hielt sich gegenüber CBC damit zurück, die Ereignisse auf einen spezifischen Grund zurückzuführen. Den Haupt-Verursacher der Hitzewellen machte er trotzdem deutlich: „Bei Temperaturen, die man so noch nie erlebt hat, kann man nicht bestreiten, dass diese mit dem Klimawandel zusammenhängen.“
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Auch der Meeresspiegel steigt
Auch der Meeresspiegel steigt mit dem Klimawandel – doch regional mit extremen Unterschieden. Wie ein dänisch-deutsches Forscherteam im Fachblatt „Remote Sensing“ schreibt, stieg das Meer nördlich von Grönland, Kanada und Alaska innerhalb des sogenannten Beaufort-Wirbels in 22 Jahren um mehr als zehn Zentimeter. Der durchschnittliche Anstieg in der Arktis liegt dem Team zufolge bei 2,2 Millimetern jährlich.
„Die Arktis ist ein Hotspot des Klimawandels“, sagte Florian Seitz vom Deutschen Geodätischen Forschungsinstitut der TUM. „Durch die steigenden Temperaturen gehen die Gletscher Grönlands zurück, gleichzeitig schmilzt das Meereis.“ Die enormen Süßwassermengen lassen nicht nur den Meeresspiegel steigen, sondern können auch das weltweite System von Meeresströmungen und damit das Klima verändern.
Einen Überblick über Veränderungen des globalen Meeresspiegels finden Sie hier.
Von RND/lzi