Schauspieler Wolfgang Stumph aus Dresden: Glaubwürdig und authentisch

Die DDR hat ihn nie wirklich entdeckt. Nicht das Fernsehen. Nicht das Kino. Er wohnte einfach falsch. Dresden, das war Provinz. Dahin fielen nur Brosamen. Kurz-Krimis fürs „Tele-Lotto“, auch mal ganz allein eine Ziehung, sechsmal „Punkt um Punkt“. Ein Quiz. Das war 1980. Als Wolfgang Stumph, fahrig und sächsisch, mit Dederonbeutel „Showkolade“ satirisch glasnosierte, lag das Ende 1988 in Sichtweite. Aber jetzt bemerkte man ihn neben Gunther Emmerlich. Ein Freund. Ein Sachse, auch wenn er aus Thüringen kam. Aber möglicherweise kommen die sächsischsten Sachsen ja ohnehin nicht aus dem tiefsten Sachsen. Wie Wolfgang Stumph. Der wurde im niederschlesischen Wünschelburg (Radków, Polen) geboren, kam als Baby an die Elbe, wuchs in Dresden-Hellerau auf, lernte Kesselbauer, studierte Ingenieurpädagogik, gründete als Student das Kabarett „Lachkarte“ – und blieb dabei. Satirisch-komödiantisches Volkstheater in der Herkuleskeule Dresden: Nicht so was Schnödes wie ein Beruf, sondern „eine Art inneres Sprachrohr“. Bei Wolfgang Stumph eines mit sächsischer Mentalität. Und mit sächsischer Mundart. Die hat er nie glatt geschliffen. Die hört man auch noch, wenn er Hochdeutsch spricht. Was vielleicht auch daran liegt, dass er keine Figuren spielt, sondern seine Figuren in seiner so eigenen Wolle färbt. Die Mischung macht es, gibt Glaubwürdigkeit und Authentizität. So wird man weniger Charakterspieler, um so mehr jedoch Volksschauspieler. Davon gibt es nicht viele. Wolfgang Stumph ist einer. Einer mit Prinzipien. Einer, der sich für das, was er macht, einsetzt – mit 100 Prozent. Einer mit Überzeugungen, politisch und moralisch anders geht es schließlich nicht im Kabarett. Einer, der noch nie einen Manager hatte. Der Kabarettist, Schauspieler, Dokumentarfilmer, Produzent, Texter ist. Der Sätze sagt, bei denen man immer hinterher überlegt: spontan – oder sorgsam zurecht gelegt? Zu eingängig, zu pointiert. Wie das Lebensmotto „Ganz schön wird’s nie“. Er war oft der kleine, gebeutelte, widerständige Mann. Er war gewitzt und bauernschlau. Also, auf gut Sächsisch, fischelant. So stand Wolfgang Stumph in der „Herkuleskeule“ auf der Bühne. So war er in den 90ern erst Post-, dann Kommunal-Mann („Salto Postale“, „Salto Kommunale“), live vor Publikum aufgezeichnete Sitcoms. Das traute sich damals kein anderer. Wolfgang Stumph nannte es schlicht satirisch-komödiantisches Volkstheater. Ab den 90ern drehte Wolfgang Stumph unaufhörlich: Da arbeitete er bereits mit heftigem Rückenwind. „Go Trabi go“, das Reise-Abenteuer des Deutschlehrers Udo Struutz von Bitterfeld nach Neapel, schuf gesamtdeutsche Popularität. Den Rest erledigte bald das ZDF. Ab 1995 ermittelte Wolfgang Stumph in Hamburg 19 Jahre als Kommissar Stubbe. Jeder Fall ein Quotenhit. Die ruhige, bedachtsame, bodenständige Art kam an. Ab den 90ern drehte Wolfgang Stumph unaufhörlich, auch immer mal wieder fürs Kino. „Bis zum Horizont und weiter“ war sicher der schönste. Der Ex-Baggerfahrer, der zur Freipressung seiner großen Liebe ihre Richterin in eine Mondlandschaft entführt, hieß Stahnke. Trug ein Charakter ein „St“ als Namensanfang, so stand Wolfgang Stumph mit Haut und Haar dahinter – Struutz, Stankoweit, Strunz, Stankowski, Stubbe, Stille, Stolz. Das „St“ gehört dazu wie jener Schnurrbart, den er sich in den 80ern dem Kabarettisten Hans Glauche abgesehen hat. Inzwischen geht der Bartwuchs seit „Dresden“ (Pfarrer der Frauenkirche) mehr in Richtung Richelieu. Fünf Dokumentarfilme in den vergangenen Jahren: Nicht blinde Glücksgriffe bei der Stoffauswahl machen Wolfgang Stumph so erfolgreich, sondern der klare Blick für das, was er kann, was er vertritt – und was man ihm glaubt. „Ein Sack voll Geld“ wurde zum Weihnachts-Klassiker, „Oskar der Klomann“ (im Bundestag) ein blitzgescheiter Einfall, „Der Job seines Lebens“ (Arbeitsloser wird Ministerpräsident) eine Verwechslungskomödie reinsten Wassers, „Heimweh nach Drüben“ wehmütig und ironisch (in den Westen ausgesperrter Ossi will zurück), „Eine Liebe in Königsberg“ das Wagnis einer Romanze, „Stankowskis Millionen“ eine Treuhand-Satire, „Stilles Tal“ ein Überschwemmungsdrama um Rückübertragungen im Müglitztal, „Bankraub für Anfänger“ (Banker beklaut eigene Bank) so warmherzig und launig wie satirisch. An Rente hat Wolfgang Stumph nie gedacht, eher an neue Felder, die er noch nicht bestellt hat. So drehte er in den vergangenen Jahren fünf Dokumentarfilme – vom Roadmovie der Erinnerung („Go Trabi go Forever“) bis zur Frage danach, was Heimat ist („Grenzenlos“ über Lebenswege von DDR-Flüchtlingen). Allerdings ist er nun ein bisschen mehr zu Hause in Dresden-Dölzschen, wo er mit Ehefrau Christine (über 40 Jahre verheiratet) lebt und am Sonntag seinen 75. Geburtstag feiert. Ohne Feier, aber mit Tochter Stephanie, Sohn Thomas, Enkelin, ZDF und MDR. Legenden, MDR, 31. Januar, 20.15 Uhr Von Norbert Wehrstedt