SLUB Dresden erwirbt das „Silbermann-Archiv“

Es sei eine glückliche Stunde für die Sächsische Landes-, Staats- und Universitätsbibliothek (SLUB), sagte deren Generaldirektor Dr. Achim Bonte, als er den neuesten Erwerb der Musikabteilung präsentierte: Sechs dicke, von Hand geschriebene Bände des Straßburger Orgelbauers Johann Andreas Silbermann, in denen er minutiös den Orgelbau im 18. Jahrhundert in Deutschland und Europa dokumentierte. Ankauf für rund 200.000 Euro: Jener Johann Andreas Silbermann (1712–1783) ist in Dresden zwar weit weniger bekannt als sein Onkel Gottfried (1683–1753), zählt jedoch ebenso wie dieser zur Dynastie von insgesamt fünf Orgelbauern, die aus dem Erzgebirge stammend den Orgelbau im 18. Jahrhundert bis weit über die Grenzen Sachsens hinaus prägten. Das gesamte Wissen der Familie um die „Königin der Instrumente“ hat Johann Andreas Silbermann zwischen 1720 und 1780 in seinem „Silbermann-Archiv“ detailliert zusammengetragen. Seine Handschriften liefern eine Wissenssammlung zum barocken Orgelbau ohne Gleichen. Angekauft wurden die sechs Bände für rund 200.000 Euro aus einem süddeutschen Auktionshaus. Sie befanden sich zuvor durchgängig in Privatbesitz. Dass die Handschriften nicht allein aus Mitteln aus dem jährlich immerhin 8 Millionen Euro umfassenden Erwerbungsetat der SLUB, sondern auch mit Unterstützung der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, der Kulturstiftung der Länder und der Ernst von Siemens Kunststiftung angekauft werden konnten, zeigt einmal mehr von welch enormer kulturwissenschaftlicher Bedeutung deren Inhalt ist. Bereits 2014 hatte die SLUB mit dem Reisetagebuch von Johann Andreas Silbermann ein Zeitdokument erworben, das mit den sechs Handschriften nun komplettiert wird. Alle sechs Bände digital einsehbar: Im ersten Band beschreibt Johann Andreas Silbermann vor allem elsässische Orgeln verschiedener Instrumentenbauer, die er alle persönlich inspizierte und bei denen er teils in Reparaturen involviert war. Im zweiten Band dokumentiert er die Bauweise von Orgeln aus allen Teilen Deutschlands und verschiedenen Städten Europas, darunter etwa die der Schlosskirche Eisenach, der Marktkirche Halle, die Orgeln auf der Festung Königstein und in Oybin. Seine Notizen hat Silbermann durch technische Skizzen, Zeichnungen, eingeklebte Kupferstiche sowie mit Berichten von persönlichen Kontakten und aus Büchern ergänzt. Der dritte Band vereint biografische Skizzen zu über 162 Orgelbauern, während der vierte Band auf besondere Weise Einblick in die Silbermann’sche Orgelwerkstatt gewährt: Hier beschreibt Johann Andreas Silbermann insgesamt 35 Instrumente, die sein Vater Andreas zusammen mit Gottfried Silbermann gebaut hat, er dokumentiert zudem die Planung und Arbeitsbedingungen. Auch ein Treffen mit dem französischen Organisten Louis Marchand, der sich in Dresden einst den legendären Orgelwettstreit mit Johann Sebastian Bach geliefert haben soll, ist hier vermerkt. Im fünften Band beschreibt Johann Andreas Silbermann die eigene Arbeitsweise anhand von 31 Instrumenten, während der sechste Band unter dem Titel „Spezifikationen“ unter anderem Angaben zu den verwendeten Metallen sowie Kostenmodelle des Onkels Gottfried enthält. „Die Materialen zeigen sehr gut, wie Wissen im 18. Jahrhundert zusammengetragen wurde. Sie enthalten mit den vielen Details zu Instrumentenbau und Instrumentenpflege mit Sicherheit auch viel anregendes Material für Organisten heute“, fasst Prof. Dr. Barbara Wiemann, die Leiterin der Musikabteilung der SLUB zusammen. Die über 2000 Seiten Material aus den sechs Bänden liegen bereits komplett digital vor und können von überall auf der Welt eingesehen werden. Info: Silbermann-Archiv im Netz: www.slubdd.de/silbermannarchiv Von Nicole Czerwinka