„Zilan B – Die Geschichte einer Flucht“ im Kulturhaus Freital

In den heutigen Tagen entsteht schnell der Eindruck, auch dank der Medien, dass abseits von Corona nichts in der Welt passiert. Und dennoch fliehen weiterhin jeden Tag Zehntausende Menschen aus ihrer Heimat, auf der Suche nach Sicherheit – Menschen wie Zilan B. Weil der Krieg ihr Land in Trümmer legte, flieht Zilan mit ihrem Bruder nach Deutschland. „Die Geschichte einer Flucht“ von Marc van der Velden und Jesper Wamsler erlebte nun ihre deutschsprachige Erstaufführung als Klassenzimmerstück im Kulturhaus Freital. Trauma und heitere Momente: Zilan beobachtet ihren Vater auf dem Balkon. Der Stoff seines Hemdes flattert im Wind. Als eben noch die Vögel zwitschern, ertönt plötzlich ein mächtiges Dröhnen. Boom, boom, boom. Die Bomben fliegen, „der Himmel stürzt ein.“ Zilans Geschichte katapultiert den Zuschauer nach wenigen Sekunden in den Krieg. Dabei kommt die Inszenierung von Felicia Daniel mit einem Bühnenbild aus, das nicht mehr als ein Teppich und ein Heft ist. Zilan, gespielt von Lena Beltermann, erzählt ihre Geschichte, vorgelesen aus ihrem Tagebuch. Neben ihr ist Iris Pickhard, bei der zunächst unklar ist, wen sie spielt. Mal ist sie Zilans beschützender Bruder, mal der Soldat, der durch Zilans zerstörtes Haus brüllt, dann wieder die innere Stimme des flüchtenden Mädchens. Zilan B. zeigt, was Flucht in vielen Fällen bedeutet: Trauma. Mehrfach stoppt das Mädchen in den Erzählungen. Sie hat Erinnerungslücken oder will sich nicht erinnern, weil die Erinnerung zu schmerzhaft ist, um sie zu ertragen. Doch ihr Gegenüber hilft Zilan beim Erinnern. An den Bombenhagel, der ihre Familie in den Keller treibt, „fünf Körper“ dicht zusammen gepfercht, bis die Luft immer dicker wird. Dazwischen gibt es heitere Momente, beispielsweise als ein verwundeter Soldat in Zilans Haus das Wasser aus der Schüssel schlabbert, “wie unsere Katze!“ Schnell jedoch öffnen sich wieder die Abgründe des Krieges. Soldaten stürmen Zilans Haus. Sie nehmen ihren Vater mit und vergewaltigen ihre Schwester. „Ich weiß nicht, wo meine Mutter ist“, ruft Zilan. „Wo sind alle?“ Der Krieg nimmt sich ihre Familie und ihr Zuhause. Alles in einer Nacht – in der „Nacht, in der alles aufhörte.“ „Es muss doch einen Plan geben!“: Zilan blättert weiter in ihrem Tagebuch. „Wir müssen fliehen“, sagt ihr Bruder. Denn von ihrem Haus ist nichts übrig, „nur Trümmer, Asche, Kohle.“ Erstaunlich ist, dass der Zuschauer nie das Heimatland erfährt. Somit steht Zilans Geschichte symbolisch für all die anderen Millionen von Fluchten, von Menschen, die wegen Krieg, Konflikten und Verfolgung ihre Heimat verlassen. Arbeiten von Rita Geißler und Mimi Wilden in der KunstGalerie Hans Makellos: Die Sächsische Staatskapelle Dresden mit Arnold Schönbergs „Gurrelieder“ Weisheit für Waisen – Lessing-Premiere in Bautzen Ein paar Seiten weiter landen die Geschwister vor dem Schreibtisch eines Schleppers. Dann im weißen Kastenwagen. Dann in einem neuen Wagen, weiter zur Grenze, um dann wieder „umgeladen“ zu werden. Die Flucht, eine Reise in stickigen Wagen unter schmutzigen Planen, scheint kein Ende zu nehmen. Die Schlaglöcher der Straße schlagen blaue Flecken in Zilans Körper. Bis sie und ihr Bruder in Deutschland ankommen. Im „Zentrum“ steht ihnen „Fräulein S.“ gegenüber. Sie ist herzlich. Doch die Freundlichkeit der Frau kann Zilan ihre erdrückenden Gefühle nicht nehmen. Sie will wissen, wie es jetzt weiter geht. „Es muss doch einen Plan geben!“, schreit sie ihren Bruder an. Er hat keine Antwort. Im Asylbewerberheim bleibt ihr nichts außer „Warten und raten“. Doch da ist plötzlich das Mädchen mit den Muschelohrringen. Zilan und sie gehen spazieren, ohne große Worte. Bis das Mädchen fragt, ob Zilan ihr ihre Geschichte erzählen wolle. Sodass sie das niedergeschriebene Trauma endlich aussprechen kann. www.landesbuehnen-sachsen.de Von Laura Catoni

Premiere - „Zilan B – Die Geschichte einer Flucht“ im Kulturhaus Freital