Washington erlebt spektakuläre Tage. In bisher ungekannter Form lässt sich ein Blick hinter die Fassade der neuen US-Administration werfen.
So beschreibt das Protokoll, das der gefeuerte FBI-Direktor James Comey über die Begegnungen mit dem US-Präsidenten verfasste, atemberaubende Grenzüberschreitungen, die genügend Anlass bieten, an Donald Trumps Qualifikation für das Amt zu zweifeln.
Nicht weniger bedrückend sind die neuen Erkenntnisse über die Arbeits- und Vorgehensweisen, die zurzeit im Weißen Haus herrschen.
Das Treueverhältnis steht an erster Stelle
Allem Anschein nach führt der ehemalige Geschäftsmann das höchste Staatsamt wie einen dubiosen Familienclan: An erster Stelle steht das Treueverhältnis. In aller Ernsthaftigkeit vom obersten Ermittler Loyalität zu verlangen, ist eine gezielte Zweideutigkeit - wenn nicht gar eine Aufforderung, sich im Zweifelsfall über das Gesetz zu stellen.
Damit nicht genug: Sollte die Dokumentation des früheren Direktors der Bundespolizei zutreffen, setzt Trump alles daran, im engsten Umfeld Abhängigkeitsverhältnisse zu schaffen, die den Blick vom sauberen Rechtsweg ablenken könnten - oder sogar ablenken sollen.
Was sich bereits mit der Beratertätigkeit seiner Tochter und seines Schwiegersohns abzeichnete, reicht offenbar weitaus tiefer in die Institutionen: Es drängt sich zunehmend der Eindruck auf, dass Trump das System der „Checks and Balances“ aushebeln will.
Üble Anforderungen
Einflussreiche Positionen werden entweder mit über alle Maßen loyalen Personen besetzt oder mit Mitarbeitern, die vom Chef zutiefst abhängig sind.
Angesichts dieser üblen Anforderungen finden sich auch Erklärungen, warum eine Vielzahl von Leitungsposten in den Ministerien auch fünf Monate nach dem Machtwechsel unbesetzt sind - für Bewerber reicht es eben nicht aus, einfach nur gute oder beste Zeugnisse vorzulegen. Die neue Staatsführung verlangt mehr.
Ob die Mehrheit der Kongressabgeordneten in den Aussagen des FBI-Direktors einen Grund sieht, offiziell ein Amtsenthebungsverfahren einzuleiten, ist noch ungewiss. Aber die schwere politische Krise, in der Amerika seit Monaten steckt, tritt immer offener zutage.
Von Stefan Koch/RND