„Weltraumaffen“ im Labortheater der HfBK Dresden

Das 14. Stück im elften Jahrgang: Das freie Frei-Spieler-Kollektiv rings um Regisseurin Christiane Guhr, hier geboren und seit 2008 zurück, sorgt immer wieder für Überraschungen und widmet sich dabei nie dem Zeitgeist oder anderen Trivialitäten. Seit 2009 bringen sie jährlich mindestens ein Stück heraus, seit geraumer Zeit ist die Premiere im HfBK-Labortheater, wobei die dortigen Studenten kooperativ für Bühnenbild, Kostüme und Maske sorgen. Konstanten sind seit dem „Pfänderspiel“ von 2012 Paul Förster als Darsteller und Geohwan Ju als Lichtdesignerin sowie Marcus Möller als Spieler oder Dramaturg, beide seit 2016. „Fight Club“ und der UNA-Bomber: Vor drei Jahren gab es als elfte Produktion die Romanvorlage von Bernard-Marie Koltès’ „Flucht zu Pferd bis ans Ende der Stadt“ und dazu Gus Van Sants Kinowerk „My private Idaho“, zusammen gemixt in einem ewig dystopischen Kreislauf in den finsteren, kargen Vorstädten des Endzeitimperialismus. Im Vorjahr, als 13. Edition „Zone 13“ genannt, ging es gen Osten und noch weiter zurück, denn die Romane „Picknick am Wegesrand“ und „Eine Milliarde Jahre vor dem Weltuntergang“ von Boris und Arkadi Strugatzki sowie „Solaris“ von Stanisław Lem dienten als literarische Grundlage. Dazu die Verfilmungen „Stalker“ und „Solaris“ von Andrei Tarkowski als filmische Inspiration. Nun die „Weltraumaffen“ – diesmal auf Grundlage von Chuck Palahniuks Roman „Fight Club“ und dem Manifest von Ted Kaczynski, dem hyperintellektuellen UNA-Bomber. Außerdem werden auch Lutz Dammbecks künstlerischer Dokumentarfilm „Das Netz“ und eine Serie namens „Mr. Robot“ als Quellen angegeben. Dabei geht es keineswegs hoch hinaus, sondern in eine beliebige abendländische Metropole, in der vier Sozialsysteme miteineinander verwoben werden: Neben der Wohnung von „Jammerkolumnist“ Jack, wo erst Tyler, dann Marla auftauchen, sind dessen Redaktion und eine Selbsthilfegruppe von Lebensmüden unter Leitung des sensiblen Richy (Paul Schneider) die Ausgangspunkte. Hier sind auch Sunny (Madlin Joffroy) mit Systemproblemen, Cloey (Bianka Elsner) und der kraftvolle Bob (Steffen Dille), dem der Sport und seine Mittelchen die Potenz raubten und die Freundin weglief, um sich anderweitig fortzupflanzen, zugange. Knackiges Kopfwerk mit ironischer Note: Als die Gruppe aufgelöst wird, finden sie sich im Fight Club wieder, in dem Tyler sie erst auf den Nullpunkt bringt, dann in eine Terrorzelle umformt, weil der Kapitalismus nicht mehr durch Reform, sondern nur noch durch Revolution zu bezwingen sei. Wobei der Grat vom Widerstand zum Terror schmal ist – und sich oft nur im Auge des Betrachters unterscheidet. Und die Briefbombenaufklärung auch die Presse lockt … Hier im zunehmend packenderen Spiel sind die drei Verbliebenen aus der Zone handlungstreibend: Paul Förster als manipulativer Tyler, Hannes Emmerich als aufwachender Jack, der sogar seine Verlegerin erpresst. Dazwischen Rosa Klug als vermeintlich naive Marla, die als einzig Normale im gesamten Geschehen Jack begehrt und Tyler bekommt. Nur hunderte Altpapierpäckchen, eine Idee von Julia Scholz und Manuel Radke als Ausstatter, dienen als Kulisse, zwei breite Podeste sorgen für drei Spielebenen. Die eine Seite ist Redaktion, die andere Jacks Wohnung, die später ausbrennt. Davor ist erst die Selbsthilfegruppe, später der Fight Club in gleicher Besetzung aktiv – auf der Suche nach dem Nullpunkt als persönliche Befreiung. Die Konsequenz sowie die Kostümierung der Redaktion in Pyjama oder Morgenmantel – als Ode an echten Journalismus – verleihen dem knackigen Kopfwerk zudem eine ironische Note. nächste Vorstellungen im Projekttheater Dresden: 15./16. Januar, 26./27. Februar & 26./27. März (jeweils 20 Uhr) http://cargocollective.com/freispieler www.projekttheater.de Von Andreas Herrmann

Theater - „Weltraumaffen“ im Labortheater der HfBK Dresden