Das Hauptproblem der Jugend ist, den Anschluss an die Erwachsenenwelt zu finden. Sich dazugehörig zu fühlen. Die Erwachsenenwelt lässt sich allerdings Zeit, sie heißt die neue Generation nicht gleich willkommen, sie hat genug mit den älteren Erwachsenen zu tun und weiß nicht, wohin mit ihnen. Mein Sohn ist 18 Jahre alt, das Abitur haben wir mit vereinten familiären Kräften Gott sei Dank durch. Wie es weitergehen soll, weiß er noch nicht. Er sucht sich. Dagegen ist erst einmal nichts einzuwenden, die Selbstsuche ist eine wichtige Lebensphase, jeder hat das Recht, sich zu suchen.
Man braucht nur den richtigen Ort dafür. Mein Junge sucht sich bei uns zu Hause, in der Küche, auf dem Sofa, vor dem Fernseher. Meine Erfahrung sagt, das kann dauern. „Schmeiß ihn raus!“, raten mir meine Freunde, „schick ihn nach Australien, mit einem One-Way-Ticket!“ Dieses Australien scheint zurzeit der heißeste Spot für alle Eltern zu sein, die Kinder in der Selbstsuchephase haben. Etliche Erziehungsberechtigte aus meinem Bekanntenkreis haben ihren spätpubertierenden Nachwuchs in Australien zwischengeparkt.
Australien ist groß – und dünn besiedelt
Der Gedanke dahinter ist gut nachvollziehbar: Einerseits ist Australien groß genug, um sich voll und ganz auszutoben, andererseits ist es eine dünn besiedelte Insel, also läuft der Nachwuchs nicht weg und ist zur Not schnell wiederzufinden. Aber mein Junge will nicht nach Australien, er will sich in Berlin finden. „Darf ich nicht einmal durchatmen, nach zwölf Jahren harter Schularbeit?“, fragt er uns rhetorisch. Nur Geduld, denke ich. Wir schaffen das.
Von Wladimir Kaminer